Wege eines Slytherins

Kapitel 11: Ungeschriebene Regeln

Harry kam sich verraten vor. 

Von Draco. 

Von Daphne. 

Und nun auch von Hagrid. 

„Was wollt ihr?", fragte Harry wütend.
„Harry, hör zu", begann Daphne. „Du bist unter Muggeln aufgewachsen. Du weißt nicht, was es bedeutet in Slytherin zu sein!"
„Sicher nicht, seine Freunde zu verraten und sich hinter ihrem Rücken über sie zu lachen!", knurrte Harry.
„Draco hat Hagrid nicht verraten!", stellte Daphne klar.
„Komisch, genau so sah es aber aus!", antwortete er bestimmt.
„Willst du nicht auch mal was sagen?", fragte Daphne nun Draco. Er sah gequält aus, als Daphne ihn so ansah.
„Ich wollte nur das Beste, ehrlich!", meinte Draco.
„Ach ja, dann...", begann Harry.
„Lass ihn ausreden!", sagte Daphne scharf. Draco atmete tief ein.
„Harry, du weißt selbst, dass der Drache gefährlich war. Du hattest Angst um Hagrid, du hast es mir erzählt. Wenn ich ihm wirklich hätte schaden wollen, wäre ich zu meinem Vater gegangen. Oder zu Professor Snape. Aber ich hab mich für Professor Dumbledore entschieden. Weil ich wusste, dass er eine Schwäche für den Halb... für Hagrid hat. Das hat mir Vater mal erzählt. Ich wollte wirklich nur das Beste", meinte er.
„Sogar Hagrid hat es eingesehen", sagte Daphne, mit ein wenig Nachdruck.
„Gut, dann ist das mit Hagrid also kein Verrat gewesen", sagte Harry trotzig. „Aber die Sache in der Bibliothek!"
Daphne seufzte und setzte zu einer Erklärung an. „Draco ist ein Malfoy. Von ihm wird ein gewisses Verhalten erwartet. Von uns allen wird es erwartet. Hast du nicht bemerkt, dass es ungeschriebene Regeln in Slytherin gibt, an die sich alle halten?", fragte sie. 

Harry rollte mit den Augen. Natürlich kannte er diese Regeln, die Vertrauensschüler waren diesbezüglich am Schulanfang sehr direkt gewesen. „Wir unterstützen uns gegenseitig. Streitigkeiten werden nicht außerhalb des Hauses ausgetragen. Wenn jemand aus dem Haus in Schwierigkeiten steckt, wird er nicht allein gelassen", sagte Harry monoton. 

Daphne nickte. „Das sind die offensichtlichen. Doch das sind nicht alles. In Slytherin geht es um Macht , darum, Großes zu erreichen. Die Familie Malfoy ist eine der mächtigsten der ganzen Zauberergemeinschaft. Draco ist der Erbe des Malfoyvermögens. Ich bin eine Greengrass, ebenfalls eine der großen Zauberfamilien. Von uns wird erwartet, dass wir uns dementsprechend verhalten. Wir sind stolz auf unsere Herkunft. Wir widersprechen unseren Eltern nicht und halten zusammen. Wir reden nicht mit Schlammblütern, wir sind stolz darauf, richtige Zauberer und Hexen zu sein. Wenn jemand bei Muggeln aufgewachsen ist, hat er es in Slytherin nie leicht, aber sei dir sicher, Draco war dir immer ein Freund. Verstehst du nicht, dass er sogar versucht hat, dich zu beschützen? Er hat doch nicht damit angefangen, sich über dich lustig zu machen und hat mit seiner Aussage sogar verhindert, dass die anderen es tun", erklärte Daphne in einem unglaublichen Redeschwall. 

Harry verschränkte die Arme vor seiner Brust. Er war verletzt und nicht sicher, was er davon halten sollte. Die letzte Zeit in Slytherin war einfach nicht einfach gewesen und er hatte die meiste Zeit damit verbracht, sich in der Bibliothek zu verkriechen. Harry wünschte sich, nicht länger alleine zu sein. Er wünschte sich, dass er Draco würde vertrauen können. 

„Warum bist du mein Freund, Draco?", fragte Harry ganz direkt. Draco blickte ihm fest in die Augen, dann brach er den Blickkontakt ab, als würde er sich schämen.
„Weil mein Vater es so wollte", antwortete er ehrlich. Harry schluckte. Damit hatte er gerechnet, doch es zu hören, war doch etwas anderes. „Zumindest war es am Anfang so. Aber dann fand ich dich nett. Ich fing an dich zu mögen. Du bist manchmal sehr untypisch für einen Slytherin. Aufbrausend, unüberlegt. Aber du hast dich für mich eingesetzt. Schon beim ersten Mal, als du meinen Vater getroffen hast. Und dann wieder, damals, bei der Flugstunde. Ich sehe dich als meinen Freund", gab Draco zu und setzte dann ganz leise hinterher: „...vielleicht sogar als meinen einzig wahren Freund."