Harrys letzter Monat bei den Dursleys war nicht besonders lustig. Dudley hatte zwar nun so viel Angst vor Harry, dass er sich nicht einmal mehr mit ihm in einem Zimmer aufhalten wollte und seine Tante und sein Onkel schlossen ihn nicht auch mehr in den Schrank ein, doch seit sie gesehen hatten, wie Harry mit Kundalini, wie er die Schlange genannt hatte, gesprochen hatte, war die Stimmung im Ligusterweg fast unerträglich. Sobald er einen Raum betrat, sahen sie ihn an, als wäre er eine Bombe, die jederzeit hochgehen könnte. Beim gemeinsamen Essen sprachen kein Wort mit ihm. Sie ignorierten den Stuhl, auf dem Harry saß und zuckten zusammen, sobald er sich bewegte. So verbrachte Harry die meiste Zeit in seinem Zimmer.
Zumindest hatte er Kundalini, mit der er sich unterhalten konnte. Doch Kundalini war in Gefangenschaft aufgewachsen und auch Harry wusste nicht viel von der Welt, weshalb sie sich meistens über den Inhalt seiner Schulbücher unterhielten. Besonders das Buch „Flüche und Gegenflüche" hatte es ihm angetan, aber auch das Zaubertränke Buch. Er stellte sich vor, was er Dudley mit all diesen Flüchen und Tränken antun konnte, wenn er erst alt genug wäre, alleine zu zaubern.
Am ersten September brachte Vernon Dursley ihn schließlich zum Bahnhof. Gerade als Harry von Onkel Vernon spottend zwischen Bahnsteig 9 und 10 zurückgelassen wurde, hörte er eine Stimme hinter sich:
„Wer war denn dieses Nilpferd auf zwei Beinen?" Harry fuhr herum und sah in das grinsende Gesicht von Draco Malfoy, der wieder von seinem Eltern begleitet wurde.
„Das war mein Onkel. Er ist ein Muggel", erklärte Harry. Draco warf Vernon einen angeekelten Blick hinterher.
„Sieht ja nicht besonders freundlich aus", stellte er fest.
„Ist er auch nicht", antwortete Harry, was ihm einen mitleidigen Blick von Dracos Mutter einbrachte.
„Wir sollten zusehen, dass wir auf das Gleis kommen. Hier ist mal wieder alles voller Muggel", meinte sie, wobei Harry bemerkte, dass sie das Wort wie ein Schimpfwort betonte.
Die große Uhr über der Ankunftstafel sagte ihm, dass sie noch 15 Minuten hatten. Lucius Malfoy nickte ihr zu und machte sich auf den Weg zur Absperrung zwischen Bahnsteig 9 und 10. Harry beobachtete ihn, angestrengt darauf achtend, nicht zu blinzeln, damit ihm auch nichts entginge - doch gerade als Mr. Malfoy die Absperrung erreichte, wurde Harry von einem Touristen mit einem riesigen Rucksack umgestoßen.
Als Harry wieder hinsah, war Mr. Malfoy verschwunden. Verwirrt blickte Harry Draco an. „Entschuldige aber...die Sache ist die... es ist nämlich so...", begann er stotternd. „Du weißt nicht, wie du zum Gleis kommst?", seufzte Draco. Harry nickte. „Keine Sorge, ist ganz einfach, selbst ein Idiot schafft es. Du läufst einfach schnurstracks auf die Absperrung vor dem Gleich zwischen 9 und 10 zu. Bloß nicht anhalten, sonst knallst du dagegen. Los, geh schon. Ich komm dann mit Mutter nach."
Harry drehte seinen Gepäckwagen um. Kundalini zischte: „Die sssieht aber ziemlich ssstabil aus." Harry antwortete so leise, dass es niemand anderes mitbekam: „Das sehe ich selbst", ging jedoch langsam auf sie zu. Die Menschen rundum ihn schienen ihn nicht mehr zu beachten, denn sie rempelten ihn an. Harry beschleunigte seine Schritte. „Oh nein, dasss wird weh tun", stellte Kundalini fest. Harry lehnte sich, auf den Wagen gestützt, nach vorne.
Er erwartete jederzeit mit der Absperrung zusammen zu stoßen.
Er schloss die Augen, bereit zum Aufprall.
Doch... Nichts geschah... Harry rannte weiter... er öffnete die Augen.
Dracos Vater lächelte ihn arrogant an, als er Harry verwirrt umherblicken sah. Eine scharlachrote Dampflok stand an einem Bahnsteig bereit, die Waggons voller Menschen. Auf einem Schild über der Lock stand Hogwarts-Express, 11 Uhr. Hinter ihm erschien Draco wie aus dem nichts vor einer schmiedeeisernen Tür auf dem die Worte „Gleis Neundreiviertel" standen. Sie hatten es geschafft.
Die ersten Waggons waren schon dicht mit Schülern besetzt, einige sprachen, aus den Fenstern gelehnt, mit ihren Eltern und Geschwistern. Überall waren Eulen, Katzen und Kröten zu hören. „Los, lass uns nach einem Abteil suchen", schlug Draco Harry vor. Auf der Suche nach einem freien Platz schoben die beiden Jungen ihre Gepäckwagen weiter den Bahnsteig hinunter. Sie kamen an einem Jungen mit rundem Gesicht vorbei, der gerade von seiner Großmutter ermahnt wurde, gut auf seine Kröte aufzupassen.
„Esssen!", zischte Kundalini plötzlich. Harry folgte ihrem Blick, als er eine kleine Gruppe von Leuten sah, die sich um einen Jungen mit Rastflocken gebildet hatte. Er hob den Deckel einer Schachtel, aus der ein langes, haariges Bein zum Vorschein kam. Harry hatte längst entdeckt, dass Kundalini gerne Spinnen verspeiste. „Später", flüsterte Harry in Richtung seiner Schlange.
Im hinteren Bereich des Zuges fanden sie schließlich ein Abteil. Dort stellte er erstmal Kundalini ab, dann begann er seinen Koffer Richtung Waggontür zu wuchten. Er versuchte ihn die Stufen hoch zu hieven, doch er hatte keine Chance. Draco lachte ihn mittlerweile aus. „Was machst du denn da?", fragte er.
Harry hatte bereits einen hochroten Kopf und antwortete: „Ich versuche meinen Koffer da hoch zu bringen, was denn sonst?"
„Du weißt schon, dass wir Zauberer sind?", fragte Draco.
Dann bemerkte er, dass Lucius Malfoy seinen Zauberstab gehoben hatte. „Brauchen sie Hilfe, Mr. Potter?", fragte er.
„Ja bitte", keuchte Harry.
„Wingardium Liveosa!", befahl er und der Koffer schwebte in den Zug.
„Cool, das möchte ich auch können!", staunte Harry. Er hatte vom Schwebezauber bereits in einem der Schulbücher gelesen, die er Kundalili vorgelesen hatte. Er nahm also seine Schlange und sprang in den Zug. Draco folgte ihm. Gerade, als sie an das Abteil kamen, in das sie sich eigentlich setzen wollten, bemerkte Harry, dass schon jemand darin gerade jemand seine Koffer verstaute.
„Draco!", rief das Mädchen. Sie hatte ein schmales Gesicht, große, graue Augen und aschblondes Haar.
„Hallo Daphne, dürfen wir uns zu dir setzen?", fragte Draco.
„Sicher, setz dich." Dann fiel ihr Blick auf Harry, der sich gerade die schweißnassen Haare aus der Stirn wischte.
„Was ist das denn?", fragte Daphne und deutete auf die Blitznarbe auf seiner Stirn.
„Bist du etwa... der Harry Potter?", fragte das Mädchen.
„Ähm... ja, ich denke schon", sagte Harry. Daphne starrte ihn mit offenem Mund an und Harry spürte, wie er rot wurde. Dann kam, zu seiner Erleichterung, eine Stimme durch die offene Waggontür geschwebt.
„Daphne Schatz, willst du dich nicht von Astoria verabschieden?"
„Ich komme!", rief sie und warf einen letzten Blick auf Harry. Nachdem Draco und Harry ihre Koffer verstaut hatten, setzte sich Harry ans Fenster, wo er , halb verdeckt, die Familie von Daphne beobachtete, während Draco sich von seinen Eltern verabschiedete. Daphne war wohl das mittlere Mädchen der Familie, neben ihr standen ein älterer Junge und ein Mädchen, dass etwas jünger als Daphne war, doch alle hatten sie dasselbe aschblonde Haar. Neben ihr stand ein Junge, den Harry auf 15 schätzte. Der Junge war breit gebaut, stämmig und hatte im Gegensatz zu seinen Schwestern kleine, schmale Augen, die wirkten, als würde ihnen nichts entgehen. Er trug eine grüne-silberne Krawatte, den schwarzen Schulumhang mit einem Wappen auf dem eine silberne Schlange abgebildet war und ein weiteres, silbern glänzendes Abzeichen auf dem ein großes V prangte. „Ich muss los Mutter", sagte er. „Ich bin ganz vorn, die Vertrauensschüler haben zwei Abteile für sich und ich will nicht mit den Gryffindors in einem Abteil festsitzen."
„Na schön, Pistoletti. Mach uns stolz. Und schick mir eine Eule, wenn du angekommen bist", sagte die Mutter. Dann verpasste sie ihm noch einen Kuss auf die Wange, was ihn rot anlaufen ließ.
„Und nun zu dir", wandte sie sich nun Daphne zu. „Ich erwarte, dass du dich von deiner besten Seite zeigst. Ich möchte keine Beschwerden von Professor Snape hören."
„Mum, es ist noch nicht einmal sicher, dass ich nach Slytherin komme!", meinte sie.
„Ach, papperlapapp. Unsere ganze Familie war in Slytherin, warum sollte es bei dir anders sein. Ich bin sicher, dass du unserer Familie Stolz und Ansehen bringen wirst."
Daphne nickte wie ein braves Mädchen, dann bekam sie einen Kuss auf die Wange. „Weißt du übrigens, wer in meinem Abteil sitzt?", fragte sie.
Harry lehnte sich zurück, um sicher zu gehen, dass sie ihn nicht sahen.
„Harry Potter und Draco Malfoy", sagte sie stolz.
Harry hörte die Stimme des kleinen Mädchens. „Oh, Mum, kann ich in den Zug gehen und ihn sehen?"
„Harry Potter ist doch kein Tier, dass man sich wie im Zoo ansehen kann! Du wirst ihn noch früh genug sehen, wenn du nächstes Jahr nach Hogwarts gehst", hörte er die Stimme der Mutter. In diesem Moment gellte ein Pfiff über den Bahnsteig.
„Beeil dich!", sagte die Mutter und Daphne stieg in den Zug. Sie lehnte sich aus dem Fenster und gab ihrer Mutter und ihrer Schwester einen Abschiedskuss. Harry sah, dass eine Träne in den Augen der jüngsten glitzerte.
„Nicht doch, Astoria. Ich sende dir kesselweise Briefe!", sagte sie.
Mit einem Ruck fuhr der Zug los. Harry sah die winkende Mrs. Greengrass sowie Mrs. Malfoy und Mr. Malfoy, die regungslos dem Zug hinterher sahen. Gerade als der Zug immer schneller wurde, bemerkte er eine rundliche Frau mit feuerrotem Haar und einem Mädchen, das etwa so alt wie Astoria sein musste an der Hand, die sie zur Seite stieß. Sie winkten dem Zug hinterher, bis er zu schnell war um noch mit zu laufen. Plötzlich war Harry ganz aufgeregt. Er wusste nicht, was ihn erwartete - doch er wusste, dass es nur besser sein konnte, als das, was sein Leben die letzten 10 Jahre ausgemacht hatte.
Schließlich ging die Abteiltür auf. Daphne trat ein und sah aus, als hätte auch sie Tränen in den Augen, die sie sich jedoch schnell aus dem Gesicht wischte, als ihr Blick auf Harry fiel. Sie warf Harry einen schnellen Blick zu und sah dann schweigend aus dem Fenster.
Dann kam Draco zurück. Mit ihm kamen zwei Jungen, beide ziemlich stämmig und mit einem fiesem Ausdruck im Gesicht. Harry kam nicht drum herum, an Dudley zu denken. „Das sind Vincent Crabbe und Gregory Goyle. Ist doch O.K. wenn sie sich zu uns setzen, oder? Keine Sorge, sie sehen fieser aus, als sie sind. Wir kennen uns seit unserer Kindheit", erklärte Draco. Daphne und Harry nickten.
„Bist du wirklich Harry Potter?", kam es nun aus Vincent Crabbe heraus. Harry nickte erneut. Vincent und Gregory starrten ihm unentwegt auf die Stirn.
„Du hast also auch die... na du weißt schon die...", fragte Gregory unbeholfen. Harry strich sich die Haare aus dem Gesicht und zeigte allen anwesenden die Narbe.
Beide Jungen machten große Augen.
„Also da hat der Dunkle Lord?", fragte Gregory.
„Ja, ich kann mich allerdings an nichts als ein grelles, grünes Licht erinnern", sagte Harry.
„Mensch, lasst ihm doch mal fünf Minuten Pause, Jungs!", meinte Daphne bestimmt und plötzlich schien den Jungen klar zu werden, was sie da taten.
„Sorry, Potter", grunzten sie.
„Nennt mich doch Harry", sagte er und warf Daphne einen dankbaren Blick zu, den sie mit einem lächeln quittierte.
„Sind alle in euren Familien Zauberer?", fragte Harry, der die anderen mindestens so interessant fand, wie sie ihn.
„Natürlich, was denkst du denn? Ich bin da ja Vaters Meinung, andere sollte man garnicht aufnehmen!", erklärte Draco.
„Dann wisst ihr ja sicher schon viel übers Zaubern", stellte Harry fest. Sofort setzte Draco einen arroganten Blick auf.
„Vater hat mir das ein oder andere gezeigt", erklärte er. „Er hat mir auch erzählt, du bist bei Muggeln aufgewachsen. Sind sie so schrecklich, wie er sagt?"
„Sie sind fürchterlich. Also zumindest die, die ich kenne. Ich wünschte, ich wäre in einer Zaubererfamilie aufgewachsen. Mit einem Bruder oder einer Schwester", sagte er, wobei er die letzten Worte an Daphne richtete. Sie lächelte.
„Mein Bruder ist Vertrauensschüler und meine Schwester kommt nächstes Jahr auch nach Hogwarts, ich kann sie dir gern vorstellen, wenn du magst."
In diesem Moment schuhute Daphnes Eule. „Ich muss heute Abend noch meinem Vater schreiben, in welches Haus ich gekommen bin. Er arbeitet im Ministerium, Abteilung für magisches Transportwesen und kann es kaum erwarten, dass ich in sein altes Haus komme."
„In welches Haus möchtest du?", fragte Harry.
„Natürlich Slytherin!", antwortete Daphne, ohne darüber nach zu denken. „Alle aus unseren Familien waren dort."
Harry blickte zu Boden. „Ich weiß nicht, in welchem Haus meine Eltern waren. Ich wusste nichts über sie, bis Hagrid kam und mich von den Muggeln wegbrachte", sagte er.
Nun war es Draco der sprach. „Also ich bin nicht sicher, in welchem Haus dein Vater war, aber ich weiß, dass alle aus meiner Familie in Slytherin waren und wir haben schließlich den gleichen Urgroßvater."
Nun war es an Harry, der große Augen machte. „Wir haben den gleichen Urgroßvater? Das heißt wir sind verwandt?", fragte Harry überrascht. Draco nickte.
„Fast alle reinblütigen Familien sind irgendwie miteinander verwandt. Wäre ja noch schöner, wenn wir anfangen würde, Schlammblüter aufzunehmen."
„Entschuldige, aber was sind Schlammblüter?", fragte Harry.
„Muggelgeborene. Leute aus Familien, die nichts mit Magie zu tun haben", antwortete Draco. Gregory machte ein grunzendes Geräusch und Vincent sah aus, als hätte ihm jemand ins Gesicht gespuckt.
„Das gibt es?", fragte Harry erstaunt. „Aber wie ist das möglich?"
„Niemand weiß es so genau. Aber Mutter hat mir erzählt, sie müssen den Zauberstab eines richtigen Zauberers stehlen, damit sie zaubern lernen können. Du weißt ja, ein Zauberstab sucht sich den Zauberer aus", sagte Gregory. Unruhig griff Harry nach seinem Zauberstab. Was wohl mit Zauberern passierte, denen der Zauberstab gestohlen wurde? Würden sie ihn zurück zu den Dursleys schicken, wenn ihm sein Stab gestohlen werden würde?
Draco, Vincent und Goyle waren gerade in ein Gespräch vertieft, während Daphne das Buch „Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" aufgeschlagen hatte.
„Ich habe immer noch Hunger!", zischte plötzlich die Stimme von Kundalini. Harry stand auf und suchte in seinem Koffer nach den getrockneten Insekten.
„Heuschrecke oder Spinne?", fragte Harry, ebenfalls zischend.
„Ssspinne!", zischte die Schlange. Harry nahm eine der getrockneten Spinnen heraus und warf sie ins Terrarium der Schlange.
„Lass es dir schmecken!", sagte er. Nun bemerkte er, dass alle im Abteil ihn anstarrten.
„Du bist ein Parselmund! Du kannst mit Schlangen sprechen", rief Draco erstaunt aus.
„Ja, ich weiß. Hab mal aus versehen eine Boa-Constriktor auf meinen Cousin gehetzt", sagte er, was Daphne zurückweichen ließ. „Es war keine Absicht! Er hat sich wie ein Idiot verhalten", setzte er nach.
„Harry... mit Schlangen zu sprechen... das ist eine extrem seltene Gabe. Der letzte der es beherrschte war der Dunkle Lord", sagte Daphne. „Voldemort konnte mit Schlangen sprechen?", fragte Harry. Alle im Abteil zucken zusammen.
„Du wagst es seinen Namen zu sagen?", fragte Vincent.
„Harry, das solltest du wirklich nicht tun. Und auch die Sache mit der Schlange... nicht alle stehen dem so offen gegenüber wie wir es tun", erklärte Draco bevor Vincent auch nur ein weiteres Wort sagen konnte.
„Aber warum?", fragte Harry.
„Weil der Dunkle Lord ein Parselmund war und die Gabe deswegen als dunkle Magie bezeichnet wird. Vollkommener Blödsinn, wenn du mich fragst", erklärte Draco. Daraufhin sahen sie alle schweigsam aus dem Fenster und hingen ihren Gedanken nach, während sich Kundalini zufrieden in ihrem Terrarium zusammenrollte.
Etwas später kam eine Frau mit dem Snackwagen. „Eine Kleinigkeit vom Wagen, ihr Süßen?", fragte sie. Harry, der nichts gefrühstückt hatte, sprang auf und trat hinaus in den Gang. Doch bevor er etwas sagen konnte, meinte Draco: „Lass nur, Mutter und Vater haben mir genug Geld mitgegeben, damit ich uns alles mögliche kaufen kann!"
Harry schaute ihn erstaunt an. Bei den Dursleys hatte er sich nie Süßigkeiten kaufen dürfen und es war auch nie jemand auf die Idee gekommen, sie mit ihm zu teilen. Draco, der sich nicht entscheiden konnte, was er wollte, nahm von allem etwas. So kamen die beiden Jungen vollgepackt zurück in das Abteil. Gemeinsam futterten sie sich durch alle möglichen Süßigkeiten. Von Berti Botts Bohnen hin zu Kesselkuchen und Lakritz-Zauberstäben. Es war ein gutes Gefühl, mit den vieren die unterschiedlichen Snacks zu tauschen und zu kosten. Schließlich schenkte Malfoy Harry eine Schokofroschkarte mit den Worten, ‚wenn du willst, kannst du sie haben, von der hab ich schon sechs'. Auf der Karte war ein zwinkernder, alter Mann mit silbernem Bart und violetten Umhang abgebildet. Harry hatte bereits in „Flüche und Gegenflüche" bemerkt, dass sich die Bilder in der magischen Welt bewegten. Darunter stand der Name „Albus Dumbledore". Er drehte die Karte um und las:
„Albus Dumbledore, gegenwärtig Schulleiter von Hogwarts.
Gilt bei vielen als der größte Zauberer der jüngeren Geschichte. Dumbledores Ruhm beruht vor allem auf seinem Sieg über den schwarzen Magier Grindelwald im Jahr 1945, auf die Entdeckung der zwölf Anwendungen für Drachenblut und auf seinem Werk über Alchemie, verfasst zusammen mit seinem Partner Nicholas Flamel. In seiner Freizeit hört Professor Dumbledore mit Vorliebe Kammermusik und spielt Bowling."
Er bedankte sich bei Draco und packte die Karte sorgfältig in das vorderste Fach seines Koffers. Die Landschaft, die am Fenster vorbeizog wurde immer wilder. Sie sahen nun statt kleinen Häuschen und gepflegten Feldern Wälder, verschlungene Flüsse und dunkelgrüne Hügel.
Da klopfte es an der Abteiltür und der junge mit dem runden Gesicht, der Harry bereits am Bahnhof aufgefallen war, kam herein. Als er in das Gesicht von Draco Malfoy sah, sah er aus, als würde er gleich zu weinen beginnen. „Es... es tttut mmir leid", stotterte er, „aber habbbbt ihr viellllleicht meine Kröte gesehen?"
Alle schüttelten den Kopf und er verschwand wieder. „Weiß nicht, warum er sich so aufregt. Wenn ich eine Kröte mitgebracht hätte, dann wär ich sie so schnell wie möglich losgeworden. Ich hab eine Eule. Vater und Mutter wollen, dass ich ihnen regelmäßig schreibe", meinte Draco. Harry nickte. Eine Eule hörte sich als Haustier sehr viel sinnvoller an, als eine Kröte. „Wenn wir die Kröte finden, kann ich sie dann fresssen?", zischte Kundalini.
„Du solltest nicht so verfressen sein!", lachte Harry.
„Was ist los?", fragte Daphne.
„Kundalini hat gefragt, ob sie die Kröte fressen kann, wenn wir sie finden", erklärte er und alle im Abteil lachten ausgiebig. Vincent klopfte Harry so fest auf die Schulter, dass er von seinem Sitz rutschte und sich das Klebeband auf Harrys Brille plötzlich löste, sodass eine Seite nach unten baumelte.
„Oh nein... ich sehe ohne meine Brille gar nichts!", stellte er verzweifelt fest.
„Warte kurz" sagte Daphne, die ihren Zauberstab zog, „Pistoletti hat mir gezeigt, wie ich so etwas reparieren kann." Gerade hatte sie ihren Zauberstab gehoben und wollte loslegen, als die Türe erneut aufging. Es war wieder der krötenlose Junge, doch dieses Mal begleitete ihn ein Mädchen mit buschigem Haar und langen Vorderzähnen.
„Habt ihr eine Kröte gesehen? Der Junge hier hat seine verloren", sagte sie.
„Wir haben ihm schon gesagt, dass wir nicht wissen, wo sie ist", schnarrte Draco. Doch das Mädchen hörte nicht mehr zu.
„Aha, hier wird also gezaubert, na dann lass mal sehen!", forderte sie Daphne auf. Daphne räusperte sich, mach einen kleinen Schlenker mit dem Zauberstab und murmelte: „Reparo." Wie durch Zauberhand setzte sich Harrys Brille wieder zusammen.
„Danke!", sagte Harry erstaunt und setzte sich die Brille wieder auf, die nicht nur wieder zusammengeflickt war, sondern von der auch alle Kratzer verschwunden waren. Das Mädchen mit den buschigen Haaren klatschte in die Hände und meinte: „Toll! Ich selbst habe auch ein Sprüche probiert, zum Üben und bei mir hat es auch immer geklappt. Keiner in meiner Familie ist magisch, daher war es eine große Überraschung, als der Brief aus Hogwarts kam, aber ich hab mich unglaublich darüber gefreut. Es soll die beste Schule für Hexerei und Zauberei sein, habe ich gehört. Ich hab natürlich alle unsere Zauberbücher auswendig gelernt, ich hoffe das reicht. Ich bin übrigens Hermine Granger und ihr seid?"
Das alles sprudelte in einer unglaublichen Geschwindigkeit heraus. „Ich denke nicht, dass dich das was angeht, Schlammblut", antwortete Draco kalt. Hinter ihr zerrte der krötenlose Junge an ihrem Umhang. Hermine blickte wütend in die Runde und schloss die Abteiltür. „Noch ein Grund nach Slytherin zu kommen. Solche wie DIE werden da nicht reingelassen", meinte Draco. Die anderen im Abteil nickten. Doch Harry fragte sich insgeheim, ob es reichte, dass er alle Schulbücher nur gelesen und nicht auswendig gelernt hatte, wo er doch auch unter Muggeln aufgewachsen war. Nach der ganzen Sache hatte Daphne ihre Zeitung hervorgezogen und las ein paar der Artikel, als Harry ein ganz bestimmter ins Auge fiel.
„Einbruch in Gringotts. Bisher noch kein Hinweis, wer hinter der Tat stecken könnte. Die Kobolde gehen von einer Tat schwarzer Hexen oder Zauberer aus. Manche behaupten sogar, dass es eine Tat ehemaliger Anhänger von dem-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf waren."
Er erinnerte sich an den Spruch an der Tür der Bank. „Nur jemand Wahnsinniges würde dort einbrechen", hatte Hagrid damals zu ihm gesagt. Langsam wurde ihm klar, warum alle solche Angst vor Voldemort hatten. Es war nicht nur so, dass er mächtig und grausam war. Seine Anhänger schienen auch nicht alle Tassen im Schrank zu haben. Wer würde schon riskieren, jahrelang in den Kerkern der Koboldbank eingesperrt zu werden?Schließlich zogen sich alle der Reihe nach um und bis sie in Hogwarts waren, erzählten Daphne, Draco, Vincent und Gregory von den Quidditchmannschaften, die sie mochten. Als sie aus dem Zug stiegen, brachte Hagrid alle Erstklässler über den See, wo sie zum ersten Mal in ihrem Leben vor den Toren Hogwarts standen. Selbst Draco, der sonst immer so selbstsicher war und über allem zu stehen schien, war beim Anblick des Schlosses ganz still geworden.
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Wege eines Slytherins
FantasyHarry und Draco begegnen sich an Harrys 11. Geburtstag in der Winkelgasse. Draco ist der Erste in Harrys Alter, der nett zu ihm ist. Und so ist es Draco, der Harry in die Welt der Magie einführt, anstatt von Ron Weasley. Wie ändert sich die Geschich...