Er stieg die letzten Stufen empor und trat er ein. Sofort war Harry eines klar: von allen Lehrerbüros, die er bisher gesehen hatte, war dieses das spannendste. Es war rund und enthielt allerhand merkwürdige Gegenstände. Viele von ihnen gaben seltsame Geräusche von sich oder bewegten sich langsam. Hätte er nicht gerade in großen Schwierigkeiten gesteckt, hätte er sie nur zu gern erkundet. Etwas anderes zog jedoch seine Aufmerksamkeit auf sich. Oben auf einem Regal hinter dem gewaltigen Schreibtisch befand sich der sprechende Hut. Würde es ihm wohl auch so gehen, wenn er damals nicht nach Slytherin gekommen wäre. Wäre er auch verdächtigt worden, wenn er ein Hufflepuff wäre?
Er musste wissen, warum ihn der Hut damals nach Slytherin gesteckt hatte. Er blickte sich um und sah, dass alle Hexen und Zauberer in ihren Porträts vor sich hin schlummerten. Es konnte nicht schaden, den Hut nochmal aufzusetzen. Er sank über seine Augen.
„Angst, Potter?", fragte die piepsende Stimme.
„Nein... also ich wollte nur wissen", begann Harry.
„Warum ich dich nach Slytherin gesteckt habe? Nun ja, es ist lange her, dass ich jemanden gesehen habe, der so schwierig war wie du. Aber du hast alles, was du in Slytherin brauchst... du hast einen guten Kopf, Ehrgeiz, die Treue den richtigen Menschen gegenüber und du scheust nicht davor zurück, gewisse Regeln zu deinem Vorteil zu brechen. Ich denke, wir dürfen Großes von dir erwarten. Hoffentlich besseres, als dem letzten, dem ich diese Worte gesagt habe."
Harry wurde übel. Er konnte sich vorstellen, wem der Hut diese Worte zugeflüstert hat. Er hatte dieses Gespräch schon einmal geführt - mit Mr. Ollivander.
Er riss den Hut von seinem Kopf und knurrte: „Ich bin nicht wie er!"
Seine Hände zitterten. Egal, was die anderen sagten - er war nicht wie der Dunkle Lord. Er war kein Mörder... würde niemals ein Baby zu einem Waisen machen. In Gedanken flehte Harry, dass Dumbledore das ebenfalls erkennen würde.Plötzlich hörte er ein seltsames Geräusch. Er fuhr herum und sah einen Vogel, der ein Würgen von sich gab. Der Vogel sah aus wie ein halb gerupfter Truthahn. Er hatte trübe Augen und Feder fielen ihm vom Schwanz.
„Das würde mir noch fehlen, dass Dumbledores Vogel stirbt, während ich bei ihm bin", dachte er, als das Tier plötzlich in Flammen auf ging. Vor Schreck wich Harry zurück und zog seinen Zauberstab. Er kannte keinen Zauber, um ein Feuer zu löschen. Warum lernten sie so etwas eigentlich nicht früher, wenn man bedachte, wie oft etwas in Hogwarts explodierte oder in Flammen aufging? Der Vogel war mittlerweile in Flammen aufgegangen und ein Häufchen Asche lag vor ihm.
In diesem Moment ging die Bürotür auf und Dumbledore kam mit einem ernsten Gesichtsausdruck herein. Da stand Harry, der Vogel zu Asche geworden und er, mit dem Zauberstab in der Hand. Er wusste, wie das aussehen musste.
„Professor, ich... ihr Vogel", er wusste nicht, was er sagen sollte. Doch zu Harrys Verblüffung lächelte Dumbledore.
„Wurde auch Zeit. Er sah schrecklich aus. Fawkes ist ein Phönix, Harry. Sie gehen in Flammen auf, nur um später aus der Asche neu geboren zu werden. Sieh hin!", sagte er. Harry konnte gerade noch rechtzeitig hinsehen, als ein winziger, neugeborener Vogel den Kopf aus der Asche steckte. „Ein Jammer, dass du ihn an einem solchen Tag sehen musstest. Phönixe sind erstaunliche Tiere. Wunderschön und unglaublich treu. Außerdem können sie erstaunliche Lasten tragen und ihre Tränen haben heilende Kräfte. Sie beschützen diejenigen, denen sie Treue geschworen haben und auch jene, die ihren Besitzern Treue erweisen."
Harry hatte fast vergessen, warum er hier war, als sich Dumbledore setzte und ihn mit eindringlichem Blick ansah. Gerade als er etwas sagen wollte, ging die Tür mit einem krachenden Geräusch auf. Hagrid stand vor ihm, immer noch mit dem toten Hahn in der Hand.
„Harry war es nicht Professor. Ich hab grad noch mit ihm geredet, bevor der Junge gefunden wurde..."
„Hagrid ich", begann der Professor, doch Hagrid polterte weiter.
„Wenn nötig beschwör ich das auch vor dem gesamten Zaubergamot!"
„Hagrid -"
„Professor, ich kenne den Jungen, er würde nie!", rief Hagrid.
„Hagrid, ich glaube nicht, dass Harry die Schüler angegriffen hat!", sagte Dumbledore laut.
„Oh... dann warte ich jetzt wohl besser draußen", sagte er perplex, den Hahn noch immer in seiner Hand und stapfte hinaus.
„Sie glauben nicht, dass ich es war?", fragte Harry hoffnungsvoll, als Dumbledore die Federn des Hahns und die Asche des Phönix von seinem Schreibtisch pustete. Es war, als würde ein Stein in der Größe von Hogwarts von seinem Herzen fallen.
„Nein Harry, ich glaube nicht, dass du es warst. Aber ich wollte trotzdem mit dir reden."
Er legte die Fingerspitzen seiner langen Finger zusammen und musterte Harry, der einmal mehr das Gefühl hatte, Dumbledore könnte ihm mit seinen stechenden blauen Augen in die Gedanken sehen.
„Harry, ich möchte dich erneut fragen, ob es etwas gibt, dass du mir erzählen möchtest", sagte er sanft. „Was es auch immer sein mag."
Harry wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er erinnerte sich an das Gespräch mit Daphne und Draco, nachdem sie den Stein der Weisen entdeckt hatten. Dann dachte er an all die Parallelen zwischen ihm und dem Dunklen Lord und das, was Ernie und Granger deswegen zu ihm gesagt hatten. Schließlich fiel ihm die Stimme ein, die er nun schon zweimal gehört hatte. Dann erinnerte er sich jedoch auch an das Gespräch, dass er im Krankenflügel belauscht hatte.
„Nein Professor... da gibt es nichts", sagte Harry. Er hatte das Gefühl, seine Stimme würde eigenartig belegt klingen.
Nach dem Angriff herrschte helle Panik in der Schule. Besonders der Angriff auf den Hausgeist verbreitete sie. Was konnte so mächtig sein, einen Geist zu versteinern? Es kam fast zu einem Sturm auf die Fahrkarten des Hogwartsexpress, als schließlich Weihnachten bevor stand. So wie es im Moment aussah, würden nur Draco, Vince, Greg und Harry über die Ferien da bleiben. Schließlich erfuhr er, dass auch Ginny und ihre Geschwister in Hogwarts bleiben würde.
„Großartige Ferien", maulte Draco. „Wir und die kleine Weasley!"
Doch Harry konnte nicht anders, als dass er Mitleid mit dem kleinen rothaarigen Mädchen hatte. Besonders Ron Weasley schien alles andere als begeistert, dass sie in Slytherin war. Auch die anderen Brüder, wenn nicht ganz so von Vorurteilen zerfressen, schienen sie zu meiden, seit Pistoletti sie darauf hingewiesen hatte, dass ihre Scherze nicht besonders lustig waren. In Slytherin hatte sie es auch alles andere als leicht. So wie Harry das mitbekommen hatte, war Astoria die einzige Erstklässlerin, die mit ihr sprach.
So kam es, dass Harry, nachdem er alleine mit Draco vom Weihnachtsessen zurück gekommen war, Ginny Weasley bat, sich zu ihnen zu setzen und eine Runde Zauberschnippschnapp mit ihnen zu spielen. Draco verzog eine Miene, wie ein Knarl, dem man Milch anbot.
„Muss das sein!", zischte er Harry zu.
„Ja", antwortete Harry knapp, der sich noch zu gut daran erinnerte, wie es war, von allen gemieden zu werden.
Ginny war ein sehr stilles Mädchen, das jedesmal rot wurde, wenn Harry sie ansprach. Draco verdrehte darüber die Augen und begann, im Tagespropheten zu lesen. Plötzlich lachte er und stand auf.
„Ich geh Vince und Greg suchen, die beiden können ja nicht immer noch in der großen Halle sein und futtern."
Dann waren sie allein.
„Alles in Ordnung mit dir?", fragte Harry, während sie die Farbe einer reifen Tomate angenommen hatte. Harry bemerkte, dass sie in den letzten Monaten dünner und blasser geworden war.
„Weißt du, es ist am Anfang nicht leicht sich hier zurecht zu finden. Aber wenn du erstmal ein paar Freunde hast, ist Slytherin das beste Haus, dass man sich nur wünschen kann", sagte Harry zuversichtlich. Er wollte, dass sie sich zumindest ein bisschen besser fühlte. Ginny blickte in hoffnungsvoll an.
„Danke", sagte sie stotternd.
In diesem Moment kam Draco wieder herein, gefolgt von Greg und Vince. Harry bemerkte, dass Vince ihm und Ginny einen seltsamen Blick zuwarf, der so gar nicht zu ihm zu passen schien. Draco ging zu ihnen und setzte sich mit den beiden Jungen hin. Er hielt Vince den Zeitungsartikel hin, den er wenige Minuten zuvor noch gelesen hatte.
„Hier, was zu lachen für dich", sagte Draco mit einem fiesen Lächeln.
Doch Vince lachte nicht, vielmehr sah er erschrocken aus, würgte dann jedoch ein seltsam klingendes Lachen hervor und reichte den Artikel weiter an Greg. Wieder kam keine Reaktion, doch dieser ließ den Artikel wortlos auf den Tisch sinken, sodass Harry ihn sah. Es war ein Artikel über Ginnys und Draco Vater, wobei ersterer nicht besonders gut weg kam.
„Nun?", sagte Draco ungeduldig, mittlerweile hatte sich auch Ginny den Artikel geschnappt und wurde beim Lesen immer blasser.
„Haha", sagte Greg tonlos. Irgendetwas stimmte hier doch nicht. Hatten die beiden etwa ein schlechtes Gewissen, sich neben Ginny über ihre Familie lustig zu machen? So hatte Harry die beiden bisher nicht eingeschätzt. Sie waren nicht sonderlich sensibel.
Nun sprach Draco Ginny direkt an.
„Dein Vater hat so ein großes Herz für Muggel, dass er seinen Zauberstab zerbrechen sollte und zu ihnen gehen sollte", sagte er verächtlich. „Man sollte nicht meinen, dass ihr Reinblüter seid, so wie sich dein Vater und deine Familie aufführen."
Harry konnte nicht fassen, was Draco tat. Ginny hatte ihre Hände zu Fäusten geballt und zitterte am ganzen Körper. Dann schien sie zu schlucken.
„Ich bin nicht mein Vater", presste sie hervor. Harry glaubte nicht, was er da hörte. Er hatte immer das Gefühl gehabt, dass Ginny ihre Familie vergötterte. Dann bemerkte er noch etwas anderes. Vince sah ebenso wütend aus, wie Ginny.
„Was ist los Vince?", fragte Harry.
„Magenschmerzen!", antwortete er schnell.
Harry runzelte die Stirn - was hatten die beiden nur?
„Na dann geh doch hoch in den Krankenflügel und gib all den Schlammbrütern einen Tritt von mir", meinte Draco kichernd. „Wisst ihr, es wundert mich, dass bisher nichts im Propheten von den Angriffen steht. Nicht das mich die Schlammblüter kümmern würden. Aber Dumbledore vertuscht dass sicher, um nicht seinen Job zu riskieren."
Kurz fragte sich Harry, ob er recht hatte. Dumbledore wusste offensichtlich mehr, als er preisgab, doch wollte er wirklich etwas vertuschen? Führte der Schulleiter etwas im Schilde?
„Na Potter, dann musst du doch einfach nur weiter machen, wie bisher. Irgendwann werden wir ihn schon los", sagte Greg plötzlich.
Harry seufzte genervt. Seit Tagen erklärte er ihnen, dass er nichts mit den Angriffen zu tun hat.
„Du weißt doch, dass ich es nicht bin, Greg. Wie oft soll ich es dir denn noch sagen?!", brummte er. Draco blickte ihn nun mitleidig an.
„Tut mir leid, dass Vater nicht mehr gesagt hat. Er hat nur gesagt, dass die Kammer zum letzten mal vor 50 Jahren geöffnet wurde und das der Schuldige erwischt wurde. Der sitzt sicher noch in Askaban."
„Askaban?", fragte Greg plötzlich.
Nun warf ihm Draco einen ungläubigen Blick zu. So dumm konnte noch nicht einmal Greg sein. Er, Vince und Draco hatten Verwandte, die dort saßen.
„Draco, hier stimmt etwas nicht", flüsterte Harry leise. Er warf den beiden einen scharfen Blick zu. Da geschah es: Vince Haare bekamen einen Rotstich und seine Nase würde länger. Gregs Gesicht hingegen wurde dunkler und beide schienen an Gewicht zu verlieren.
„WAS BEI MERLINS BART!", rief Draco plötzlich aus.
Die beiden sprangen auf.
„Arznei für meinen Magen!", rief die Person, die Vince ähnlich sah. Dann stürzten die beiden hinaus und ließen Draco, Harry und Ginny perplex zurück.
„Wer war das?", fragte Draco.
„Mein verblödeter Bruder", seufzte Ginny. Auf die ratlosen Gesichter von Draco und Harry erklärte sie: „Diese Nase und diese Augen würde ich überall erkennen."
„Sie haben sich reingeschlichen!", knurrte Draco erzürnt. „Das werde ich Professor Snape erzählen!"
„Wozu?", fragte Harry plötzlich. „Sie haben nichts erfahren, außer dass ich nicht der Erbe bin. Wir können nichts beweisen - das war ein mächtiger Zauber. Niemand würde uns glauben, dass Weasley und sein Anhang das zustande gebracht hat. Jemand muss ihnen geholfen haben."
Er bemerkte, dass Ginny ihm einen dankbaren Blick zuwarf. Ganz egal war ihr ihre Familie wohl nicht.
„Sie tut nur, was ich auch getan habe. Sie passt sich an", dachte Harry bei sich und nickte ihr kaum merklich zu.
„Na schön", seufzte Draco. „Aber sobald wir wissen, wer ihnen geholfen hat, kriegen wir Weasley dran!"
Harry zuckte mit den Schultern und meinte: „Wie auch immer - wir sollten Greg und Vince suchen."
Zu Harrys Überraschung half ihnen Ginny beim Suchen. Sie fand ihre Freunde schließlich in einem Besenschrank in der Nähe der Großen Halle. Sie waren von einem Schlaftrank betäubt. Harry, der wegen Kundalini immer einen Bezoar dabei hatte, gab ihnen jeweils eine Hälfte und die beiden wachten auf, als wäre nie etwas gewesen.
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Wege eines Slytherins
FantasyHarry und Draco begegnen sich an Harrys 11. Geburtstag in der Winkelgasse. Draco ist der Erste in Harrys Alter, der nett zu ihm ist. Und so ist es Draco, der Harry in die Welt der Magie einführt, anstatt von Ron Weasley. Wie ändert sich die Geschich...