Kapitel 56: Das Dunkle Mal

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„Unglaublich, dass Krum den Schnatz gefangen hat, bevor sie den Ausgleich schießen konnten!", beschwerte Draco sich etwa zum hundertsten Mal, als sie am Weg zurück vom Stadion waren. Irland hatte die Weltmeisterschaft mit 10 Punkten Vorsprung gewonnen, obwohl Krum den Schnatz gefangen hatte.

„Bulgarien hatte keine Chance - Krum wollte es beenden, bevor es zu hässlich wird", sagte Harry schlicht. Ungläubig schüttelte Draco den Kopf: „Das heißt du verstehst ihn? Aber ehrlich, es hätte nur ein Tor gefehlt!"
„Draco, du bist doch ein hervorragender Jäger - sei ehrlich, du hast auch gesehen, dass Bulgarien untergeht!", meinte Harry. Draco brummte irgendetwas unverständliches vor sich hin. Nach dem Spiel schlenderten Draco und Harry zwischen den Zelten hinter dem Ehepaar Malfoy zurück zum Palastzelt, wo sie bereits von Dobby erwartet wurden. 

Vor dem Schlafengehen erlaubte ihnen Mrs. Malfoy noch ein Butterbier zu trinken, während sie mit Mr. Malfoy über die verschiedenen Spielzüge sprachen. Dann wurden sie ins Bett geschickt. Vom Gespräch im Herrenhaus der Malfoys, das die beiden Jungs belauscht hatten, wussten sie, dass es keine lange Nacht werden würde. Vor dem Zelt war der Lärm der feiernden Iren zu hören. So lagen beide mit offenen Augen in ihren Betten - Harry wusste einfach, dass Draco ebenfalls nicht schlafen konnte. Da sie sich kein Zimmer teilen, konnten sie nicht miteinander sprechen. Er fragte sich, was die Freunde von Mr. Malfoy wohl mit den Muggeln anstellen würden.
Irgendwann war er dann wohl eingenickt, denn ohne Vorwarnung hörte er Mrs. Malfoy rufen: „Draco, Harry, aufstehen! Das ist kein Scherz, raus aus den Betten!"
Harry setzte sich so rasch auf, dass kurz Sterne vor seinen Augen tanzten. Er hatte seine Robe nie ausgezogen, sogar die Brille hatte er noch auf der Nase und rannte hinunter, wo auch Draco bereits fertig angezogen stand. Mrs. Malfoy zwinkerte sie verwirrt an.
„Wir wissen es, Mutter", sagte Draco schnell, bevor sie irgendetwas sagen konnte. Dracos Mutter warf Harrys einen misstrauischen Blick zu, den Harry mit den Worten: „Es ist in Ordnung, Mrs. Malfoy, ich werde niemanden etwas sagen", beantwortete. Sie entspannte sich und deutete den beiden zum Eingang zu gehen. 
„Gut, wir haben nämlich nicht viel Zeit. Es muss wirken, als wären wir mit den anderen geflohen - denkt daran, ihr wisst nie, wer zuhört! Jetzt, raus mit euch! Lauft in den Wald", sagte Mrs. Malfoy, während sie sich eine lange, schwarze Robe über ihren Umhang zog. Kurz zögerte sie, bevor sie zu Harry meinte: „Sei vorsichtig. Niemand darf dich sehen, Harry."

Draco und Harry liefen aus dem Zelt. Im Licht der brennenden Feuer sah er Leute in den Wald rennen, offenbar auf der Flucht nach etwas, dass über das Feld auf sie zukam. Etwas, das merkwürdige Lichtblitze schleuderte und lärmte wie Gewehrfeuer. Lautes Gejohle, dröhnendes Lachen und entsetzte Schreie von Betrunkenen wehten zu ihnen herüber. Dann flammte ein starkes grünes Licht auf und erhellte das Geschehen. Er kannte diesen Zauber. Er hatte ihn schon gesehen. Es war derselbe Zauber, den Voldemort genutzt hatte, um den Muggel zu töten. Sofort erinnerte er sich wieder an das Gefühl, das ihn erfüllt hatte, als der Zauber im Traum durch seine Hand geflossen war.

Eine Gruppe von Zauberern, dicht aneinander gedrängt und mit zum Himmel gereckten Zauberstäben marschierte im Gleichschritt langsam über das Feld. Harry spähte zu ihnen hinüber - sie hatten ihre Kapuzen über die Köpfe gezogen und trugen schaurige, weiße Masken. Und dann hörte er weitere Schreie - er blickte in die Höhe und erkannte den Muggel Robertson. Er und drei andere Muggel strampelten hilflos in der Luft. Zwei davon waren kleiner, es musste seine Familie sein.
Immer mehr Zauberer schlossen sich der marschierenden Gruppe an, der Gleichschritt ihres Marsches ließ den Campingplatz erzittern. Im Licht der Zauber schimmerten unheimlich die weißen Masken der Gruppe. Harry wusste nun, warum die Anhänger von Voldemort so gefürchtet gewesen waren. Er wusste, dass er eigentlich davon angeekelt sein sollte. Das waren jene Männer und Frauen, die dem Mörder seiner Eltern gedient hatten. Allerdings hinderte irgendetwas ihn den Blick nicht abwenden - mit grotesker Faszination bestaunte Harry das Schauspiel. Er sah die Angst in den Augen der Menschen, die an ihnen vorbei liefen. In seinen Händen kribbelte es. Und plötzlich war es, als sähe er keine Menschen dort oben, sondern nur noch Vieh, das es nicht anders verdient hatte.
Er spürte förmlich die Macht, die von der Gruppe um Mr. Malfoy ausging. Mit einem Mal sagte ihm eine innere Stimme, die gar nicht wie seine eigene Klang: „Du willst das auch, du willst ebenfalls diese Macht spüren!"
Harrys Hand fuhr zu der Tasche seines Umhangs, in der er seinen Zauberstab aufbewahrte. Gerade, als er nach seinem Stab greifen wollte, wurde er von einer Hauselfe angerempelt, die aussah, als würde sie gegen eine unbekannte Macht kämpfen. Bevor er etwas sagen konnte, war die Elfe wie ins Nichts verschwunden.
Um ihn begannen die Zelte zu brennen, einige der Vermummten hatten Feuerzauber abgefeuert. Harry sah, wie die Muggel hilflos schrien und das Johlen der Vermummten immer lauter wurde. Ein roter Blitz zuckte durch die Luft und das kleinste Muggelkind begann vor Schmerzen zu heulen. Harry fühlte sich von den Blitzen angezogen. Er fragte sich, um welche Zauber es sich handelte - welche Macht sie den Zauberern wohl verliehen.

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt