Kapitel 19: Böse Gerüchte

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Am nächsten Morgen ging es Harry schon viel besser. Er konnte seine Finger wieder bewegen und steckte genüsslich seine Beine aus. Rasch setzte er sich auf und starrte zu dem Bett, wo in der Nacht zuvor noch Colin Creevey gelegen hatte. Sie hatten nun, wie zuvor schon bei Granger, einen Vorhang um das Bett gezogen. Nach dem Frühstück wurde Harry aus dem Krankenflügel entlassen und er lief sofort in den Kerker, wo ihn bereits Draco und Daphne erwarteten. Er erzählte ihnen von Creevey und wandte sich dann an Draco.
„Dein Hauself ist übrigens dabei, mich umzubringen", sagte er genervt. „Sollte er das noch einmal versuchen, dann verfüttere ich ihn an Kundalini."
„Mein Hauself...?", fragte Draco verwirrt. Dann erzählte er vom Besuch im Sommer, dem Zug und dem Klatscher. Draco, der am Vortag ebenfalls etwas von einem Klatscher abbekommen hatte, wurde Rot vor Zorn.
„Na warte. Ich werde Vater sofort schreiben, damit er dafür sorgt, dass dieser Hauself bekommt, was er verdient", knurrte Draco. 

Die Nachricht, dass Colin Creevey nun ebenfalls angegriffen worden war, verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch die Schule. Plötzlich hagelte es nur so von Gerüchten und Verdächtigungen - die meisten davon betrafen die Slytherins. Die Erstklässler waren nur noch in Grüppchen durch die Schule unterwegs doch am Schlimmsten schien es Ginny damit zu gehen. Wie Daphne von Astoria erfuhr, hatte sie in Zauberkunst neben Creevey gesessen und war nun reichlich verstört. 


Die Weasley Zwillinge machten es nicht besser. Sie zauberten sich abwechselnd Pelze und Furunkel ins Gesicht und lauerten ihr hinter Statuen auf, nur um ihr in den Weg zu springen. Harry war sich nicht sicher, ob sie sie quälten, weil sie eine Slytherin war und die Slytherins unter Generalverdacht standen oder ob es eine falschverstandene Form der Zuwendung war. Doch sie hörten nicht damit auf, bis Pistoletti zum ältesten Weasley an der Schule ging, damit er dem einen Riegel vorschob.

In der Zwischenzeit hatte sich in den anderen Häusern ein reger Handel mit allerhand Amuletten, Talismanen und anderen angeblich schützenden Utensilien entwickelt. Nur in Slytherin waren alle ruhig. Bisher waren nur Muggelgeborene angegriffen worden und die gab es in Slytherin nunmal nicht.
Vorerst passierte auch nichts weiter. Das Aufregendste, was in den nächsten Wochen passierte, war eine Explosion von Gregs Zaubertrank, doch es kam zu keinen weiteren Angriffen.

Zwei Wochen vor den Ferien sammelte Snape die Namen jener, die über die Weihnachtsferien in Hogwarts bleiben würden. Harry unterzeichnete sofort das Formular und war froh zu hören, dass auch Draco dieses Weihnachten in Hogwarts bleiben würde.
Eine Woche später fand sich eine Ankündigung auf dem schwarzen Brett in der Eingangshalle.
Weasley, Finnegan und Thomas tuschelten bereits aufgeregt.
„Sie gründen einen Duellierclub!", sagte Thomas. „Könnte nützlich sein, eines Tages!"
„Denkst du, Slytherins Monster duelliert sich mit einem wie dir?", fragte Draco mit fiesem Unterton in der Stimme. Harry verdrehte unauffällig die Augen. Als würden so nicht schon genug Leute denken, dass die Slytherins etwas mit den Angriffen zu tun hatten. Schließlich war es jedoch Draco, der Daphne und Harry, sowie alle anderen Zweitklässler in Slytherin schließlich überredete, am Duellierclub teilzunehmen.

Der Duellierclub fand um acht in der großen Halle statt. Die Haustische waren verschwunden und an der Wand, an der ansonsten der Lehrertisch stand, befand sich eine Bühne. Draco war richtig aufgekratzt. Harry hatte erfahren, dass einer der beiden Lehrer Severus Snape sein würde. Draco hatte ihm den ganzen Nachmittag vorgeschwärmt, dass Snape ein großartiger Duellant war und sie sich das unbedingt ansehen mussten.
„Wer wohl der zweite Lehrer ist?", fragte Daphne, als plötzlich die Tür aufging. Zwischen der Schar an Schüler und Schülerinnen trat Gilderoy Lockhart in einem pflaumenblauen Umhang auf die Bühne. Neben ihm, noch missgelaunter als sonst, Professor Snape.
Lockhart hielt einer seiner schwülstigen Reden, die Harry mittlerweile ausblendete.
„Wärs nicht das Beste, wenn sie sich gegenseitig erledigen!", hörte Harry Weasley zu Thomas sagen. Draco warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
Dann gingen Lockhart und Snape aufeinander zu und verbeugten sich. Zumindest Lockhart tat dies auf sehr lächerliche Art und Weise, während Snape nur kurz mit dem Kopf nickte. Draco hatte ein breites grinsen auf den Lippen. Dann hoben sie die Zauberstäbe wie Schwerter.
„Wie ihr seht, halten wir unsere Zauberstäbe in der herkömmlichen Kampfhaltung", erklärte Lockhart der schweigenden Menge.
„Ich zähle bis drei und dann sprechen wir unsere ersten Zauberflüche. Natürlich hat keiner von uns die Absicht zu töten."
„Er wird ihn doch nicht verletzen", fragte Daphne mit besorgten Blick auf Lockhart und Harry sah, das Professor Snape die Zähne bleckte.
„Ach vertraust du deinem wunderbaren Lockhart etwa nicht mehr?", fragte Draco feixend.
„Mir ist mittlerweile auch klar, dass er ein Hochstapler ist. Aber ich will nicht, dass Snape von der Schule fliegt, weil er ihn auseinander nimmt", flüsterte Daphne so leise, dass nur die anderen Slytherins es hörten.
„Ach was. So schnell fliegt ein Lehrer schon nicht von der Schule", meinte Harry.

„Eins - zwei - drei!"

Beide schwangen die Zauberstäbe über die Schultern und, wie zu erwarten, war Snape schneller.

„Expelliarmus!"

Ein roter Blitz riss Lockhart von den Füßen und er knallte gegen die Wand. Harry und einige andere Slytherins johlten, während eine Mädchen entsetzt zu Lockhart blickten. Dieser rappelte sich wieder auf.
„Nun, ihr habt's gesehen! Ein Entwaffnungszauber. Wie ihr seht, habe ich meinen Zauberstab verloren!", sagte er und nahm den Zauberstab aus der Hand einer Gryffindorschülerin. „Danke Mrs. Brown - ja eine vortreffliche Idee dies zu zeigen, Professor Snape, aber verzeihen sie, wenn ich das sage, es war doch recht offensichtlich. Ich dachte nur, es wäre zielführend, wenn die Schüler es sehen würden."

„Klar", hörte Harry Draco sagen und beide rollten mit den Augen.
Dann stellten Lockhart und Snape unterschiedliche Paare zusammen. Harry und Draco standen sich nun grinsend gegenüber und verneigten sich. Sie waren Slytherins - einen Sieg würde keiner der Beiden einfach so herschenken.
„Zauberstäbe bereit!", rief Lockhart. „Ich zähle bis drei, dann sprecht ihr eure Zaubersprüche und entwaffnet den Gegner - nur entwaffnen - wir wollen keine Umfälle - eins... zwei..."
„Rictusempra!" Harry schwang den Zauberstab über die Schulter, doch nicht nur er hatte die Idee gehabt, bereits bei zwei zu starten. Harry war auf den Boden gefallen und Harrys Zauber traf Draco in den Magen, sodass er keuchend einknickte.
„Ich sagte, nur entwaffnen!", rief Lockhart über die Menge hinweg, als Draco in die Knie sank und zu lachen begann.
„Tarantallegra!", rief Draco und Harrys Beine begannen wild zu tanzen. Sie waren Freunde, doch keiner gönnte dem anderen den Sieg.
„Aufhören, aufhören!", rief Lockhart, doch es war Professor Snape, der eingriff.

„Finite Incantatem!"

Sofort waren alle Flüche aufgehoben und grünlicher Rauch lag wogte über den Köpfen aller. Einige der Schüler sahen wirklich lädiert aus und Lockhart stand gerade bei einigen Ravenclaws.
„Drück stark dagegen Boot, es wird gleich aufhören zu bluten - ich denke es ist besser, ich zeige ihnen, wie sie feindliche Zauber abblocken könnt", sagte er. „Ich brauche zwei Freiwillige. Ah genau, Longbottom, Finch-Fletchley, wie wärs mit ihnen?"
„Schlechte Idee, Professor Lockhart", sagte Snape. „Longbottom richtet mit den einfachsten Zaubersprüchen Verheerungen an, da können wir das, was von Finch-Fletchley überbleibt, in einer Streichholzschachtel in den Krankenflügel bringen."
Longbottoms Gesicht färbte sich dunkelrosa.
„Wie wärs mit Malfoy und Potter?", sagte Professor Snape mit schiefem Lächeln zu Draco. „Glänzende Idee!", rief Lockhart und zerrte sowohl Harry als auch Draco auf die Bühne. Sofort drängten sich alle so nahe es ging zu ihnen.
Dann zeigte Lockhart Harry die Handbewegung für den Abwehrzauber, wobei er den Zauberstab fallen ließ. Snape trat zu Draco, beugte sich hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Nun grinste auch Draco. Natürlich unterstütze Professor Snape sein Patenkind. Und Harry musste mit Lockhart vorlieb nehmen.
„Machen sie einfach meine Zauberstab-Bewegung nach", sagte Lockhart mit selbstzufriedenem Grinsen.
„Ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, meinen Zauberstab fallen zu lassen, Professor", meinte Harry trocken. Lockhart reagierte jedoch nicht darauf,  sondern zählte bereits: „Drei - zwei - eins - los!"

„Serpensortia!", rief Draco und die Spitze seines Zauberstabs explodierte. Eine lange, schwarze Schlange fiel schwer auf den Boden zwischen ihnen. Sie richtete sich auf, bereit zum Angriff. Die Menge wich schreiend zurück.
„Draco!", rief Harry wütend und ungläubig zugleich. In diesem Moment wurde Draco blass, als wäre ihm gerade erst bewusst geworden, in welche Lage er seinen Freund gebracht hatte.
„Nicht bewegen Potter! Ich schaff sie fort", sagte Snape. In seiner Stimme lag etwas, dass Harry als Erheiterung wahr nahm. Was hatte sich sein Hauslehrer dabei nur gedacht?!
„Erlauben sie", rief Lockhart und schwang seinen Zauberstab. Die Schlange verschwand jedoch nicht, sondern wurde vier Meter in die Luft gehoben, stürzte dann wieder ab und landete direkt vor dem Hufflepuff Finch-Fletchley, wo sie sich erneut bereit zum Angriff erhob.
Verzweifelt sah Harry zu Professor Snape. Er war zu weit weg, um etwas auszurichten. Er musste es tun - auch wenn er seine Fähigkeit damit vor der ganzen Schule offenbarte. 
„Weg von ihm!", zischte Harry der Schlange zu.
Die Schlange reagierte zuerst nicht, Harry machte noch einen Schritt auf sie zu.
„Lass den Jungen in Ruhe!", sagte er nun mit Nachdruck. Sie sank in sich zusammen und Harry grinste Finch-Fletchley an. Doch er sah keinen Blick von Dankbarkeit. Vielmehr war er blass geworden und schrie wütend:
„Was treibst du da für ein Spiel!?"

Draco und die anderen hatten Harry gewarnt, dass er Geheimhaltung sollte, dass er ein Parselmund war. Die Reaktion auf das eben Geschehene stellte alles in den Schatten, was er sich vorgestellt hatte. Finch-Fletchley hatte das Weite gesucht und auch einige andere aus Hufflepuff waren davongelaufen. Snape trat vor, wedelte mit dem Zauberstab und ließ die Schlange verschwinden. Ein merkwürdiges Murmeln erhob sich in der Halle.
„Der Kurs ist beendet. Alle zurück in ihre Häuser. Potter, Sie bleiben hier!", knurrte Snape. Niemand wagte es, Professor Snape zu widersprechen.
„Es tut mir leid!", presste Draco hervor, bevor er sich mit den anderen auf den Weg zurück in die Kerker machte. Nun waren nur noch Lockhart und Snape mit Harry in der großen Halle. Lockhart machte einen Schritt auf Harry zu, kam jedoch nicht weiter, als Snape knurrte: „Professor Lockhart, ich wünsche mit meinem Schüler allein zu sprechen!"
Er packte ihn unsanft am Arm und zerrte ihn in sein Büro. 

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt