Neugierig sah Harry sich um. Es war seltsam. Sirius hatte Harry in dieses alte Haus gebracht, das so gar nicht zu seiner Vorstellung von einem ehemaligen Gryffindor passen wollte. Viel eher wirkte es wie eine sehr viel dunklere, schmutzigere und verfallenere Version eines Hauses, in dem ein Malfoy leben würde.
„Was ist das für ein Haus?", fragte Harry und strich langsam mit seiner Hand über die dunkelgrünen Lehnsessel, die ihn sehr an jene in seinem Gemeinschaftsraum erinnerten. Sie waren älter und kaputter, ansonsten hätten sie dort perfekt hin gepasst.
„Das Haus meiner Eltern", sagte Sirius düster. „Mein Haus wurde nach dem Fall von Voldemort zerstört. Ich habe einen sicheren Ort gebraucht, wo ich dich habe unterbringen können. Meine Eltern... nun ja. Sie haben die stärksten Schutzzauber über dieses Haus ausgesprochen, die du dir nur vorstellen kannst." Als er das sagte, wirkte er dabei alles andere als glücklich.
„Warum sind Schutzzauber nötig?", fragte Harry erstaunt. Verwirrt sah Sirius ihn an.
„Hat Dumbledore dir nie davon erzählt? Warum du all die Jahre unter Muggeln aufwachsen musstest, obwohl es mehr als eine Zaubererfamilie gab, die bereit war, dich bei sich aufzunehmen?"
Harry spürte förmlich, wie er wütend wurde. Seine Hände begannen zu zittern und in seiner Brust brannte es. Es fühlte sich an, wie vor einem Jahr mit Tante Magda, als um ihn herum einige der Kerzen zu flackern begannen.
„Es hätte magische Familien gegeben, die mich aufgenommen hätte? Und trotzdem musste ich bei diesem Abschaum leben!?", fragte Harry erzürnt. Sirius seufzte tief, schüttelte den Kopf. Mit kratziger Stimme meinte er: „Harry, du solltest Muggel wirklich nicht als Abschaum bezeichnen. Es sind Menschen, genau wie wir."
„Ach ja? Menschen wie wir? Ich habe alles, was ich in der Hütte über meine Familie gesagt habe auch so gemeint. Ich musste bei dreckigen Muggeln aufwachsen. Ich wurde sechs Jahre lang nicht einmal mit meinem Namen angesprochen - als ich in die Schule kam, erklärten sie mir, dass mein Name nicht ‚Junge' sondern Harry sei. Sie haben mich in einen Schrank unter der Treppe gesperrt. Sie haben mich bestraft, weil ich kindliche Spontanzauber gewirkt habe. Sie haben sogar Gitter von meinem Fenster angebracht und mir Essen vorenthalten, weil mich ein Hauself besucht hat!", sagte Harry nun mit so eisiger Stimme, dass Sirius einen Schritt zurück wich. „Muggel sind Abschaum. Nichts wird mich jemals von irgendetwas anderem überzeugen. Es waren immer Zauberer oder Magie, die mich aus diesem Elend heraus geholt haben."
Eines Fenster klirrte und ein Riss bildete sich im Glas. All die Erinnerungen daran, wie schwach er sich bei den Dursleys immer gefühlt hatte, all die Machtlosigkeit stürzten mit einem Mal über ihn herein. Plötzlich und mit einem Schlag schien alles Misstrauen und jegliche Spur von Ablehnung aus Sirius' Gesicht zu weichen. Sein Blick wurde stattdessen ganz sanft. Sirius sah ihn nun mit traurig an. Dann, ohne Vorwarnung nahm er Harry in seine Arme.
„Oh Harry... es tut mir so leid. Ich hätte für dich da sein sollen. Ich hatte es deinen Eltern versprochen... sollte irgendetwas passieren, wäre ich für dich da. Ich war ja so dumm - habe mich von meinem Hass gegen Peter leiten lassen, egal was passiert."Harry wollte einfach weiter wütend sein, wollte ihn von sich wegschlagen. Doch die Umarmung, voller Wärme, löste etwas in Harry aus. Er wollte etwas sagen, wollte schreien. Beim Anblick seines Paten konnte er es einfach nicht. Es war, als ob diese Umarmung eine längst vergessene Erinnerung in Harry berührte. Langsam ließ Sirius Harry los. Beide schwiegen sich an, nur das Schnarchen eines Porträts war zu hören.
Nach einiger Zeit war es Harry, der wieder das Wort ergriff.
„Warum dachte Dumbledore, es sei eine gute Idee, mich bei Muggeln aufwachsen zu lassen?", fragte Harry mit eisiger Miene. Sirius schien mit sich zu kämpfen, als er darüber sprach.
„Du weißt, dass sich deine Mutter geopfert hat, um dein Leben zu retten?", fragte Sirius.
„Ich erinnere mich", sagte Harry kühl.
„Wie meinst du das?", fragte Sirius schockiert. Jedes Leben schien aus seinem Gesicht zu entweichen.
„Dementoren", antwortete Harry, weiterhin kalt und bemüht, keine Miene zu verziehen. Der Gedanke an die letzten Worte seiner Mutter stellten ihm dennoch eine Gänsehaut im Nacken auf. Sirius versteifte sich.
„Nun gut. Deine Mutter hat sich geopfert, um dein Leben zu retten. Weißt du, was das bedeutet?"
Harry nickte. „Dumbledore hat es mir gesagt. Ihr Opfer hat mich beschützt. Er meinte, ihre Liebe hätte mich vor dem Todesfluch bewahrt."
„Ja... das stimmt Harry. Liebe ist eine starke Magie, die die Macht hat, alles zu schaffen. Deine Mutter hat mit ihrem Tod einen starken, magischen Schutz erschaffen, der verhindert, dass du durch Voldemort Schaden nehmen kannst. Harry - Dumbledore hat diesen Zauber genützt um dein Zuhause zu schützen. Doch dazu musstest du an einen Ort sein, an dem es das Blut deiner Mutter gibt."
„Petunia und Dudley", erkannte Harry.
„Genau. Allerdings wurde der Zauber gebrochen, als du die Dursleys letzten Sommer verlassen hast. Dumbledore hat natürlich versucht, einen neuen Zauber, der dich vor Voldemort schützt, zu finden. Da habe ich ihm von diesem Haus erzählt. Er hat es mit seinen eigenen Zauber verstärkt. Es soll dir ein sicheres Zuhause sein", sagte Sirius.
„Ein sicheres Zuhause?", fragte Harry unsicher. Nie hatte er etwas wie ein sicheres Zuhause gehabt. Ja, er hatte sich bei den Greengrasses willkommen gefühlt. Und auch Hogwarts war seine Heimat - egal wie schlimm es jedes Jahr zum Ende hin geworden war. Allerdings hatte er kein wirkliches Zuhause gehabt, wo eine Familie auf ihn wartete.
Er sah den Mann vor sich an. Harry hatte ihn gefoltert. Er hatte ihn gefoltert ohne mit der Wimper zu zucken und hätte ihn sicher getötet, wenn Lupin nicht eingegriffen hätte. Er spürte immer noch keine Reue deswegen. Ginny hatte ihm klar gemacht, dass das nicht ganz normal war. Wie konnte ihm das dieser Mann einfach vergeben? Wieso wollte er noch immer seine Familie sein?
„Ja Harry - das hier wird unser Zuhause. Natürlich muss noch einiges getan werden. Der Hauself hier hat das Haus verfallen lassen, nachdem meine Mutter vor zehn Jahren gestorben ist. Aber die Küche, die Eingangshalle und zwei Schlafräume sind schon bereit. Ein paar andere Wohnräume werden die nächsten Wochen von vertrauenswürdigen Ministeriumsmitarbeitern wieder hergestellt, die restlichen Gästezimmer werden wir einfach absperren," seine Miene verfinsterte sich. „Glaub mir, du willst nicht alles wissen, was meine Eltern hier so versteckt haben."
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Wege eines Slytherins
FantasyHarry und Draco begegnen sich an Harrys 11. Geburtstag in der Winkelgasse. Draco ist der Erste in Harrys Alter, der nett zu ihm ist. Und so ist es Draco, der Harry in die Welt der Magie einführt, anstatt von Ron Weasley. Wie ändert sich die Geschich...