Kapitel 5: Kein Duell um Mitternacht

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Nach dem Gespräch mit Snape wollte Harry alles unternehmen, um Snape nicht zu verärgern. Er arbeitete fleißig im Unterricht mit und erledigte seine Hausübungen mit großer Sorgfalt. Er gab keine Widerworte, wenn Snape ihn doch einmal scharf anfuhr und versuchte alles, um Snape zu zeigen, dass er kein arroganter Idiot wie Dudley Dursley war, der in seiner Vorstellung die Rolle seines Vater in Professor Snapes Schulzeit einnahm. Er hielt sich sogar an den Rat von Snape, seine Haare zu bändigen. Nach einigen verzweifelten Versuchen wandte er sich schließlich an Daphne. So bekam er von ihr einen Trank, der die Haare bändigte: den Sleekeazy Haartrank, der er schaffte, selbst Harrys widerspenstiges Haar zu so etwas ähnlichem wie einer Frisur zu zähmen. Harry erfuhr, dass der Trank wohl von seinem Großvater erfunden worden und der Grund für den unglaublichen Reichtum seiner Familie war.

Harry sollte jedoch erfahren, dass nicht nur sein Vater und Dudley gerne andere Mitschüler quälten. Draco hatte immer wieder Streit mit einem Schüler namens Ron Weasley, der wohl davon überzeugt war, das Draco ein großer schwarzer Magier sei und es deshalb verdiente angerempelt oder beleidigt zu werden. Jedes Mal, wenn er auf Draco traf und die beiden sich beleidigten, gelangte auch Harry in die Schussbahn. Er hatte das Gefühl, dass Weasley ihm irgendetwas vorzuwerfen schien, doch Harry verstand einfach nicht, was er dem aufbrausenden Gryffindor getan hatte. Deshalb war Harry wirklich froh, dass sie nur Zaubertränke gemeinsam mit den Gryffindors hatten. Zumindest, bis am schwarzen Brett ihres Gemeinschaftsraums eine Notiz auftauchte, die ihnen mitteilte, dass sie ausgerechnet mit den Gryffindors gemeinsam ihre Flugstunden haben würden.

„Das hat mir gerade noch gefehlt", sagte Harry mit düsterer Stimme. „Genau das, was ich immer wollte. Mich vor den Augen Weasleys auf einem Besen lächerlich machen." Dabei hatte er sich aufs Fliegenlernen mehr gefreut, als auf alles andere.
„Red keinen Unsinn Harry. Du wirst dich nicht lächerlich machen. Du hast es im Blut. Und ich gehe jede Wette ein, die dämliche Geschichte mit dem Drachenflieger ist auch nur erfunden!", antwortete Draco, der den Gryffindors einen verächtlichen Blick zuwarf. Ron Weasley erzählte tatsächlich allen, die es hören wollten und auch jenen, die es eigentlich nicht interessierte, dass er einmal so hoch geflogen war, dass er fast mit einem Drachenflieger zusammengestoßen war. Doch nicht nur Weasley erzählte vom Fliegen. Fast alle, die nicht aus einer Muggelfamilie stammten, waren auch schon mal auf einem Besen geflogen. Und Granger, die zwar aus einer Muggelfamilie stammte, hatte zumindest alles, was man über das Fliegen lesen konnte, gelesen.

Beim Frühstück am Donnerstag langweilte sie alle Gryffindors mit dummen Flugtipps die sie wohl in einem Buch aus der Bibliothek gefunden hatte. Öfter als einmal hatte Harry versucht, einen Blick auf das Buch zu werfen, doch Draco meinte nur: „Fliegen ist nichts, das man auswendig lernen kann. Man kann es, oder man kann es nicht."

