Kapitel 82: Legilimentik

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Mit den Ferien bekam Harry eine willkommene Ablenkung zu allem, was im letzten Schuljahr passiert war. Mr. Croaker hatte sein Versprechen wahr gemacht, er durfte am zweiten Ferientag sein Praktikum beginnen. Am Morgen seines ersten Arbeitstags stand Harry nervös vor dem Spiegel und kämmte sich sein Haar zurück. Er trug einen einfachen, dunkelgrünen Alltagsumhang, den er sich extra für das Praktikum gekauft hatte und darunter eine praktische, schwarze Arbeitshose.
„Was sagst du, kann ich so gehen?", fragte Harry Kundalini.
Die Schlange, schwarz, groß - mit über 2 Meter ausgewachsen und so dick wie ein Oberarm eines trainierten Mannes, mit glänzenden, dunklen Augen, musterte ihn genau. Sie zischelte bloß mit der Zunge und meinte nur: „Ich kenne eure Kleidungsssregeln nicht. Ssschlangen tragen nur ihre eigene Haut."
Harry brummte. Das war nicht wirklich eine Hilfe. Er richtete sich noch einmal die Haarsträhne und ging hinunter ins Erdgeschoss. Sirius trug seine dunkelrote Aurorenuniform. Als er Harry sah, warf er ihm ein stolzes Lächeln zu.
„Du siehst fast schon erwachsen aus, mein Junge. Deine Eltern wären stolz auf dich", sagte Sirius. Harrys Miene versteifte sich. Der Blick seiner Mutter am Friedhof fiel im wieder ein. Er war nicht sicher, ob seine Eltern stolz auf ihn wären. Auch Sirius hatte Anfangs daran zu knabbern, dass Harry nicht in seine Fußstapfen treten würde, sondern zu den sonderbaren Eigenbrötlern in die Mysteriumsabteilung ging.
Da Harry nicht antwortete, war es nun an Sirius, unsicher zu sein.
„Hab ich was Falsches gesagt?", fragte er. Harry schüttelte schnell den Kopf.
„Nein, ist schon gut. Können wir los?", fragte Harry schnell. Harry und Sirius öffneten die Eingangstür, traten auf die erste Stufe des Grimmauldplatz und dann legte Sirius seine Hand auf Harrys Schulter.

Plopp.

Im nächsten Moment befanden sie sich in der Empfangshalle des Ministeriums. Harry war übel. Er hasste diese Art der Fortbewegung und fragte sich, ob er sich je daran gewöhnen würde. Er wusste, dass er einen Besenflug dem Apparieren jederzeit vorziehen würde. Leider war es nun mal die schnellste Methode, sich in der magischen Welt von A nach B zu bewegen.
Das Zaubereiministerium lag unterirdisch, wie Harry wusste. Nur wenige hatten die Erlaubnis, direkt in das Ministerium zu apparieren. Sirius, als ausgebildeter Auror, gehörte zu diesen Menschen. Die anderen Menschen, besonders Besucher, waren auf den Besuchereingang angewiesen. Er führte über eine kaputte Telefonzelle in einer heruntergekommenen Ecke des Zentrums von London in die Empfangshalle, wo einige Empfangshexen die Neuankömmlinge empfingen. Die meisten Angestellten des Ministeriums erreichten ihren Arbeitsplatz allerdings durch einen Nebenraum.
Die Halle selbst sah prächtig aus mit ihrem dunklen polierten Parkettboden, und unzähligen goldenen Verzierungen und Gittern überall - Gold an der pfauenblauen Decke, an den Türumrandungen und den vielen offenen Kaminen entlang beider Seitenwände. In der Mitte der Halle befand ein Springbrunnen, dessen Wasser den Accessoires einer Gruppe goldener Figuren entsprang: Eine Hexe und ein Zauberer umgeben von einem Hauself, einem Kobold und einem Zentaur, wobei die Kreaturen alle drei den Blick trugen, mit dem Zauberer ansonsten nur von Hauselfen betrachtet wurden. Ein gut gelaunter Zauberer winkte Sirius zu und schnippte eine bronzene Münze in den Brunnen. Harry hatte gehört, dass die Münzen im Brunnen dem Zaubererkrankenhaus St. Mungo zu gute kamen. Ansonsten herrschte in der Halle ein reges Treiben. Kleine Zettel wie Papierflieger schossen durch die Halle. Eine alte Hexe beschwerte sich lauthals bei einer der Empfangshexen, dass jemand sie hereingelegt hatte und fuchtelte dabei mit einem Kessel herum, der schon bessere Zeiten gesehen hatte. Ein blasser Mann Mitte zwanzig, mit schrecklichen Narben im Gesicht, wurde von einer jungen Hexe beruhigt, die meinte, es würde ja nur einmal im Monat passieren und die restliche Zeit könne er normal einer Arbeit nachgehen und eine Familie gründen. Der Mann schrie sie an, dass sie wissen müsste, dass das mit den neuen Gesetzen nicht stimmte.
Als sie etwas weiter ins Atrium hinein gingen konnte Harry nicht anders, als zu staunen. Dieser Besuch im Ministerium war ihm eindeutig lieber als jener vor zwei Jahren, als er nur in den 10. Stock zu den Gerichtsräumen geführt worden war.

„Wir sollten dich anmelden", sagte Sirius, der sich seine Aurorenplakete bereits angesteckt hatte und deutete auf eine junge Empfangshexe, die Harry nur zu gut kannte. Sie blickte gar nicht auf, als Sirius und Harry vor den Tresen traten.
„Willkommen im Zaubereiministerium. Bitte nennen Sie Ihren Namen und Ihr Anliegen", sagte sie mit kühler Stimme.
„Hey, Penny", begrüßte Sirius die junge Hexe.
Sie blickte auf und setzte ein breites Lächeln auf.
„Sirius! Was machst du denn hier? Hast du etwa schon wieder deine Plakette verloren?", fragte sie neckend.
„Das ist einmal passiert, Penny, ein einziges Mal", sagte Sirius verteidigend. „Nein ich bin hier um unseren Harry hier, für sein Sommerpraktikum anzumelden."
Penelope Clearwater blickte zu Harry und schlug sich die Hand vor den Mund.
„Harry! Ich hätte dich kaum wieder erkannt. Du siehst so erwachsen aus. Wie geht es dir?", fragte sie.
Harry sah sie ungläubig an. Dann wurde ihm klar, dass im Ministerium wohl niemand wusste, was im Juni passiert war. Der Minister hatte klar gemacht, dass er nicht wollte, dass jemand dachte, der Dunkle Lord sei zurück. Harry zwang sich zu einem Lächeln.
„Es geht mir gut, danke", murmelte Harry.
„Wie läuft es bei dir?", fragte Sirius.
„Es regnet", stellte Penelope fest, als würde das alles erklären. Sirius machte ein finsteres Gesicht.
„Was heißt das?", fragte Harry.
Penelope deutete auf die magischen Fenster, die anders als die Decke in Hogwarts nicht das Wetter von außen widerspiegelte, sondern einen düsteren, wilden Sturm, der von regelmäßigen Blitzen durchzogen war.
„Das Wetter, das die Fenster zeigen, ändert sich mit der Stimmung, die im Ministerium herrscht. Fudge ist wütend. Wegen der Sachen, die Dumbledore und dieser Diggory-Junge erzählen", sagte Penelope verbittert. „Dieser ganze Quatsch, dass Du-weißt-schon-wer zurück ist. Ich sehe Pistoletti kaum noch, er muss dauernd Überstunden machen. Dass er jetzt mit Percy Weasley gleichgestellt ist, verbessert die Situation nicht wirklich. Weasley treibt ihn mit seiner Wichtigtuerei noch in den Wahnsinn."
Sirius und Harry versteiften ihre ganze Körperhaltung. Harry wollte nicht darüber reden. Er hatte sich vorgenommen, diesen Sommer ganz normal, wie jeder andere Schüler, der in den Ferien ein Praktikum bekommen hatte, zu verbringen. Er hatte nicht vor, wie Diggory es tat, mit dem Zaubereiminister darüber zu streiten, ob der Dunkle Lord nun zurück war oder nicht. Bisher war es ruhig und Harry hoffte, dass es noch einige Monate, wenn es nach ihm ging, einige Jahre, so bleiben würde.
„Ich denke, Harry sollte nun seine Plakette bekommen", sagte Sirius steifer als gewöhnlich.
„Natürlich!", antwortete Penelope schnell. Sie suchte nach einem Pergament, auf dem das Symbol der Mysteriumsabteilung gedruckt war und auf dem Harrys Name stand. Dann tippte sie mit dem Zauberstab auf eine kleine, runde Plakette. Auf dem kleinen Metallstück erschien die Aufschrift:

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt