Dumbledore sah mit angewiderten Gesicht auf Crouch hinunter. Er wandte sich an McGonagall. „Minerva, würdest du bitte Crouch bewachen, während ich Harry mit Sirius nach oben bringe?" Sirius half Harry auf und wollte ihn begleiten, als Harry wieder einfiel, dass er mit Snape sprechen musste.
„Professor Snape!", sagte Harry. Dieser blickte überrascht auf.
„Ja, Mr. Potter?", fragte er. Seine Stimme klang hohl.
„Ich muss mit Ihnen sprechen. Es ist dringend", sagte er. Sirius packte ihn an der Schulter: „Nicht jetzt, Harry, du musst in den Krankenflügel."
„Ich muss Sirius recht geben. Severus, gehen Sie hinunter aufs Gelände, suchen Sie Cornelius und bringen Sie Ihn ebenfalls hoch in dieses Büro. Zweifellos will er Crouch persönlich verhören. Sagen Sie ihm, er kann mich in einer halben Stunde im Krankenflügel sprechen, falls er mich braucht."Snape nickte stumm und rauschte hinaus. Harry wollte ihn aufhalten, doch er war schon wieder kurz davor, zusammenzubrechen. Was auch immer Crouch ihm gegeben hatte - die Wirkung ließ nach. Der Schmerz, der seinen ganzen Körper durchfuhr, schnitt ihm die Luft ab.
„Harry...", flüsterte Sirius besorgt. Dumbledore zauberte Alastor Moody auf eine Trage, Sirius stützte Harry und so brachten die beiden sie in den Krankenflügel. Dort lag bereits Diggory in einem Bett, umgeben von seinen Eltern und Madame Pomfrey. Diggory war blass - nein blass war eine Untertreibung. Diggory sah aus wie der Tod persönlich, doch er war wach.
Sein ganzer Körper zitterte und er hatte tiefe Augenringe im Gesicht. Als Harry hereinkam, zuckte der Hufflepuff zusammen. Langsam stieg Harry ins Bewusstsein, dass es nicht der Dunkle Lord gewesen war, der Diggory so zugerichtet hatte. Er hatte ihn mit dem Incubus belegt und ihn unendlich lang in diesem Traum gefangen gehalten. Harry wusste bis jetzt nicht, wie es der Hufflepuff geschafft hatte, aufzuwachen.
„Cedric, mein Junge. Wie geht es dir?", fragte Dumbledore. Er wirkte immer noch ernst, doch die Freundlichkeit war in seine Stimme zurückgekehrt.
„Es...", seine Stimme erstarb und er starrte Harry immer noch ängstlich an.
„Was ist geschehen?", fragte Mr. Diggory zornig.
„Was ist mit meinem Jungen?" Mrs. Diggory schluchzte leise vor sich hin. Dumbledore begann zu berichten, was Crouch erzählt hatte, während Sirius Harry in eines der Betten bugsierte. Harry hörte kaum zu. Er konnte nicht mit Professor Snape sprechen, also wollte er nur noch schlafen. Schlafen und vergessen, was er in dieser Nacht erlebt hatte. Dann hörte Dumbledore auf zu sprechen und wandte sich an Harry und Diggory.
„Ich muss wissen, was geschehen ist, nachdem ihr den Portschlüssel im Irrgarten berührt habt", sagte Dumbledore.
„Können wir das nicht auf morgen verschieben?", fragte Mrs. Diggory.
„Lassen Sie sie die Nacht darüber schlafen!", stimmte Mr. Diggory zu.
Harry spürte eine jähe Anwandlung von Dankbarkeit, doch Dumbledore achtete nicht auf ihre Worte.
„Wenn ich glaubte, es würde ihnen und uns helfen, sie in einen Zauberschlaf zu versetzen und es ihnen erlaubte, den Zeitpunkt zu verschieben, an dem sie daran denken müssen, was heute Abend geschehen ist, dann würde ich es tun. Aber ich weiß, es hilft niemanden etwas."
Harry schüttelte den Kopf. Er wollte nicht erzählen, was passiert war. Wollte nicht erzählen, dass er gefoltert worden war... und gefoltert hatte. Wollte sich nicht eingestehen, wie sehr er es genossen hatte, Mr. Malfoy unter dem Fluch zu halten. Wollte sich nicht eingestehen, dass er Diggory Ewigkeiten in diesem Albtraum gefangen gehalten hatte. Es war eine Sache, die dunklen Künste zu studieren. Eine andere, sie im Angesicht des Todes, außerhalb jeder Kontrolle von Außen anzuwenden. Das hatte Harry nun begriffen. Und doch... war da nicht ein kleiner Teil in ihm, der sich danach sehnte, es wieder zu tun? Der ihn gerade zu dazu aufforderte, erneut in die schützende Macht der dunklen Magie einzutauchen? Ein Teil, der immer lauter zu werden zu schien? Er erschauderte. Nein, Harry wollte nicht über die Nacht sprechen. Diggory schien das anders zu sehen.
„Ich weiß nicht, was direkt nachdem wir den Friedhof erreicht haben, geschehen ist. Potter hat einen Zauber auf mich gesprochen, der mich bewusstlos werden ließ", Diggory zitterte. „Als ich wieder aufgewacht bin, habe ich erst nicht gewusst, wo ich bin. Aber nur wenig von mir entfernt hat Potter gestanden. Und er hat sich mit Sie-wissen-schon-wem duelliert. Sie sind von einem seltsamen Licht umgeben gewesen. Da haben noch andere auf dem Friedhof gestanden. Viele andere, ich habe einige ihrer Gesichter erkannt... Ich denke, es waren Todesser. Die Todesser haben versucht, sie zu erreichen. Aber sie sind nicht an sie heran gekommen. Dann sind seltsame, geisterhafte Gestalten erschienen. Potter hat mit ihnen gesprochen. Ich denke, ich habe sie schon mal gesehen... in Büchern... aber das ist nicht möglich... es waren..."
Unglaubliche Wut stieg in Harry auf und er griff ein: „Halt den Mund! Halt den Mund, Diggory! Sofort! Das geht niemanden etwas an!"
Sirius sah Harry verwirrt an. Harry hatte erst bemerkt, dass er aufgestanden war, als sein Körper erneut vor Schmerzen brannte. Seine geballte Faust bebte.
„Harry, was ist los?", fragte Sirius besorgt. „Wir müssen wissen, was geschehen ist."
Harry schüttelte den Kopf.
„Nein... ich will nicht. Ich will nicht, dass er es weiß. Ich will nichts mit seinen Spielchen zu tun haben!", sagte Harry und sah Dumbledore ernst an. Die Diggorys und Madame Pomfrey sogen scharf Luft ein. Doch Dumbledore seufzte nur.
„Harry... ich weiß, du hast unglaubliches durchgemacht. Du musstest in viel zu jungen Jahren immer wieder gegen Voldemort antreten, ohne dass ich dich beschützen konnte. Wir können dir jedoch nicht helfen, wenn wir nicht wissen, was passiert ist", sagte Dumbledore.
Harry biss die Zähne zusammen, er wollte eine zynische Antwort geben, doch sein schmerzender Arm pochte so laut, dass er kaum seine eigenen Gedanken hören konnte.
„Lassen Sie mich endlich in Ruhe, wenn ich Ihnen erzähle, was ich erzählen mochte?", fragte Harry in der Hoffnung, dass sich Madame Pomfrey endlich um seinen Arm kümmern würde, wenn Dumbledore gegangen war.
„Sollte es ausreichen, um handeln zu können, werde ich dich danach schlafen lassen", antwortete Dumbledore. Sirius sah unsicher zwischen Harry und Dumbledore hin und her. Dann begann Harry zu sprechen. Erzählte davon, dass er Diggory betäubt hatte (auch wenn er ausließ, dass er es mit einem schwarzmagischen Fluch gemacht hatte). Er erzählte, wie er auf dem Friedhof landete und von Wurmschwanz gefesselt wurde. Wie dieser sein Blut genommen hatte - Sirius schrie wütend auf, doch Dumbledore kam herum und betrachtete den Schnitt auf Harrys Arm. Harry verschwieg, dass damit der Blutschutz seiner Mutter aufgelöst worden war, als er einen kurzen Moment glaubte, Triumph in den Augen des Schulleiters aufglimmen zu sehen. Zu Harry Erleichterung trug Dumbledore Madame Pomfrey endlich auf, seinen Arm zu heilen. Während Pomfrey einige Zauber murmelte und seinen Arm schiente erzählte Harry weiter, wie der Dunkle Lord wieder auferstanden war und dass die Todesser an seine Seite appariert waren. Harry nannte keine Namen, ließ aus, dass Mr. Malfoy unter ihnen gewesen war und sprach mit keinem Wort von der Folter die er dem Vater seines besten Freundes angetan hatte. Er tat so, als hätte der Dunkle Lord ihn direkt nach dem erscheinen der Todesser zum Duell gefordert.
„Wir haben uns gegenseitig angegriffen und sind unseren Zaubern ausgewichen. Schließlich hat der Dunkle Lord zum letzen Schlag ausgeholt. Ich habe versucht... einen Entwaffnungzauber. Doch ich hab keinen Erfolg gehabt. Die Zauberstäbe haben sich miteinander verbunden. Irgendwie ist dann Diggory aufgewacht. Das hätte nicht passieren dürfen. Er wäre nur aufgewacht, wenn ich den Zauber aufgehoben hätte oder... oder gestorben wäre", sagte Harry.
„Die Zauberstäbe haben sich verbunden?", fragte Sirius. Die Diggorys waren in entsetztes Schweigen verfallen.
„Warum?", fragte Sirius.
„Priori Incantatem", murmelte Dumbledore.
„Der Fluchumkehreffekt?", fragte Sirius scharf.
„Genau. Harrys und Voldemorts Zauberstäbe sind Brüder, sie sind im Kern gleich. Jeder enthält eine Feder vom Schweif meines Phönix. Als Harry vor vier Jahren den Laden von Ollivander mit diesem Zauberstab verließ, schrieb Garrick mir sofort", sagte Dumbledore.
Diggorys Eltern sahen nun Harry unsicher an, dann flüsterte Sirius: „Was geschieht, wenn ein Zauberstab auf seinen Bruder trifft?"
„Gegeneinander wirken sie anders als sonst. Wenn ihre Besitzer die Zauberstäbe gegeneinander richten, kommt es zu einer seltsamen Erscheinung. Die Zauberstäbe zeigen einander die ausgeführten Flüche - in umgekehrter Reihenfolge. Das war der Grund, warum Cedric aufgewachte und das ist es auch, was Harry und Cedric heute gesehen hatten."
Dumbledore hatte gewusst, was geschehen würde, wenn er mit dem Dunklen Lord kämpft. Er hatte es gewusst und hatte es ihm dennoch nie gesagt. In vier Jahren, in denen Harry nun in Hogwarts ein und aus ging, hatte es Dumbledore nie für nötig gehalten, ihn zu warnen. Was, wenn die Todesser eingegriffen hätten - Harry wäre erledigt gewesen. Harry ballte seine Faust und zitterte vor Wut.
„Das heißt", fuhr Dumbledore unbeirrt fort, „deine Eltern sind in irgendeiner Form wieder erschienen." Harry wollte nicht, dass Dumbledore darüber sprach. Er wollte nicht, das Dumbledore über seine Mutter sprach.
„Lily und James sind ins Leben zurückgekehrt?", fragte Sirius blass.
„Nichts kann die Toten wieder erwecken", sagte Harry mit eiskalter Stimme. Sirius klammerte seine Hand in diesem Moment so fest um Harrys Schulter, dass es wehtat. Dumbledore nickte.
„Ich werde nun nicht weitersprechen. Den Rest kann Ihnen Diggory erzählen", sagte Harry fast trotzig. Er wollte einfach nur seine Ruhe und hoffte, Dumbledore würde das endlich akzeptieren.
Alle Blicke wandten sich nun zu Diggory.
„Potter und Sie-wissen-schon-wer haben gekämpft. Dann hat sich die Verbindung gelöst. Die Gestalten haben Sie-wissen-schon-wen angegriffen und Potter ist losgerannt. Todesser haben angegriffen. Wir haben sie abgewehrt und dann den Portschlüssel ergriffen. Potter hat mich festgehalten, nachdem mich ein Todesser getroffen hat. Der Portschlüssel hat uns zurück nach Hogwarts gebracht."
Als Diggory das sagte, sah Dumbledore für einen Moment sehr erleichtert aus, während seine Augen ein seltsames Funkeln annahmen.
„Ihr habt unglaublichen Mut bewiesen, meine Jungen. Mehr Tapferkeit, als man jemals von euch erwarten könnte", sagte Dumbledore. „Ihr werdet heute hier bleiben. Ihr werdet schlafen, einen Schlaftrank, Poppy."
Harry wollte die Phiole nicht trinken, er musste doch mit Snape sprechen. Als er den Mund öffnete um etwas zu sagen, hatte ihm Madame Pomfrey den Trank auch schon eingeflößt. Sofort übermannte ihn ein tiefer Schlaf.
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Wege eines Slytherins
FantasyHarry und Draco begegnen sich an Harrys 11. Geburtstag in der Winkelgasse. Draco ist der Erste in Harrys Alter, der nett zu ihm ist. Und so ist es Draco, der Harry in die Welt der Magie einführt, anstatt von Ron Weasley. Wie ändert sich die Geschich...