Gerade als Draco seine wöchentliche Süßigkeitenration auspackte und sie mit Harry teilen wollte, hörten sie, wie sich am Gryffindortisch darüber lustig gemacht wurde, dass Harry nie auch nur einen einzigen Brief erhielt. „Wer würde auch so einem schleimigen Idioten schreiben wollen", grölte Weasley. Die anderen Gryffindors schienen darüber zu lachen.
Harry wurde rot im Gesicht, doch Daphne meinte nur: „Ist doch besser so, oder willst du wirklich Post von diesen ekelhaften Muggeln bekommen?" Harry wusste, dass Daphne recht hatte, nichts desto trotz war es ihm unangenehm. In diesem Moment bekam Longbottom eine kleine kleine Kugel, deren weißer Rauch sich Scharlachrot färbte.
„Ein Erinnermich. Es färbt sich Rot, wenn man etwas vergessen hat", sagte Draco, was Vince und Greg zum Lachen brachte.
„Ich hab da eine Idee, wie wir sie für ihre dummen Sprüche bezahlen lassen können", meinte Draco plötzlich. „Crabbe, Goyle, mitkommen!"
Die drei gingen zum Tisch der Gryffindors und Draco riss Longbottom das Erinnermich aus der Hand. Weasley und Dean Thomas sprangen auf. Doch einmal mehr bewies McGonagall ihr Talent, Ärger schneller zu riechen, als alle anderen Lehrer zusammen und stand auch schon vor ihnen.
„Was geht hier vor?"
„Malfoy hat mein Erinnermich!", petzte Longbottom.
„Von Wegen „Haus der Mutigen und Edlen", äffte Daphne, die das Ganze gemeinsam mit Harry vom Slytherintisch aus beobachtete. Mit zornigem Blick ließ Draco die kleine Kugel sinken und brummte:
„Wollt nur mal sehen" und trottete mit Greg und Vince zurück zum Slytherintisch.
„Das hättest du nicht tun sollen, Draco. Du hättest Ärger bekommen können", meinte Harry.
„Ach was", antwortete dieser bloß. „Die Sache ist noch nicht vorbei!"

Am Nachmittag hatten sie sich bereits vor einer Reihe Besen versammelt, als die Gryffindors endlich auftauchten - gerade noch, bevor auch Madam Hooch, ihre Lehrerin, kam.
„Nun, worauf warten sie noch?", fragte sie. „Jeder stellt sich neben einen Besen. Na los, Beeilung!"
Harry stand zwischen Draco und Daphne. Sein Besen war ein altes Modell, dessen Reisigzweige ihn sehr an seine Frisur von früher erinnerten.
„Streckt eure Zauberstabhand über euren Besen auf und sagt „Hoch"!", erklärte Hooch.

„HOCH!", riefen sie alle.

Sofort sprang der Besen in seine Hand. Er war einer von wenigen, die es geschafft hatten. Draco hielt ebenfalls seinen Besen in der Hand. Grangers und Longbottoms Versuche wirkten eher erbärmlich, doch auch Vince und Gregs Besen sprangen erst beim dritten oder vierten Versuch in ihre Hände.
Madam Hooch zeigte ihnen nun, wie sie die Besenstiele besteigen konnten, ohne hinten ab zu rutschen. Draco wurde von Madam Hooch korrigiert, was besonders Weasley sehr lustig zu finden schien. Harry fand das lächerlich. Schließlich war es ihre erste richtige Flugstunde und sie waren doch hier, um zu lernen! 
„Passt jetzt auf. Wenn ich pfeife, stoßt ihr euch vom Boden ab, schwebt einen Moment und landet dann wieder. Auf meinen Pfiff, drei - zwei"

Natürlich war es ein Gryffindor, der wieder einmal beweisen musste, wie unglaublich mutig er war. Longbottom stieß sich vom Boden ab, bevor Madam Hooch pfeifen konnte. Er schoss wie ein Pfeil nach oben und hatte offensichtlich die Kontrolle über den Besen verloren. „Geschieht ihm Recht", dachte Harry. Was mussten diese Gryffindors auch immer so angeben? 
Dann stürzte Longbottom ab und Madam Hooch beugte sich über ihn. Ihr Gesicht war ebenso bleich wie das Seine. „Er muss in den Krankenflügel. Wenn auch nur eine einzige Person auf den Besen steigt, während ich nicht da bin, fliegt diese Person schneller von der Schule als sie Quidditch sagen kann!"

Kaum waren sie außer Sicht, brach Malfoy in lautes Lachen aus. „Habt ihr das Gesicht von diesem Riesentrampel gesehen?" Alle anderen Slytherins schlossen sich seinem Gelächter an.
„Halt den Mund Malfoy!", sagte Patil mit scharfem Ton.
„Oh. Machst du dich für den Lahmarsch stark. Hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet du fette, kleine Heulsusen magst, Parvati", sagte Pansy, ein Slytherinmädchen mit harten Gesichtszügen.
„Schaut mal", sagte Draco plötzlich und pickte etwas aus dem Gras. „Das blöde Ding, das ihm seine Oma geschickt hat."
Harry bemerkte ein böses Grinsen in Dracos Gesicht. „Mach bitte jetzt nichts blödes Draco", dachte Harry.
Doch bevor er diesen Gedanken abgeschlossen hatte, sagte Draco: „Ich glaube ich stecke es wohin, wo es sich der Lahmarsch dann holen kann. Wie wärs mit oben auf einem Baum?"
„Gib es her!", schrie Weasley nun. Doch Draco war auf seinen Besen gehüpft und hatte sich in die Lüfte erhoben. Von den obersten Ästen einer Eiche rief er: „Komm und hol's dir doch, Weasley!"
Weasley griff nach seinem Besen.
„Nein! Du bringst uns noch alle in Schwierigkeiten", sagte Granger.
„Halt doch einmal die Klappe!", knurrte Ron und stieß sich vom Boden ab. Gelogen hatte er nicht, fliegen konnte er.
„Gib es her Malfoy. Hier oben bist du ganz allein. Kein Crabbe, kein Goyle, kein Potter. Nur du und ich. Und ich bin größer als du!", sagte Ron. Derselbe Gedanke schien auch Draco gekommen zu sein.
„Dann fang es doch, wenn du kannst!", rief er und warf es hoch in die Luft.
„Draco bekommt riesigen Ärger, wenn das Ding kaputt geht!", stellte Daphne plötzlich fest. Harry beschloss, dass sie recht hatte und ohne darüber nachzudenken sprang er auf seinen Besen, beobachtete, wie die Kugel immer weiter hoch in die Luft sauste, dann stehenblieb und unabwendbar in Richtung Erde sauste. Harry drückte den Besen nach vor und während er sich im Steilflug auf die Glaskugel zubewegte, stellte er fest, dass er etwas konnte, das ihm niemand beibringen musste: Fliegen war leicht. Fliegen war toll. Doch er hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. Die Kugel war an Draco und Weasley vorbei und nun war er der Einzige, der Draco vor einer riesigen Strafarbeit bewahren konnte. Etwa einen Meter über dem Boden fing er die kleine Kugel. Mit dem Erinnermich sicher in seiner Faust landete er sanft auf dem Gras.

„Harry James Potter! Noch nie in meiner gesamten Laufbahn... Sie hätten sich den Hals brechen können!", rief McGonagall, die plötzlich aufgetaucht war. Sie war fast sprachlos vor entsetzen und ihre Augen funkelten vor Zorn.
„Potter hat fangen mit dem Erinnermich von Neville gespielt!", rief nun Weasley, der wie Draco, bereits bevor McGonagall aufgetaucht war, beide Füße wieder am Boden gehabt hatte.
„Es war nicht seine Schuld!"
„Halten sie den Mund, Mr. Malfoy!", knurrte McGonagall.
„Aber Malfoy..."
„Genug Miss Granger. Potter, Sie folgen mir."
„Warten Sie hier!", befahl sie, als sie vor Professor Snapes Büro angekommen waren. Er hörte, dass sich die Beiden über ihn unterhielten. Die Worte „große Dummheit", „unerlaubtes Fliegen" und zu seiner Überraschung „großes Talent" waren durch die Tür zu hören. Harry war sicher, dass er von der Schule fliegen würde. Dann kam McGonagall heraus und schickte ihn hinein. Snape schien noch fieser auszusehen, als er es sonst tat.
„Ich hörte von Professor McGonagall was sie heute getan haben", seine Stimme klang seltsam hol. „Vor nicht einmal einem Monat sind sie bei mir im Büro gestanden und haben mir erklärt sie sind nicht wie ihr Vater. Heute haben sie sich jedoch genau wie er verhalten. Dumm, unüberlegt, arrogant und als würden die Regeln der Schule nicht für sie gelten. Ich werde ein solches Verhalten in meinem Haus nicht ungestraft dulden. Sie werden Nachsitzen. Bis zum Fest an Halloween, jeden Tag, außer an den Tagen, an denen sie Quidditchtraining haben. Sie werden die Verhaltensregeln der Schule abschreiben, bis sie sich diese eingeprägt haben. Slytherin braucht immer noch einen Sucher. Und nach allem, was ich von Professor McGonagall gehört habe, sind sie ein hervorragender Flieger. Sollte der Quidditchpokal am Ende des Jahres nicht mehr auf meinem Regal stehen, überlege ich mir das mit ihrem Schulverweis noch einmal. Und nun verschwinden sie. Wehe, ich sehe sie in diesem Jahr noch einmal in meinem Büro, außer für die Stunden zum Nachsitzen." Harry schluckte. Der Blick des Professors schien ihn zu durchbohren und er wagte es nicht, etwas zu sagen. Er wollte sein Glück nicht weiter herausfordern. So schnell er konnte verschwand er aus dem Büro und lief zu den anderen zurück.

„Das werden wir Weasley heimzahlen. Nachsitzen bis Halloween, diese elende Petze!", fluchte Draco beim Abendessen. Harry verzichtete, ihn darauf hinzuweisen, dass es ohne seine dümmliche Aktion gar nicht passiert wäre. Was Harry betraf, war es Weasleys Schuld, dass er die Strafe bekommen hatte. „Aber es ist unglaublich, dass sie dich in der Mannschaft spielen lassen. Erstklässler kommen sonst nie in die Hausmannschaft. Du bist sicher der jüngste Sucher in diesem Jahrhundert!", meinte Draco. Vince und Greg stimmten ihm zu.
„Flint meint, wir starten nächste Woche mit dem Training. Aber er will, das niemand aus den anderen Häusern etwas erfährt. Ich bin seine Geheimwaffe!", sagte er stolz.
Draco nickte.
„Was machen wir jetzt eigentlich wegen Weasley?", fragte Harry, der Lust hatte, es der Petze heimzuzahlen.
„Ich hab da eine Idee. Komm mit!", meinte Draco plötzlich.
„Na Weasley, bist du stolz auf dich, elende Petze. Blöd nur, dass dein Einfluss so gering ist, das niemand auf dich hört. Kein Wunder bei deinen Eltern", meinte Draco.
„Hier unten bist du wieder mutig, mit deinen kleinen Kumpels im Schlepptau", antwortete Weasley gelassen.
„Mit dir nehme ich es jederzeit auf. Heute Nacht, wenn du dich traust. Nur Zauberstäbe, kein Körperkontakt. Wer ist dein Sekundant?"
Weasley blickte sich um „Dean, wer ist deiner?"
„Harry natürlich!", antwortete Draco. „Mitternacht, Pokalzimmer, das ist immer offen!" Damit zog Draco von dannen und Harry hinterher.

„Was ist ein Zaubererduell? Und was soll das heißen, ich bin dein Sekundant?", fragte Harry.
„Ein richtiges, magisches Duell geht auf Leben und Tod, der Sekundant ist dazu da, sich um die Angelegenheiten des Duellanten zu kümmern", erklärte Draco selbstsicher.
„Draco, bist jetzt vollkommen durchgedreht? Du willst Weasley töten?", fragte er entsetzt.
Draco konnte darüber nur lachen. „Mach dich nicht lächerlich. Ich könnte ihm vermutlich nichtmal eine blutige Nase anhexen. Aber du weißt doch, wann Ausgangssperre ist. Ich denke, wir sollten Argus Filch warnen, dass heute Nacht jemand Stinkbomben ins Pokalzimmer werfen will."
Nun verstand auch Harry Dracos Plan.
Und er gefiel ihm.

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