Kapitel 39: Übung macht den Meister

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Die nächsten Tage hatte Harry kaum Zeit, weiter über die Worte von Lupin oder generell dunkle Magie nachzudenken. Er wollte immer noch Black jagen, doch seine Gedanken wurden von etwas anderem beschlagnahmt. Das Spiel gegen Ravenclaw stand bevor - bereits in der Woche nach den Ferien sollte es von statten gehen. 

Er hatte wegen des bevorstehenden Spiels nur noch wenige Tage Zeit, sein Training mit der Mannschaft fortzusetzen und gleichzeitig mit Lupin zu üben. Flint hatte mittlerweile sechs Trainings pro Woche angesetzt. Der Feuerblitz trieb das Team zu Höchstleistungen an. Keiner wollte noch einmal verlieren. Derrick und Bole schlugen so hart gegen die Klatscher, dass sie Draco einmal während des Trainings heftig vom Besen stießen. Er musste daraufhin sogar in den Krankenflügel. Flint schrie Befehle über das Gelände, als würden sie sich im Krieg befinden. Nach dem nachmittäglichen Training ging Harry zu Lupin. Der Professor hatte sich tatsächlich einverstanden erklärt, Harry täglich Stunden zu geben, da das Slytherin-Spiel das erste im neuen Jahr sein würde. 

So befand sich Harry am darauffolgenden Mittwoch bereits zum siebten Mal im Klassenzimmer für Geschichte.
„Bereit?", fragte Lupin. Harry überlegte. Eine wirklich glückliche Erinnerung. Er dachte an den Moment, an dem Hagrid ihn von den Dursleys geholt hatte. Er hatte sich wohl nie wieder so glücklich gefühlt. Er umklammerte erneut seinen Zauberstab.
„Bereit!", antwortete Harry entschlossen und versuchte sich auf den Tag zu konzentrieren, als Hagrid ihn in die Winkelgasse gebracht hatte. Versuchte das Wesen zu vergessen, das gleich aus dieser Kiste steigen würde.
„LOS!", sagte Lupin und öffnete die Kiste. Die Kälte kroch aus der Kiste. Wieder verschwand alles Licht - der Dementor glitt aus der Kiste und steckte seine Hand nach Harry.
„Expecto Patronum!", rief Harry. „Expecto Patronum!"

Weißer Nebel erstickte ihm die Sinne. Plötzlich fühlte er sich unglaublich klein und hilflos. Riesige Gestalten, die er nicht erkennen konnte, bewegten sich um sich. Dann hörte er eine neue Stimme. Es war nicht die Stimme seiner Mutter. Es war die Stimme eines Mannes. Er hörte sich sehr jung an.
„Lily, nimm Harry und lauf! Er ist es! Schnell fort, ich halte ihn auf!"
Jemand stolperte hastig aus dem Zimmer und riss ihn in eine sanfte Umarmung - krachend zerbarst eine Tür. Wieder das schrille Lachen.


„Harry!", Lupin verpasste ihm eine saftige Ohrfeige. „Harry wach auf!"
Harry zitterte am ganzen Körper. Er wusste erst nicht, wo er war. Verwirrt blickte er auf seine Arme und schlang sie um seinen Körper. Noch immer spürte er die Berührung seiner Mutter. Er rief sich die Stimme des Mannes zurück in die Gedanken. Sein Vater... er hatte sich für ihn und seine Mutter geopfert. Bisher hatte er immer gedacht sein Vater wäre ein Idiot gewesen, der nur andere gequält hatte. Tränen stiegen in seine Augenwinkel.
„Dieser Dummkopf!", presste Harry hervor. Lupin blickte ihn verwirrt an, sodass Harry seinen Blick abwandte. „Ich habe meinen Vater gehört. Er hat sich alleine gegen Voldemort gestellt. Er hatte nie eine Chance!"
„Du hast James gehört?", fragte Lupin. Seine Stimme klang fremd, traurig, aber auch voller Mitleid. Harry wischte sich die Tränen zur Seite und stand auf. Er hätte einfach mit seiner Mutter fliehen können - warum waren sie nicht einfach fort disappariert? Sie hatten doch Freunde zu denen sie hätten fliehen können. Lupin stand doch hier vor ihm... Nein! Er wollte nicht an seine sterbenden Eltern denken. Er wollte nicht daran denken, dass sein Vater noch leben könnte, wenn er sich nicht wie ein dummer Gryffindor verhalten hätte. Warum waren sie nicht mit ihm disappariert?!

Harry schüttelte sich und sagte, so kalt es ihm möglich war: „Machen wir weiter."
„Nein, Harry. Wir sollten für heute aufhören. Du solltest das alles nicht auf dich nehmen. Der Zauber ist zu schwer... ich hätte das nie zulassen sollen."
„Professor! Ich kann es schaffen, bitte - ich habe es nur noch nicht geschafft, an meine glücklichste Erinnerung zu denken."
Lupin zögerte, seufzte und deutete ihm, seinen Zauberstab zu nehmen. Harry überlegte so stark er konnte. Er dachte an die Wochen mit Daphnes Familie. Er hatte sich damals wirklich glücklich gefühlt. Als hätte er eine echte Familie. Sie hatten ihn so warm und herzlich aufgenommen, dass er gedacht hatte, er würde sich nie wieder so wohl fühlen. Er straffte seine Schultern.
„Los jetzt!", sagte Harry.
Widerwillig öffnete Lupin die Kiste. Harry wusste nicht mehr, zum wie vielen Mal er schon den Zauberstab hob. Sie hatten die letzten Tage unglaublich oft in diesem Klassenzimmer gestanden. So oft, das Harry nicht mehr wusste, wie oft er die Todesschreie seiner Mutter gehört hatte. Es hätte alles so anders sein können. Er dachte an Mrs. Greengrass, die ihm aufmunternd auf die Schulter klopfte, als er seinen Aufsatz für Kräuterkunde erledigt hatte. An Astoria, die ihn neckte, als wäre er ihr großer Bruder. An Daphne... wie sie ihn anlächelte, wenn er am morgen die Treppen hinunter gestiegen war.
Der Dementor kam auf ihn zu.
„Expecto Patronum!" 

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt