Kapitel 10: Der Verräter

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Harry wollte den Gedanken an den Stein nicht vollkommen loslassen und beauftragte Kundalini damit, den dritten Stock zu überwachen und ihm bescheid zu geben, wenn irgendjemand versuchen sollte, an dem Dreiköpfigen Hund vorbei zu kommen.

Daphne schien ebenfalls unsicher zu sein. Doch sie konnten nichts tun. Sie hatten außerdem bald andere Sorgen, als den Stein der Weisen. Die Prüfungen kamen und sie mussten ihren Stoff wiederholen. Besonders Draco wirkte gestresst. Harry und Daphne waren sicher, dass er von seinen Eltern unter Druck gesetzt wurde, bessere Noten als Granger zu schreiben.

Dazu kamen all die Hausaufgaben, die ihnen die Lehrer aufhalsten, was dazu führte, dass sie in den Osterferien nicht halb so viel Spaß hatten, wie in den Weihnachtsferien. Manchmal hatte Harry das Gefühl, er würde weit hinter Draco her hinken und begann jeden Tag mit ihm in die Bibliothek zu gehen. Selbst Greg und Vince, die die meiste Zeit nicht wirkten, als würde sie die Schule interessieren, begannen schließlich, regelmäßig die Bibliothek aufzusuchen.

„Wie soll man das nur alles lernen?", stöhnte Greg eines Tages, als alle Erstklässler aus Slytherin in der Bibliothek saßen. Harry hatte gar nicht bemerkt, dass alle bereits zum nächsten Aufsatz übergegangen waren. Draußen schien die Sonne und Harry starrte Gedankenverloren aus dem Fenster. Es war warm und Harry wünschte sich nur, seinen Besen zu nehmen und ein bisschen Quidditch zu trainieren. Doch die anderen im Team waren ebenfalls mit bei den Prüfungsvorbereitungen, also blieb auch Harry nichts anderes über, als sich mit Unterrichtswiederholung zu beschäftigen. Er legte seinen Federkiel zur Seite und starrte die wattigen Wolken an, die am blauen Himmel vor dem Fenster vorbeizogen.

Plötzlich hörte er Daphne sagen: „Hallo Hagrid, schön dich zu sehen!" Harry blickte auf. Er sah die angeekelten Gesichter von Pansy, Greg und Vince, als er auf sie zu kam. Hagrid wirkte fehl am Platz, als er da so entlang lief, mit seinem warmen Maulwurffellmantel. Hagrid sah die anderen Slytherins an.
Er wirkte nervös.
„Und was macht ihr hier? Doch nicht immer noch Flamel?" fragte er.
„Wir wissen doch schon lange, was es mit Flamel auf sich hat. Wir sind schließlich nicht dumm, es geht...", meinte Draco wichtigtuerisch.
„Shhht! Schrei hier nicht so rum!", knurrte Hagrid. Pansy, Greg und Vince warfen Draco jedoch fragende Blicke zu.
Nun wollte Harry die Gunst der Stunde nutzen.
„Hagrid, ich würde dich gerne etwas fragen", begann er.
„Nicht hier!", knurrte Hagrid und warf Greg, Vince und Pansy einen strengen Blick zu, den Harry noch nie bei Hagrid gesehen hatte.
„Ihr drei solltet wirklich mal wieder in meine Hütte kommen. Den weg dorthin habt ihr ja wohl nicht vergessen?", lud er Harry, Draco und Daphne ein.

„Habt ihr gesehen, was der Trottel hinter seinem Rücken versteckt hat?", fragte Pansy gehässig, als er gegangen war.
„Er ist kein Trottel. Er ist brillant, was magische Tierwesen betrifft!", stellte Daphne fest. Harry ignorierte den Streit und lief zum Bücherregal. „Drachenarten Großbritanniens und Irland - Vom Ei bis zum Inferno", las Harry, als er die Bücher sah. „Daphne muss das wissen. Das kann nur schief gehen!" Daphne hatte Hagrid bei ihrem letzten Besuch Vorwürfe gemacht, dass man keine Drachen halten durfte, weil diese das Geheimhaltungsabkommen gefährden würden, als Hagrid ihnen erzählt hatte, dass er einen Drachen wollte. Harry zerrte Draco und Daphne aus der Bibliothek und lief mit ihnen zu Hagrid.

Das Erste, das sie bemerkten, als Hagrid ihnen den Tee reichte, war die Hitze, die in der Hütte stand.
„Wäre es möglich ein bisschen frische Luft herein zu lassen?", fragte Draco genervt und wischte sich Schweißperlen von der Stirn.
„Das geht leider nicht!", antwortete Hagrid. Harry bemerkte, dass er dabei in das Feuer blickte.
Unter dem Kessel, im Herzen des Feuers, lag ein ein riesiges, schwarzes Ei.
„DAS KANN NICHT DEIN ERNST SEIN!", rief Daphne.
„Wo hast du das her?", frage Harry. Allen war klar, dass es sich dabei um ein Drachenei handelte. „Habs gewonnen", sagte Hagrid stolz. „Letzte Nacht im Dorf unten. Hab mit nem Fremden Karten gespielt. Der schien ganz froh zu sein, es los geworden zu sein!", erzählte er.
„Das wundert ich nicht", knurrte Draco. „Und was wollen Sie mit dem DING anfangen, wenn es geschlüpft ist?" Hagrid schien sofort aufgebracht.
„Das DING, Malfoy, ist ein Norwegischer Stachelbuckel. Sie sind extrem selten. Ich habe mich übrigens bereits informiert, wie ich ihn füttern kann!", sagte er und klopfte auf das Buch, das er aus der Bibliothek geholt hatte. Die Stimmung zwischen Draco und Hagrid war angespannt. Harry wusste, dass sich die Beiden nicht besonders mochten.
„Hagrid, dein ganzes Haus und all deine Möbel sind aus Holz!", meinte Daphne nachdrücklich. Hagrids Gesicht wurde steif.
„Ihr solltet jetzt wohl besser gehen", meinte er. Harry und Daphne seufzten, als Draco aufsprang.
„Ich... würde es gerne sehen. Gibst du Bescheid, wenn es geschlüpft ist?", fragte Daphne noch, als sie die Hütte verließen. Hagrid grunzte nur, während er in dem Feuer herumstocherte.

Nun hatte Harry also noch etwas, um das er sich Sorgen machen musste. Er mochte Hagrid, er wollte nicht, dass er in Schwierigkeiten kam oder gar verletzt wurde.
„Wir sollten es melden!", sagte Draco die ganze Zeit. Doch Daphne und er fürchteten, was mit Hagrid passieren würde, wenn sie in melden würden. Schließlich war das züchten von Drachen illegal.
Als schließlich die Nachricht: „Es schlüpft" kam, weigerte sich Draco, mit ihnen zur Hütte zu gehen. Daphne und Harry besuchten Hagrid nun regelmäßig, während der Drache immer größer wurde. Die Beiden machten sich immer mehr Sorgen um ihren Freund. Immer wieder gab es kleine Feuer in der Holzhütte und Harry hatte die schreckliche Vorstellung irgendwann aufzuwachen und dort, wo früher Hagrid schlief, nur noch ein Häufchen Asche zu finden.
„Wir können doch nicht weiter dabei zusehen, wie Hagrid in sein eigenes verderben läuft", stellte Daphne eines Tages fest. Harry nickte.
„Heute reden wir mit ihm, dass der Drache weg muss. Es gibt hier in der Nähe ein Nest von Walisischen Grünschnäuzlern. Dort soll er ihn hinbringen", sagte sie bestimmt.
„Na gut, aber keine Rückzieher diesmal!", meinte Harry. Beide nickten sich zu.
„Wo ist eigentlich Draco?", fragte Daphne.
„Hab ihn heute noch nicht gesehen", murmelte Harry. Es war ihm auch egal. Das Gespräch das er immer noch im Kopf hatte, konnte er einfach nicht vergessen und auch sein Verhalten gegenüber Hagrid konnte er ihm nicht so leicht verzeihen. Die Beiden liefen also den Weg hinunter zur Hütte, als sie dort Draco und Albus Dumbledore stehen sahen. Sie kamen näher.

„Hagrid, der junge Mr. Malfoy hier hat mir eine haarstäubende Geschichte von einem Drachen erzählt. Sollte ich denken, dass daran etwas wahres ist?", fragte der Schulleiter. Hagrid sah verzwickt aus. Sein Bart war verkokelt und aus der Hütte rauchte es heraus.
„Es tut mir leid, Professor Dumbledore. Ich wollte nur immer schon...", dann schluchzte der Riese. „Sie werden ihn wegbringen, nicht wahr. Sie werden mir Norbert wegnehmen."
Dumbledore nickte. „Ein Drache auf dem Schulgelände Hagrid, das geht einfach nicht. Ich weiß, dass du hervorragend alle möglichen Tiere züchtest, doch ein Drache ist einfach zu unberechenbar. Denk an die Schüler."
Hagrid nickte und schnäuzte in ein Taschentuch in der Größe eines Geschirrtuches. Dumbledore trat in die Hütte und beschwor einen Käfig herauf, in dem er den Drachen verstaute. Dumbledore verschwand und ließ einen weinenden Hagrid zurück. Die Tür stand offen und Draco, Harry und Daphne standen unschlüssig davor.

„IHR!", brüllte er plötzlich. „Ihr habt mich verraten, ich hätte es wissen müssen." Hagrid war außer sich vor Wut.
„Nein Hagrid, wir waren das nicht", versicherte Daphne. Doch Harry wurde plötzlich alles klar.
„Draco! Du warst es. Du hast Hagrid verraten", sagte er. Draco blickte beschämt zu Boden.
„Es war einfach nicht richtig. Drachen sind gefährlich", sagte er.
„Was weißt du denn schon, Malfoy!", knurrte Hagrid. Das letzte Wort sprach er mit einer gewissen Abscheu aus.
Draco drehte sich um und lief zum Schloss zurück und Harry folgte ihm. Er wusste, dass es sich für Slytherins nicht gehörte, sich außerhalb des Hauses zu streiten. Sie liefen zurück in den Gemeinschaftsraum, wo Harry Draco gegen die Wand drückte und seinen Zauberstab zückte.
„Du elender Verräter!", rief er. Einige wandten sich zu ihnen um.
„Ich habe nur getan, was richtig ist!", antwortete Draco.
„Ach ja, es ist also richtig, einen Freund zu verraten. So wie es richtig ist, sich über sie lustig zu machen!", schrie Harry weiter.
„Ich hab keine Ahnung wovon du sprichst, Harry!", antwortete Draco. „Ich habe gehört, wie du dich mit Pansy über mich lustig gemacht hast. Ich sehe, welche Blicke du Hagrid zuwirfst, jedesmal wenn wir bei ihm sind."
Plötzlich wurde Dracos Miene kalt. „Na schön Potter", er betonte das letzte Wort ebenso gehässig, wie Hagrid zuvor Malfoy ausgesprochen hatte.
„Wenn du denkst ich bin ein Verräter, kann ich dir gern sagen, es hat mir Spaß gemacht, den alten Trottel zu verraten. Der ist doch nicht ganz richtig im Kopf. Und für alle, die finden er gehöre beschützt, gilt das genau so!" Damit stolzierte Draco zu Pansy, Greg und Vince, die sich köstlich über die Unterhaltung zu amüsieren schienen.

Harry war verletzt. Er hatte schon gewusst, das Draco kein ehrliches Spiel spielte, doch dass er sich so in jemanden getäuscht hatte, konnte er kaum fassen. Er beschloss, er würde nie wieder mit Draco sprechen. Etwas später saß Harry allein am Kamin, als Daphne schließlich herein kam. Zu seiner Überraschung setzte sie sich zu Draco und den anderen. Harry verstand die Welt nicht mehr. Er hatte das Gefühl gehabt, zumindest Daphne sei seine Freundin. Er hatte das Gefühl, Tränen würden in seinen Augen hochsteigen, doch er vergrub sich in seine Lernunterlagen, sodass niemand es sehen konnte.

Die nächsten Wochen waren sehr einsam für Harry in Slytherin. Nach außen hin merkte natürlich niemand, dass Harry wie ein Aussetziger von seinen Hauskollegen behandelt wurde. Denn nach außen zeigte das Haus Slytherin immer zusammenhalt. Er saß immer noch mit den anderen in der Bibliothek und beim Essen. Doch sobald sie den Gemeinschaftsraum betraten, war es, als würde er Luft sich in Luft auflösen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie alle hinter Draco stehen würden. Selbst Daphne. Er versuchte sich davon abzulenken, indem er noch mehr für die Prüfungen lernte. Auch beim Quidditchtraining sprach niemand mehr mit ihm. Selbst dann nicht, als sie in der Woche vor den Prüfungen das Quidditchspiel gegen Hufflepuff gewannen und somit mit Abstand an der Spitze der Hausmeisterschaft standen. Selbst als ihnen der Quidditchpokal überreicht wurde, sprach niemand ein Wort mit ihm.

Kurz vor den Prüfungen wollte Harry noch einmal Hagrid besuchen. Wen er dort sah, überraschte ihn. In der Hütte saßen Daphne und Draco. Harry wollte gerade umkehren, als er sie sah, doch Hagrid schob ihn in die Hütte.
„Setz dich Harry, setz dich!", sagte er herzlich. „Ihr solltet reden", meinte er bestimmt, nachdem er Harry eine große Tasse Tee gereicht hatte. Er nahm seinen Maulwurffellumhang und verließ die Hütte, sodass nur noch Daphne, Draco und Harry dort waren. 

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt