Kapitel 55: Die Quidditchmeisterschaft

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Am nächsten Morgen weckte Dobby sie sehr früh. Harry tastete nach seiner Brille. Die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen und der seltsame Traum hallte noch in seinen Gedanken nach.

„Guten Morgen, meine Lieben", sagte Narzissa Malfoy, als sie in den Speisesaal kamen. Ein ausgiebiges Frühstück war bereits für sie vorbereitet, doch Harry bekam nach dem gestrigen Tag noch nichts hinunter. Es war, als würde sein Körper unter Strom stehen.
„Iss, Draco. Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit am Tag", sagte Narzissa Malfoy, die für Harrys Geschmack bereits viel zu wach und gut gelaunt war.
Dann betrat Mr. Malfoy den Speisesaal. Harry hätte vor Lachen fast in seinen Tee gespuckt. Mr. Malfoy trug ein kreischend gelbes T-Shirt und dazu eine braune Knickerbocker, die so gar nicht zu dem ansonsten so stolzen Magier passen wollte. Seine langen Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden und er sah aus, als würde er jeden, der seinen Aufzug kommentieren würde, auf der Stelle ermorden. Harry schluckte daher jeglichen Kommentar, der ihm auf der Zunge lag, hinunter. 
„Dummes Geheimhaltungsabkommen. Sie erwarten von uns, dass wir Inkognito reisen", fluchte Mr. Malfoy. Er reichte seinem Sohn ein ähnliches Outfit, wie sein eigenes. Harry prustete in seinen Tee, als er sah, dass Dracos T-Shirt eindeutig nicht für einen Jungen geschneidert war.
„Soll ich das etwa anziehen?", fragte Draco entsetzt.
„Du kannst etwas von meinen Klamotten haben", meinte Harry, der, nachdem er von Daphne erfahren hatte, dass sie auf einem Muggelcampingplatz schlafen würden, zwei alte Jeans und T-Shirts von Dudley eingepackt hatte. Nicht, dass diese sonderlich besser waren, als das, was Mr. Malfoy besorgt hatte - allerdings waren sie zumindest für einen Jungen gedacht.

„Wie du meinst", grummelte Draco, der alles andere als begeistert schien. Eine halbe Stunde später steckte Draco in einer der Jeans und Harry in der anderen.
„Diese Klamotten sind riesig. Wem gehören die?", jammerte Draco.
„Dem Killerwal auf zwei Beinen. Was glaubst du denn?", fragte Harry zynisch.
„Eww... als hätte ich noch einen Grund dafür gebraucht, diese Muggelklamotten zu hassen!", stöhnte Draco. Sein Blick wanderte noch einmal zu den Sachen, die er von seinen Eltern bekommen hatte. Er seufzte und schüttelte den Kopf, als ob er sich mit seinem Schicksal, die überdimensionalen Sachen von Dudley zu tragen, abfinden würde.
„Wie kommen wir eigentlich zur Weltmeisterschaft?", fragte Harry, als sie die Treppen nach unten gingen.
„Ich glaube nicht, dass wir apparieren. Es ist sehr schwierig, besonders, wenn man jemanden mitnimmt, der es nicht beherrscht", überlegte Draco. „Also denke ich, dass wir per Portschlüssel reisen werden."
„Was passiert denn, wenn man falsch appariert?"
„Man zersplintert. Das heißt, dass man die Hälfte von sich an dem Ort zurück lässt, an dem man startet. Sieht nicht schön aus. Deshalb muss man auch eine Prüfung ablegen - die man erst mit 17 machen darf."
Harry erschauderte, stellte sich vor, wie ein Teil von ihm in London und der andere in Schottland stand und war froh, dass ihm das nicht passiert war, als er mit Sirius nach Godrics Hollow appariert war.

„Seid ihr bereit?", fragte Narzissa Malfoy, die mittlerweile auch in einem weißen Muggelkleid mit pinken Blümchen steckte und Lucius Malfoy dafür böse Blicke zuwarf. „Wir haben einen Fußmarsch vor uns."
„Wir gehen doch nicht zu Fuß zur Weltmeisterschaft?", fragte Harry entsetzt.
„Natürlich nicht. Kein Quidditchspiel der Welt wäre es Wert, in dieser Kleidung einen stundenlangen Fußmarsch auf sich zu nehmen", antwortete Mrs. Malfoy spitz. Harry erkannte, dass es wohl besser war, Mrs. Malfoy an diesem Morgen nicht weiter zu reizen. Es war recht kühl, als sie den Hügel hinter dem Anwesen hochliefen.
„Wie schaffen sie es eigentlich, dass die Muggel davon nichts mitbekommen? Ich mein es müssen doch tausende Zauberer und Hexen dorthin kommen!", fragte Harry, während er hinter einem übel gelaunten Mr. Malfoy und einer noch schlechter gelaunten Mrs. Malfoy herlief.
„Lächerlich, wenn du mich fragst. Wir könnten diese Welt einfach übernehmen, wenn wir wollten. Aber natürlich meint das Ministerium, dass wir uns weiterhin verstecken müssten,"  Mr. Malfoy schnaubte. „Die Quidditchmeisterschaft findet in einem dreckigen Moor statt und überall mussten Muggelabwehrzauber angebracht werden. Manche, die billigere Karten haben, waren gezwungen schon zwei Wochen vorher anreisen. Und mit Muggelfahrzeugen kommen! Dass man respektablen Mitgliedern unserer Gesellschaft das antut! Einige, die es können, apparieren deshalb. Wieder andere, so wie wir, kommen mit Portschlüssel."

Schließlich erreichten sie einen abgelegenen Hügel. Nachdem sie etwa fünf Minuten in der Kälte gewartet hatten, hörten sie Stimmen aus der Ferne.
„Lucius!", rief eine Stimme, die Harry bereits in der letzten Nacht gehört hatte.
„Crabbe", sagte Mr. Malfoy zum Gruße. Mr. Crabbe kam mit Vince allein. Mr. Crabbe und Vince trugen lange, bunte T-Shirts und weite Stoffhosen, die Harry an einen Film aus den 60er Jahren erinnerte, den er vor Jahren bei den Dursleys gesehen hatte. Vince zupfte immer wieder an der Hose, die, wie Harry erkannte, wohl ebenfalls für Mädchen gedacht war.
Etwas später kam die Familie Greengrass hinterher, die in ihrer Aufmachung noch am wenigsten komisch aussahen. Beide Mädchen und Mrs. Greengrass hatten einfache Sommerkleider angezogen, Pistoletti und Mr. Greengrass Jeans und T-Shirts, wodurch sie fast als Muggelfamilie hätten durchgehen können. Wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass alle Sachen wirkten, als stammten sie aus dem letzten Jahrzehnt, hätte die Tarnung geklappt.
„Sonst noch jemand von uns, der hier in der Nähe wohnt?", fragte Gwendolyn Greengrass.
„Nein", sagte Lucius Malfoy. „Die Goyles sind schon seit einer Woche dort und die Notts apparieren."
Damit zog Mr. Greengrass einen alten Schlüssel hervor.
„Haltet euch alle fest!", sagte er. Sofort berührten sie alle den Schlüssel. Plötzlich hatte Harry das Gefühl, dass er von einem Haken an seinem Nabel nach vorne gerissen wurde. Er verlor das Gefühl unter den Beinen. Er sah, dass Draco und Daphne links und rechts von ihm flogen, sein Zeigefinger schien magnetisch an dem Schlüssel zu kleben. Dann krachte er mit den Füßen auf festen Grund. Neben ihm stolperte Daphne über ihn und sie fielen gemeinsam zu Boden. Vor ihnen landete mit einem Knall der Portschlüssel am Boden. 

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt