Kapitel 68: Eine unerwartete Aufgabe

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Am nächsten Tag beschloss Harry zu Daphne zu gehen und sich bei ihr zu entschuldigen. Zu seinem Glück war Daphne nicht besonders nachtragend, auch wenn sie ihn für sein Verhalten die letzten Tage aufzog und ihn als "verliebten Trottel" bezeichnete.

Draco und Harry hingegen begannen, sich an Harrys Plan zu halten. Sie beschimpften weder Granger noch andere Muggelgeborene. Sie hörten auf damit, Leute auf dem Gang zu verhexen. Sogar die Gryffindors ignorierten sie. Daphne warnte Harry, dass das niemals gut gehen würde, solange er es nicht wirklich ernst meinte. Er ignorierte ihren Ratschlag. Er wollte Ginny zurück haben. Schließlich ließ er sogar seine Bücher über schwarze Magie in seiner Tasche ganz unten verschwinden.
„Du meinst es wirklich ernst, nicht wahr?", fragte Draco, als er Harry dabei beobachtete, wie er die Bücher ganz unten im hintersten Fach verstaute und mit einem Zauber belegte, sodass niemand außer ihm es öffnen konnte.
„Hat dich irgendetwas daran zweifeln lassen?", fragte Harry trocken, während er nach dem Zwei-Wege-Spiegel suchte.

Am Abend ging Harry mit Kundalini in den Gemeinschaftsraum und wartete darauf, dass sich der Raum leerte. Er wollte mit Sirius über Ginny sprechen und Kundalini leistete ihm Gesellschaft, bis schließlich die Lichter ausgingen.
„Sirius! Sirius kannst du mich hören?", fragte Harry.
Der Spiegel blitze kurz auf und ein verschlafen aussehender Sirius blickte ihm entgegen.
„Harry! Was rufst du mich mitten in der Nacht? Ist etwas passiert?", fragte Sirius besorgt.
„Ich... nein... also doch. Aber es hat nichts mit dem Dunklen Lord zu tun", begann Harry.
Sirius sah ihn verwirrt an, dann wurde sein Blick jedoch weich. „Was ist los, Kleiner?"
„Ich habe etwas ziemlich dummes gemacht. Und jetzt..."
Sirius lachte fast erleichtert auf. „... und jetzt ist Ginny sauer auf dich, nicht wahr?"
Harry nickte.
„Ich weiß, dass du es nicht gern hören wirst, aber du bist deinem Vater wirklich ähnlich! Deine Mutter hätte deinen Vater bis zu ihrem Abschlussjahr am liebsten ins nächste Jahrhundert gehext", sagte Sirius und lachte nochmal.
„Ich finde das nicht lustig Sirius! Ginny spricht nicht mehr mit mir! Sie findet, dass ich verabscheuungswürdig bin!", sagte Harry verzweifelt.
Sirius' Grinsen verschwand nicht ganz aus seinem Gesicht, doch er warf Harry einen mitleidigen Blick zu.
„Weißt du, Harry, wenn Ginny dich wirklich mag, wird sie sich wieder beruhigen, egal was du getan hast."
„Wie kannst du dir da so sicher sein?", fragte Harry.
„Weil ich so etwas schon oft gesehen habe. Streit gehört zum Leben dazu. Aber wenn wir den Streit überwinden, ist die Verbindung danach sogar noch enger", versprach Sirius.
„Aber was soll ich denn machen?", sagte Harry.
„Achte darauf, was ihr wichtig ist. Mach ihr eine Freude und am aller wichtigsten: Entschuldige dich. Hör dir an, was sie stört, überleg, ob dein Verhalten wirklich so klug war und erklär ihr deine Sicht der Dinge", sagte Sirius.
„Und das klappt?", fragte Harry misstrauisch.
„Das kann ich dir nicht versprechen, aber du solltest es zumindest versuchen", sagte Sirius.
„Danke", murmelte Harry.
Gerade, als Harry sich von Sirius verabschieden wollte, kam jemand die Stufen von den Jungenschlafsälen herauf geschlichen, sodass Kundalini ein warnendes Zischen von sich gab.

„Wer ist da?", fragte eine hohe Jungen Stimme. Harry drehte sich zu den Stiegen um und ein kleiner Junge mit geröteten Augen stand vor ihm. Es war Malcolm Baddock. Sofort als der blonde Junge Harry erblickte, versteifte sich seine Miene.
„Was machst du hier unten?", fragte Malcolm. Seine Stimme klang bitter und es war offensichtlich, dass Malcolm nicht wollte, dass ihn jemand in diesem Zustand sah. Seine Haare, die beim letzten Mal, als er den Jungen gesehen hatte, akkurat gestriegelt gewesen waren, standen nun wild in alle Richtungen, als wäre er in einen Kampf geraten, seine Kleidung war unordentlich und er hatte offensichtlich geweint.
„Das Gleiche könnte ich dich auch fragen", antwortete Harry trocken.
Der Junge antwortete nicht. Harry bemerkte, dass das Slytherin-Abzeichen von seiner Brust gerissen worden war.
„Was ist den mit deiner Schuluniform passiert?", fragte Harry.
„Das geht dich nichts an!", fauchte Malcolm.
Harry hob eine Augenbraue und schüttelte den Kopf. Dann seufzte Harry.
„Weißt du, ich hatte es am Anfang hier auch nicht leicht", sagte Harry schließlich.
„Na klar. DU bist der Junge-der-lebt. Alle bewundern dich und das, obwohl du ein Halbblut bist!", sagte Malcolm trotzig.
Harry lachte. „Wenn du wüsstest. In meinem ersten Jahr hat das ganze Haus fast einen Monat lang nicht mit mir gesprochen, weil ich mich mit Draco gestritten habe. Auch wenn ich der Junge-der-lebt bin, in den Augen der Reinblüter bin ich ein dreckiges Halbblut."
Malcom machte große Augen, schlang jedoch die Hände schützend um seinen Körper und trat einen Schritt von Harry zurück, als überlegte er, einfach wegzulaufen. Es war offensichtlich, dass Malcolm Harry nicht traute. Natürlich nicht - ein Slytherin verschenkte sein Vertrauen nicht leichtfertig. Harry lächelte innerlich, nach außen wurde er jedoch wieder ernst.
„Na komm schon, sag mir was passiert ist. In Slytherin halten wir schließlich zusammen", sagte Harry. Er erkannte das offensichtliche Misstrauen im Gesicht des Jungen, doch er lächelte ihn einfach an. Er wusste, nicht genau, warum ihn der Junge so interessierte - er hatte wohl Mitleid mit ihm, da er ebenfalls unter Muggeln aufwachsen hatte müssen, außerdem hatte er potential und Harry hatte das Gefühl, dass es ihm noch nutzen würde, auf der Seite des Jungen zu stehen, auch wenn er dieses Gefühl nicht genauer erklären konnte.
Schließlich seufzte der Junge und sagte leise, als hätte er Angst, dass ihn jemand hören würde: „Graham Pritchard hat Laura Madley aus Hufflepuff als Schlammblut beschimpft und darum habe ich ihm ein blaues Auge geschlagen."
Harry hob amüsiert die Augenbraue. Selbst er, der keine Ahnung von den Traditionen der Zaubererwelt hatte, hatte keinen solchen dummen Anfängerfehler gemacht.
„Und warum sollte ein Slytherin so etwas Dummes tun? Du kennst die Regeln. Slytherins zeigen nach außen hin keine Differenzen."
„Meine Mutter war auch eine...", murmelte Malcolm nun so leise, dass man ihn kaum noch verstehen konnte. Nun hatte Harry wirklich Mitleid mit dem Jungen. Nicht nur, dass er ein Halbblut war, dass unter Muggeln aufgewachsen war. Seine einzige magische Verwandte war eine Muggelgeborene. Er konnte sich gut vorstellen, wie die Erstklässler Malcolm behandelten. Dennoch setzte er eine strenge Miene auf. Er wollte dem Jungen helfen - Mitleid war hier fehl am Platz.
„Du musst über solchen Dingen stehen. Deine Mutter war ein Schlammblut - leb damit!", sagte Harry kalt. Er sah richtig, wie der Zorn in den Augen den Erstklässlers aufstieg.
„NENN MEINE MUTTER NICHT SO!", verlangte Malcolm, sein Gesicht wurde rot vor Wut. „Ich verstehe nicht, wie du so reden kannst! Deine Mutter war doch auch so!"
„Es ist die Wahrheit. Wenn du es als Angriffsfläche siehst, offenbarst du den anderen eine Schwäche", erklärte Harry ruhig und erinnerte sich daran, wie Granger, Weasley und Longbottom ihn im letzten Jahr genau mit diesen Vorwürfen getroffen hatten. Sein Sommer mit Sirius hatte seine Ansicht auf die Dinge geändert. Nicht, dass er Muggelgeborenen nun weniger Abscheu entgegen brachte - aber er ließ sich nicht länger davon verletzten, dass seine Mutter kein Reinblut war. Malcolms Augen hingegen wurden groß. Er sagte jedoch nichts, sondern wartete darauf, dass Harry weiter sprach.
„Als Halbblüter müssen wir uns den Platz in Slytherin hart erkämpfen, da darf man keine Schwächen zeigen."
„Was heißt das, wir müssen uns unseren Platz erkämpfen?", fragte Malcolm. Seine Augen blitzten wissbegierig. Harry lächelte, er wusste, dass ihm der Junge nun ersthaft zuhören würde.
„Zuerst musst du mal das fehlende Wissen aufholen. Die reinblütigen Schüler sind in dieser Gesellschaft aufgewachsen, genauso wie die meisten Halbblüter. Schüler wie du und ich sind in Slytherin eine absolute Ausnahme. Es ist eine weitere Schwäche, die von anderen erbarmungslos ausgenutzt wird. Du musst lernen, die Regeln zu befolgen. Es gibt eine interne Haushierarchie. Im Moment stehe ich mit den älteren Schülern an der Spitze des Hauses, aber das kann sich schnell ändern. Du musst den anderen Slytherins etwas geben, mit dem du dich unentbehrlich für sie machst", erklärte Harry.
„Was war es bei dir?", fragte Malcolm.
„Zuerst wurde ich der Erbe Slytherins und dann Trimagischer Champion", sagte Harry selbstgefällig und Malcolm verdrehte die Augen.
„Um als Halbblut an die Spitze zu kommen, muss man also der Junge-der-lebt sein, der Erbe Slytherins und Trimagischer Champion?", fragte Malcolm frustriert.
Erneut lachte Harry. „Du könntest mal damit anfangen, deine eigenen Stärken zu nutzen. Worin bist du gut?"
Malcolm überlegte. Er sah aus, als würde er am liebsten schreien „Ich habe keine Talente!", doch schließlich murmelte er: „Professor Moody meinte, ich sei ein Naturtalent was Flüche betrifft."
Harry konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen. Wenn Moody einen Slytherin lobte, bedeutete dass, das diese Person wirklich gut sein musste. Sein Gefühl mit dem Jungen hatte ihn also nicht getäuscht.
„Gut... gut, das können wir nutzen. Was hältst du davon, wenn ich dich dabei unterstütze, bei deinen Klassenkollegen Eindruck zu schinden?", fragte Harry, in dessen Kopf langsam ein Plan entstand.
„Was hast du davon?", fragte Malcolm.
„Wenn du einmal groß rausgekommen bist, erinnere dich daran, dass du mir etwas schuldest", sagte Harry grinsend in bester Slytherinsmanier.
„Na schön", sagte Malcolm. Malcolm und Harry schüttelten die Hände und Harry war sicher, dass dies der Anfang einer sehr nützlichen Beziehung war.
„Was wollen wir machen?", fragte Malcolm aufgeregt.
„Was hältst du davon, dass du deinen Klassenkollegen anbietest, eine Lerngruppe für Verteidigung gegen die Dunklen Künste mit Harry Potter zu gründen?", fragte Harry mit einem berechnenden Lächeln. Malcolms Augen wurden groß und dann setzte er einen ähnlichen Gesichtsausdruck wie Harry auf.

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt