Kapitel 23: Ein Slytherin gibt nicht auf

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Tatsächlich gab es keine Angriffe mehr, nachdem Dumbledore und Snape verschwunden waren. Die anderen Häuser waren sicher, dass nur der Hauslehrer von Slytherin auch dessen Erbe sein konnte oder diesen zumindest unterstützt hatte. Doch die Lehrer waren wohl weniger überzeugt. Denn auch nachdem beide - Schulleiter und Tränkemeister - von Hogwarts vertrieben worden waren, setzten alle die Sicherheitsanordnungen, die von Dumbledore vor seiner Beurlaubung vorgeschrieben worden waren, weiterhin um. Doch Hogwarts war nicht mehr das Gleiche, seit Filch gestorben war. Es war irgendwie dunkler, unheimlicher. Eigentlich hatte niemand den Hausmeister gemocht. Einige hatten ihm sicher das ein oder andere Mal den Tod gewünscht, doch das er tatsächlich stirbt, das hatte wohl keiner gewollt. 


Mrs. Norris, seine Katze, weigerte sich, sich von dem Ort zu entfernen, an dem Filch gestorben war und sie war, so fand zumindest Harry, der lebendige Beweis für den Tod im Schloss. Jedes Mal, wenn sie von Professor Vektor, die zwischenzeitlich die Aufgaben des Hausvorstandes von Slytherin übernommen hatte, zum Zauberkunst Unterricht gebracht wurden, gingen sie an Mrs. Norris vorbei. Irgendwann bemerkte Harry, dass ihr jemand regelmäßig einen Futternapf und eine Wasserschüssel vorbeibrachte. Dennoch war es seltsam, die Katze dort sitzen zu sehen. Sie saß da, rührte keinen Muskel, fauchte und knurrte alle Schüler an, die an ihr vorbeigingen. Sie benahm sich, wie es sich anfühlte, in dieser Schule zu sein. Die Schule war verletzt, verletzt in ihrer tiefsten Substanz. Hogwarts war ihr zuhause gewesen - die Mauern hatten ihnen Sicherheit geboten. Doch nun hatte es der Tod geschafft, in ihr Inneres einzudringen. 


Nicht nur das machte für Harry und seine Freunde den Schulalltag dunkler. Es war ihnen bisher nicht bewusst gewesen, wie sehr das Verhalten und die Anwesenheit des Zaubertrankprofessor die anderen Schüler davon abgehalten hatte, den Slytherins das anzutun, was sie ihnen wünschten. Seit er weg war, hielt sich niemand mehr zurück. Ihr Glück war, dass sie die meiste Zeit durch die Sicherheitsbestimmungen geschützt waren, doch leider nicht immer.
Manchmal, wenn sie gerade von den Lehrern zum nächsten Klassenzimmer gebracht wurden, rempelten sie die Schüler der anderen Häuser an, sodass sie stürzten. Einmal hatten es die Weasley-Zwillinge es sogar irgendwie geschafft, dass Harry von einem Beinzauberfluch getroffen wurde, als er gerade die Stufen hinunterlief, sodass er ziemlich schmerzhaft stürzte. Die Lehrer hingegen schienen gar nicht bemerken, was passierte. Sie waren viel zu abgelenkt davon, dass irgendwo in der Schule immer noch ein Monster lauern könnte, dass gerade jemanden ermordet hatte. Ein paar Streiche schienen auf ihrer To-Do Liste nicht besonders weit oben zu stehen.


Es war Mitte April, als Harry ein übles Gefühl im Magen hatte, nachdem Professor Vektor sie im Klassenzimmer abgesetzt hatte und zu ihren eigenen Schülern eilte. Als sie die Türe hinter sich schloss, war es sehr ruhig. Generell war es sehr still in Hogwarts geworden, doch diese Ruhe war fast erdrückend. Die Hufflepuffs funkelten sie an, als die Slytherins ihre Plätze einnahmen. So saßen sie im Klassenzimmer für Zauberkunst gemeinsam mit den Hufflepuffs und warteten auf Professor Flitwick, der die letzte Klasse zum Verwandlungsunterricht brachte. Plötzlich raschelte es hinter Harry. Als er aufsah, bemerkte er, dass sich einige Hufflepuffs vor ihm aufbauten. 


„Ich weiß, dass ihr mit eurem Hauslehrer unter einer Decke gesteckt habt! Aber es funktioniert nicht - ihr Slytherins werdet uns nicht unterkriegen. Es dauert nicht mehr lange, dann sind alle unsere Freunde zurück und ihr werdet genau wie eurer Hauslehrer Hogwarts verlassen müssen!", sagte Ernie Macmillan.

„Halt die Klappe, Macmillian. Du machst dich nur zum Vollidioten", sagte Harry. Er hatte genug davon. Seit Granger versteinert war, ging es nun schon so. Was war denn daran so schwer zu verstehen, dass er, der zu den Muggeln zurück musste, wenn Hogwarts geschlossen wurde, dass geringste Interesse daran hatte, dass genau das geschah.
„Sei nicht so vorlaut, Potter! Dir wird das Lachen schon vergehen. Wir wissen, was du bist. Du bist ein dunkler Magier, genau wie es Du-Weißt-Schon-Wer war. Und wir werden nicht den selben Fehler machen, den unsere Eltern gemacht haben. Wir lassen dich nicht einfach damit davonkommen!", sagte der Hufflepuff. Einige der Mädchen standen hinter ihm. Harry erkannte Hannah Abbott und Susan Bones. Sie schienen nicht besonders glücklich mit dieser Ansprache sein. Susan trat schließlich vor und legte unsicher ihre Hand auf Ernies Schulter.
„Ernie... glaubst du nicht, dass das ein Fehler ist? Ich meine, du hast doch gesagt... Weasley meinte doch, Potter wüsste von nichts", hörte Harry Susan unsicher sagen. Sie wagte es nicht, Harry in die Augen zu sehen. Harry hingegen hob nun interessiert die Augenbraue. Macmillian wusste also von Weasleys kleinen Stunt in den Ferien. Als er darüber nachdachte war es auch logisch. Es klang nicht nach Weasley oder Thomas, sich einen solch komplizierten Plan auszudenken.
„Er hat Justin versteinert. Das weiß ich! Ich habe in Quasi auf frischer Tat ertappt. Justin ist unser Freund! Wie kannst du dich nur auf seine Seite stellen?", fragte Ernie. „Was ist, wenn beim nächsten Mal wieder jemand stirbt. Vielleicht auch noch einer unserer Freunde!"
Nun reichte es Harry endgültig. „Du musst ja wirklich noch dümmer sein, als du aussiehst. Oder färben die Muggel auf euch Muggelliebhaber ab? Was für ein Interesse hätte ich daran jemanden zu töten?", fragte Harry wütend.
Macmillian stand nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Der Hufflepuff war etwas größer als er und sah auch etwas muskulöser als er aus. „Granger, Creevey und dann Justin! Niemand von uns ist so blöd, an Zufälle zu glauben. Als bräuchte ein dunkler Zauberer irgendeine Erklärung dafür, was er tut."
„Ich habe Granger, Creevey und Justin nie etwas getan!", Harry hob seinen Zauberstab „Nimm das zurück!"
„Was willst du machen? Willst du mich vor allen hier versteinern? Oder wenn ich irgendwo alleine bin? Sobald mir etwas passiert, wissen alle, dass du der eigentliche Erbe bist!", sagte Ernie.
Harry schnaubte. Als würde es etwas bringen, mit dem Hufflepuff zu diskutieren! Das war doch sinnlos.
„Was ist los Potter, nichts mehr zu sagen?", frage Macmillian. „Antworte gefälligst!"
Er stieß Harry und Harry fiel zu Boden. Draco, Vince und Greg waren in der Zwischenzeit auch aufgesprungen. Vince verpasste Ernie einen Schlag ins Gesicht, woraufhin Wayne Hopkins auf diesen losging. Daraufhin brach eine Prügelei zwischen den Hufflepuffs und den Slytherins aus. Alle schienen vergessen zu haben, dass sie Zauberstäbe hatten. Nur Harry hatte seinen noch immer in der Hand. Gerade als Ernie Macmillian Draco ins Gesicht schlagen wollte, rief Harry:
„Wingardium Leviosa!"
Mit einem Schlag war die Prügelei vorbei, als Ernie Macmillian fluchend in der Luft zappelte.

Dann öffnete sich die Tür.
„Was ist denn hier los?", fragte Professor Flitwick.
Mit einem Knall fiel Macmillian zu Boden, als Harry Flitwick eingetreten sah. Niemand wagte es, etwas zu sagen. Es sah wirklich nicht gut für sie aus. Hopkins hatte eine blutige Nase. Vince ein blaues Auge. Vinces Umhang war zerrissen. Harry saß mit erhobenen Zauberstab am Boden, seine Schulsachen vom Sturz um ihn verteilt und Macmillian rieb sich die Schulter, auf die er gefallen war.
„Ich erwarte eine Antwort", sagte Flitwick streng. Niemand reagierte. „20 Punkte Abzug für Slytherin und Hufflepuff. Ich bringe sie nach dieser Stunde in den Krankenflügel. Es scheint ja niemand ersthaft verletzt zu sein und vielleicht helfen ein paar blaue Flecken ja, sich daran zu erinnern, wie wir uns in dieser Schule verhalten."
„Aber Professor! Das ist nicht fair!", sagte Ernie. „Wir wissen alle, dass die Slytherins hinter den Angriffen stecken. Sie glauben doch nicht, dass das ganze vorbei ist, nur weil Snape verhaftet wurde?"
Flitwick wurde nun wirklich böse. Seine Stimme zitterte, als er sprach.
„Mr. Macmillian, es heißt immer noch Professor Snape. Und um Ihre Frage zu beantworten: Ich denke nicht, dass die Angriffe aufhören, nur weil Professor Snape verhaftet wurde. Bevor ich Hufflepuff nun noch mehr Punkte abziehe, würde ich Ihnen raten, sich zu setzen."
Schweigen breitete sich aus. Noch nie hatte jemand den kleinen, freundlichen Professor wütend gesehen. Schnell sammelten alle ihre Sachen zusammen und eilten zu ihren Plätzen. Als alle saßen, wandte sich Flitwick an Harry.

„Mr. Potter, so sehr ich eine gute Ausführung eines Zaubers zu schätzen weiß, werde ich nicht zulassen, dass sie ihre Schulkollegen in meinem Klassenzimmer verhexen. Sie werden Nachsitzen. Ich hohle sie nach dem Unterricht aus ihrem Gemeinschaftsraum ab."
Harry zitterte vor Wut. Das konnte doch nicht sein ernst sein. In dieser Woche hatte es bereits drei Angriffe auf Slytherins gegeben - dabei war erst Mittwoch - und Harry sollte der einzige sein, der Nachsitzen musste? Dann wurde ihm plötzlich etwas klar. Alle Strafen, die sie bisher bekommen hatten, hatten sie bei Professor Snape absitzen müssen. Professor Snape war immer ein wahrer Slytherin gewesen - er hatte nicht nur dafür gesorgt, dass die meisten Schüler die Slytherins in Ruhe ließen (von ein paar dummen Gryffindors mal abgesehen, die wohl niemand aufhalten konnte), sondern auch dafür gesorgt, dass er das letzte Wort hatte, wenn es um die Bestrafung seines Hauses ging. Nun, da er weg war, waren sie alleine.
„Ja, Professor Flitwick", sagte Harry geschlagen.


„Es ist seltsam, ohne Professor Snape und Filch und Hagrid... es ist, als ob es nicht mehr Hogwarts ist", meinte Daphne. Sie saßen im Schlafsaal der Jungen und Harry war gerade vom Nachsitzen zurückgekehrt. Flitwick hatte ihn die Tafelschwämme putzen lassen. Zumindest hatte Daphne es geschafft, dass Kundalini fraß, doch immer noch bewegte sie sich wie in Zeitlupe, ließ sich von niemanden berühren und sprach nicht mehr.
Harry hatte das Gefühl, er wäre derjenige, der von dem Bann getroffen war. Er fühlte sich so unglaublich machtlos. Wenn er doch nur wieder mit ihr reden könnte. Wenn Hagrid doch nicht mehr versteinert wäre. Wenn doch nur Professor Snape wieder zurück wäre.
„Dein Vater hat nichts getan", sagte er heiser zu Draco. „Er hat sie Snape einfach mitnehmen lassen..."
Draco sah sie nicht an. „Ich habe Vater bereits geschrieben. Er sagt, Professor Snape wird nicht lange in Askaban sein."
Schweigen breitete sich aus. Daphne und Draco sahen so verloren aus, wie Harry sich fühlte. Ginny hatte er den ganzen Tag noch nicht gesehen. Sie versteckte sich immer öfter in ihrem Schlafsaal. Kundalini hatte sich starr in einer Ecke zusammengerollt und sah aus, wie ausgestopft. Er konnte das nicht länger ertragen.
„Wir dürfen nicht einfach aufgeben!", sagte Harry bestimmt. „Das ist unsere Schule. Wir sind Slytherins. Wir müssen jetzt zusammenhalten. Der Erbe muss aufgehalten werden! Er zerstört Hogwarts - und damit auch unser Haus."
Draco und Daphne sahen ihn an. Dann nickte Draco. „Du hast recht. Ein Slytherin gibt sich nicht so einfach geschlagen. Und ein Malfoy schon gar nicht!"


Harry, Daphne und Draco gingen jedem Hinweis nach, den sie finden konnten. Doch die ganzen Sicherheitsvorkehrungen ließen ihnen nicht viel Freiraum. Die Zeit schien nur so dahin zu laufen, doch es gab weder weitere Angriffe noch irgendwelche Hinweise, wer der Erbe sein konnte. Draco's Vater schien sich ebenfalls Zeit zu lassen, etwas wegen Professor Snape zu unternehmen. Er kam nicht zurück. Ein weiterer Beweis für die anderen Häuser, dass es Snape gewesen war. Ein weiterer Beweis, dass es in Ordnung war, die Slytherins zu beschimpfen, verhexen oder ihnen andere Streiche zu spielen.
In der Zwischenzeit wirkte sich die ganze Situation mehr und mehr auf die jüngeren Slytherins aus. Die Erstklässler wagten es nicht, irgendwo hin alleine zu gehen. Harry bemerkte, dass Ginny immer dünner und blasser wurde. Harry versuchte, Astoria und Ginny immer wieder aufzumuntern. Versuchte, Daphne Mut zuzusprechen, wenn die Weasley-Zwillinge sie einmal mehr verhext hatten. Versuchte Vince und Greg davon zu überzeugen, auf die jüngeren aufzupassen, wenn es ging. Ohne Snape war Hogwarts wahrhaft nicht mehr das für die Slytherins, was es früher gewesen war. Doch Harry wüsste, sie würden nicht aufgeben. Nicht, bis Slytherin wieder das war, was es vor dem ersten Angriff gewesen war.

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt