Kapitel 36: Keine Gnade für Verräter

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Die Worte des Gesprächs, das er eben belauscht hatte, hallten noch in seinem Kopf hinterher. Niemand hatte ihm gesagt, wer Schuld daran war, dass sein Leben so war, wie es eben war. In ihm brodelte es. Harry hasste Black. Er hasste ihn noch mehr, als er den Dunklen Lord hasste. Der Dunkle Lord und seine Eltern standen auf unterschiedlichen Seiten in einem Krieg - sie hätten wohl ebensowenig gezögert ihren größten Feind zu töten, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten.

Black hingegen - er war ein Freund gewesen. Ein dreckiger Verräter. Eine miese Ratte.

Harry war nicht zum Abendessen gegangen. Er war sofort in seinen Schlafsaal gelaufen - hatte nach dem Album gesucht, das Hagrid ihm am Ende seines ersten Jahres geschenkt hatte. Darin befand sich auch ein Bild von der Hochzeit.
Harry sah seine Eltern, die ihm glücklich entgegen strahlten. Das gütige Lächeln seiner Mutter. Hinter ihnen, da standen drei Männer. Einer war Lupin, der zweite war klein und dicklich. Harry war sicher, dass es Peter Pettigrew war, der ein bisschen an Longbottom erinnerte. Das bedeutete, der dritte Mann war Sirius Black. 
Ob er damals schon auf der anderen Seite gestanden hatte? Hatte er damals schon den Verrat geplant? In die Kamera gelächelt, während er wusste, dass er die beiden Menschen an seiner Seite in den Tod führen würde?
Harry kochte vor Wut. Noch nie hatte er so empfunden.
„Wasss issst losss, Harry?", fragte Kundalini. „Sssoll ich jemanden beißen?"
„Nein!", sagte Harry mit zittriger Stimme. „Nein. Sirius Black gehört ganz und gar mir."

Plötzlich fielen ihm die Gespräche ein, die er mit Daphne und Draco im Sommer geführt hatte. Sie hatten ihn gewarnt, nichts Dummes zu tun. Gewarnt, dass er nichts tun sollte. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Sie hatten es die ganze Zeit gewusst.
Natürlich! Draco war selbst zur Hälfte ein Black. Sirius Black war so etwas wie sein Großcousin! Sein Vater hatte ebenfalls auf der Seite des Dunklen Lords gestanden. Wie hatte er nur so blind sein können?
Er musste mit ihnen sprechen. Sie würden sich nicht aus dieser Sache herausreden. Er rief Kundalini zu sich und setzte sich mit ihr an den Kamin. Dort wartete er solange die beiden nicht vom Abendessen zurück waren. Die anderen Slytherins schienen zu spüren, dass es besser war, sich momentan nicht mit Harry anzulegen. Keiner kam auch nur in seine Nähe, bis Draco und Daphne durch den Eingang traten.
„Ich will mit euch reden. Allein", sagte Harry, bemüht, ruhig zu bleiben. Kundalini spürte jedoch seine Wut und zuckte aufgeregt mit dem Schweif. Unsicher warfen sich seine beiden Freunde einen vielsagenden Blick zu, folgten ihm jedoch in den Schlafsaal. Gleich nachdem sie die Türe geschlossen hatten, sagte er mit möglichst neutraler Stimme: „Ihr habt es gewusst, nicht wahr? Ihr habt es gewusst und habt mir nichts gesagt"

Daphne konnte ihm nicht in die Augen sehen. Draco hingegen sah ihm mit einem sturem Ausdruck direkt ins Gesicht.
„Nein, das habe ich nicht", sagte er und holte Luft. „Weißt du was? Ich würde es wieder so machen. Er ist es nicht wert, dass du deinen Hals riskierst!"
„Und du kannst so etwas entscheiden? Du, der mit einem goldenen Löffel im Mund geboren ist? Der Vater und Mutter hat, die alles für ihn tun würden?", fragte Harry. Nun war er nicht mehr neutral, seine Stimme hatte etwas Gefährliches, das Draco zusammenzucken ließ. Er schluckte, als er sagte: „Vater hat mir erzählt, dass ihre Seite über fast drei Jahre einen Spion in den Reihen von Dumbledore hatte. Niemand wusste, wer es war, bis Black festgenommen wurde! Er ist gefährlich und ich will nicht, dass mein bester Freund stirbt, weil er meint, etwas Dummes tun zu müssen", er zögerte kurz und fügte dann noch hinzu: „Ich war es, der Daphne gesagt hat, sie darf nichts sagen. Sie hat es mir geschworen. Es war nicht ihre Idee, sondern meine alleine."
Harry machte einen bedrohlichen Schritt auf Draco zu, der ihn zurückweichen ließ.
„Du denkst also, du verstehst, was ich tun würde? Du weißt, was ich höre, wenn ich von den Dementoren angegriffen werde. Ich erlebe den Tag immer und immer wieder!"
„Aber du kannst doch nichts mehr daran ändern!", meinte Daphne blass.
„Ich kann sie rächen. Ich kann ihn leiden lassen, dafür, was er getan hat", sagte Harry.
„Was willst du damit sagen? Du willst ihn doch nicht etwa umbringen?", stotterte Daphne.
„Quatsch. Harry bringt doch niemanden um!", sagte Draco unsicher.
Harry wusste jedoch genau, was er tun wollte. Er erinnerte sich an Tante Magda und was er ihr nur durch seine Gedanken antun konnte. Nur dadurch, dass er ein klein wenig in die schwarze Magie eingetaucht war. 
„Ich will ihn nicht nur umbringen. Ich will, dass er den Moment bereut, in dem er beschlossen hat, seine besten Freunde zu verraten", hauchte Harry. Die Vorstellung wie Black machtlos unter seinem Zauber stand, war wie Balsam auf seiner zornerfüllten Seele. „Draco, dein Vater meinte, ich hätte Talent für dunkle Magie. Wollen wir doch einmal sehen, wie groß der schreckliche Sirius Black ist, wenn er jemanden gegenüber steht, der nicht davor zurückschreckt, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen."
„Du willst ihn foltern?", fragte Daphne schockiert.
„Ich will ihn foltern. Ich will zusehen, wie er jede Sekunde bereut, die er geatmet hat, seit meine Eltern tot sind. Ich will, dass er schreit, bis er keine Stimme mehr hat", sagte Harry eiskalt. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er Kundalini streichelte. „Und dann bringe ich ihn um." 
Daphne wurde blass, doch Draco stand auf und blickte ihm herausfordernd in die Augen.
„Black hat Pettigrew einfach zerfetzt! Wie willst vermeiden, dass er mit dir das Gleiche macht?"
„Ich werde dunkle Magie lernen. Von jemanden, der mehr davon versteht als Black selbst. Dein Vater - ich wette, er ist begeistert, den großen Harry Potter in dunkler Magie zu unterweisen. Ich weiß, dass er die Möglichkeit hat, zu verbergen, wenn wir in eurem Herrenhaus zaubern. Ich werde es lernen und niemand wird mich davon abhalten", sagte Harry bestimmt. Seine Freunde warfen sich besorgte Blicke zu.

Wenige Stunden später waren sie auch schon auf dem Weg zurück nach London. Draco und Daphne wagten es nicht, Harry noch einmal auf sein Vorhaben bezüglich Black anzusprechen.
Am Bahnhof wurden sie von Mr. Malfoy abgeholt, der sie ins Herrenhaus brachte.
Das Anwesen war unglaublich. Es lag in der südwest-englischen Grafschaft Wiltshire inmitten eines parkähnlichen, weiträumigen Geländes, das mit einem Springbrunnen und Pfauen vom unglaublichen Wohlstand der Familie zeugte. Harry hatte, nachdem er sein Verlies gesehen hatte, gedacht seine Familie war reich - und, keine Frage, das war sie auch. Wer die Potters jedoch als reich bezeichnete, brauchte für die Malfoys einen neuen Ausdruck.

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt