Kapitel 40: Todgesagte leben länger

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Bald stand der nächste Hogsmeade-Besuch bevor. Alles hätte wunderbar sein können, wäre da nicht Ron Weasley gewesen. Weasley machte immer wieder abfällige Bemerkungen über Ginny, wenn diese vorbei ging. Harry, Astoria und Daphne versuchten, ihre Freundin abzuschirmen, allerdings schien ihn das nur bösartiger zu machen. Seine Ratte blieb verschwunden. Es sah wirklich so aus, als hätte Mrs. Norris das hässliche Vieh gefressen. 

Als sie eines Nachmittags im Gemeinschaftsraum saßen, meinte Astoria aufmunternd: „Meintest du nicht, er hat die Ratte nie gemocht? Er hat sich doch immer beschwert, dass sie nutzlos ist!"
Ginny schluchzte: „Offensichtlich mag er diese nutzlose Ratte lieber, als seine eigene Schwester."
Astoria streichelte Ginnys Rücken und sah hilflos zu Harry und den anderen. Draco verschränkte die Arme vor der Brust und gab ein Schnauben von sich. „Jetzt hör mal, ich weiß du magst deinen Bruder, aber er ist doch nur ein eingebildeter Blutsverräter! Lass ihn einfach, er ist es nicht wert."
Offensichtlich spendeten ihr Dracos Worte keinen Trost. Ginnys Miene versteifte sich. Sie stand auf und lief zum Ausgang des Gemeinschaftsraums. Bevor sie hinausschlüpfte, drehte sie sich noch einmal um und presste hervor: „Es tut mir leid, Leute. Aber ich möchte jetzt allein sein."
„Ich werde ihr nachgehen", meinte Harry.
„Warte Harry, wir kommen auch mit!", sagte Astoria und zog Daphne hoch. 

Sie folgten Ginny, die mit Mrs. Norris am Quidditchfeld saß. Ihre Augen waren gerötet und sie hatte ihre Hände im Fell des Tieres vergraben.
„Ginny!", rief Astoria.
Ginny zuckte zusammen und sah den anderen traurig in die ratlosen Gesichter. Die drei setzten sich um ihre Freundin. Astoria streichelte sanft ihren Rücken.
„Lass dich doch nicht so fertig machen. Du weißt doch, wie das zwischen Geschwistern ist", sagte Daphne.
Ginny schluchzte. „Aber... Ron... er... er", stotterte sie.
„Behandelt dich nicht, wie du es verdienst!", stellte Harry klar. Ginny sah ihn unsicher an.
„Ich habe zwar keinen Bruder, aber mein Cousin und ich sind in einem Haus aufgewachsen. Glaub mir, wenn ich dir sage - nur weil du mit jemanden verwandt bist, heißt das nicht, dass er das Recht hat, dich zu verletzten!"
Ginny schluchzte erneut.
„Ron und ich haben uns immer gut verstanden. Nachdem die Zwillinge weg waren, waren wir die letzten beiden, die noch zuhause waren. Alle anderen hatten damals angefangen Hogwarts zu besuchten. Er... er war mein bester Freund, bis wir nach Hogwarts kamen. Wir... wir haben uns gut verstanden, bis ich entschied, nach Slytherin zu gehen", sagte sie. „Ich denke, Krätze war nur der Tropfen, der den Kessel zum Überlaufen gebracht hat."

Harry wollte, dass Ginny sich besser fühlte. Er verstand, dass sie ihre Familie über alles schätzte. Er verstand auch, dass sie es nicht unbedingt einfach hatte, als einzige ihrer Familie in Slytherin, auch oder gerade weil sich alle um sie zu sorgen schienen.
Plötzlich hatte er eine Idee. Er dachte an ihre leuchtenden Augen, wenn sie das Training der Slytherins beobachtet hatte. Daran, wie sie mit dem Schnatz gespielt hatte, den Harry ihr geschenkt hatte sowie an ihr Verständnis für das Spiel, das weit über das Interesse der meisten anderen Mädchen hinaus ging.

„Sag mal Ginny, spielst du eigentlich Quidditch?", fragte Harry.
„Was?", fragte sie verwirrt.
„Ich dachte, wir lenken dich ein bisschen ab. Also, wie siehts aus? Spielst du?", fragte er.
„Meine Brüder haben mich nie spielen lassen. Sie meinten, es wäre zu gefährlich. Aber ich habe mich seit ich neun bin immer wieder hinaus geschlichen und bin heimlich geflogen. Besonders, nachdem auch Ron in Hogwarts war. Ich vermisse es...", sagte sie.
Harrys Augen funkelten. „Dann habe ich eine Idee! Warte hier."
Harry rannte zum Schuppen, in dem die Slytherins ihre Besen aufbewahrten und holte seinen Feuerblitz. So schnell er konnte, eilte er zurück zu den Mädchen.
„Was hast du vor, Harry?", fragte Daphne verwirrt.
Harry grinste und sagte: „Hoch!"
Der Besen blieb auf der Höhe stehen, auf der er perfekt aufsteigen konnte.
„Komm her, Ginny!", sagte Harry. Ginny stand verwirrt auf. Lächelnd fragte er: „Wolltest du nicht letzte Woche den Feuerblitz ausprobieren?"
Ginny wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie bebte vor Aufregung.
„So?", fragte Ginny und kletterte vorsichtig auf den Besen.
„Sehr gut!", sagte Harry. Dann stieg er hinter Ginny auf den Besen und fasste mit seinen Armen um ihre Hüften, sodass er den Besenstil greifen konnte.
„Halt dich jetzt gut fest!", flüsterte Harry ihr ins Ohr. Mit aller Kraft stieß er sich vom Boden ab und sie schossen hoch in die Luft. Ginny lachte vor Begeisterung.
„Harry!", rief Ginny begeistert. „Das ist unglaublich!" Sie flogen eine Runde um den See. Der Wind fuhr durch Harrys Haare und Ginny rief: „Halt den Besen jetzt gut fest!"
Vorsichtig lockerte sie den Griff um den Besen und flog freihändig. Sie hob die Hände in die Luft und jubelte. Noch nie hatte Harry Ginny so unbekümmert gesehen. Es war fast, als wäre sie eine andere Person. Sie flogen über den Verbotenen Wald und drehten einige Loopings. Anschließend begaben sie sich im Sturzflug zum See. Kurz bevor sie das Wasser berührten zogen sie den Besen hoch, doch Ginny streckte ihre Hand aus, sodass Wasser zu allen Seiten spritze. Als Harry sich das Wasser aus dem Haar strich, kicherte sie übermütig.
Laut Lachend landeten sie wieder auf dem Quidditchfeld. Ginny sprang vom Besen und wirbelte mit ihren langem, rotem Haar herum. Sie hatte ein wunderbares Lächeln aufgesetzt. So gefiel ihm Ginny tausendmal besser, als wenn sie weinte. 
„Danke. Das war großartig!", sagte Ginny.
„Geht es dir wieder besser?", fragte Daphne. Harry bemerkte, dass sie irgendwie steif wirkte. Ginny nickte mit einem breiten Grinsen. Sie schlug ihre Hände um Astorias und Daphnes Schulter. „Gehen wir rein. Ich glaube, ich möchte jetzt eine Runde Zauberschach spielen. Draco ist in letzter Zeit ganz schön übermütig geworden, seit er dieses eine Mal gegen Daphne fast gewonnen hätte!", sagte Ginny mit einem übermütigen Grinsen.

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt