Kapitel 47: Zurück ins Licht

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Sirius saß zitternd in dem kleinen Boot. Es war eiskalt und er trug nur einen dünnen Umhang. Er war umgeben von zwei Auroren, die ihn böse anfunkelten. Aus seiner Nase tropfte Blut, einer der Auroren hatte 'nachgeholfen', damit er ins Boot stieg. Natürlich waren sie nicht gut auf ihn zu sprechen, er hatte sie ein Jahr lang zum Narren gehalten. Seine Knochen schmerzten von den Vorfällen in Hogwarts. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, es war wahrlich keiner seiner besseren Tage gewesen.

Sirius blickte auf, vor ihm erstreckte sich die kalte Festung Askabans. Ihre hohen Steinwände trotzten der stürmischen Nordsee bereits seit Jahrzehnten. Die eisige Salzwasser hatte ihre Steine geschliffen, sodass ein Entkommen fast unmöglich war. Einzige Anlegestelle der Insel war ein kleiner Bootssteg. Vor elf Monaten war er von eben diesem Bootssteg als Hund ins Wasser gesprungen und davon geschwommen. 

Vor weniger als zwei Stunden hatte er gedacht, dass er nun für immer frei sein würde. Er hatte mit Schniefelus und der Ratte in den Kerkern von Hogwarts gesessen und darauf gewartet, dass der Minister den wahren Schuldigen festnehmen würde, doch nun war er wieder da. Nachdem Pettigrew verschwunden war, wollte sich der Minister weigern, die Wahrheit zu sehen und ihn sofort zum Kuss der Dementoren verurteilen. Dumbledore hatte es hingegen in kürzester Zeit geschafft, eine Verhandlung anzusetzen, sodass er dieses Mal ein faires Tribunal haben würde. Dumbledore hatte ihn gerettet, zumindest vorerst. Sein Termin war als Sonderverhandlung für Samstag angesetzt, bis dahin musste er jedoch zurück nach Askaban, da „akuter Verdacht auf Fluchtgefahr" bestand.

Es war tiefe Nacht, als das kleine Boot anlegte.
„Willkommen zuhause, Black", grunzte der einzige in Askaban stationierte Auror an der Anlegestelle, als der Mann hinter ihm ihn unsanft aus dem Boot stieß. Sirius stolperte und fiel zu Boden. Der Auror der Anlegestelle, wie immer begleitet von seinem bärenhaften Patronuszauber, zog ihn an seinem Umhang hoch. „Diesmal entkommst du uns nicht, Abschaum."
Sirius setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf und meinte: „Das werden wir schon noch sehen."
Der Auror mit dem Bären-Patronus schlug ihm in die Magengrube, sodass Sirius zu Boden sank. Dann spuckte ihn der Mann an.
„Immer noch der gleiche arrogante Arsch, nicht wahr? Irgendwann treiben wir dir das schon noch aus", grinste der Auror böse. Mit einem einfachen Schwenk seines Zauberstab verpasste er Sirius einen Schweigezauber, zerrte ihn zur Festung hoch und öffnete die schweren, eisernen Gitter, die es gemeinsam mit den Zellen und den Dementoren verhindern sollten, dass Gefangene ausbrachen.

Sirius wurde zuerst einen langen Gang und dann eine enge, steile Treppe hinaufgeführt. Er sollte wohl, wie bereits beim letzten Mal, im Hochsicherheitstrankt, ganz oben, im obersten Stockwerk der Festung eingesperrt werden. Dort waren die gefährlichsten Gefangen untergebracht: die Todesser. Doch von den ehemals furchteinlösenden Todessern war nach zwölf Jahren kaum noch etwas übrig. Als der Auror die Tür zum Hochsicherheitstrakt aufschloss, schlugen Sirius Angstschreie und Wehklagen entgegen.
Er wurde an den anderen Gefangen vorbei geschleift. Er sah seine Cousine, Bellatrix Lestrange, die in einer Ecke ihrer Zelle saß und vor sich hin kicherte. Ebenfalls in dieser Zelle befanden sich Rodolphus, ihr sadistischer Ehemann mit seinem Bruder Rabastan. Rodolphus hatte den Fehler gemacht, sich schlafen zu legen während die Wächter ihre Runden drehten und jammerte nun im Dementoren-Delirium vor sich hin. Rabastan schlug wie von Sinnen immer wieder den Kopf gegen die Wand. Der Auror klopfte mit seinem Zauberstab gegen die Gitter. Rabastan reagierte nicht darauf, weshalb der Auror Funken neben dem Gesicht des Todesser gegen die Wand schlagen ließ. Rabastan zuckte zusammen, sah ängstlich in Richtung des Aurors und hörte auf damit, seinen Kopf gegen die Wand zu hämmern. Stattdessen kauerte er sich auf den Boden und wimmerte wie sein Bruder vor sich hin.
Während Sirius weitergezerrt wurde, sah er viele Gesichter, die vor zwölf Jahren die Zauberwelt in Angst und Schrecken versetzt hatten, von denen an diesen Tagen jedoch nicht mehr übrig war, als ein Häufchen jammerndes Elend.
Einige Zellen weiter, kurz vor der letzten Eisentür, die sie auf dem Weg zu Sirius' Zelle durchqueren würden, erkannte Sirius drei weitere Gesichter. In jener Zelle kauerte Augustus Rookwood, ehemaliger Spion Voldemorts in der Mysteriumsabteilung. Er kratzte mit seinen Fingernägeln auf dem harten Steinboden. Er schien das schon länger zu machen, denn seine Finger waren blutig, ebenso wie die Steine um ihn herum. Neben ihm saß Alecto Carrow auf einer einfachen Holzpritsche. Sie hatte die Beine angewinkelt und ihre Arme darum gewickelt. Sie schien mit jemanden zu sprechen, den nur sie sehen konnte.
„Nicht meine Mädchen. Nehmt mir nicht meine Mädchen", flehte sie. Ihr Gesicht war geschwollen und gerötet von Tränen. Die dritte Person in der Zelle war vollkommen stumm. Es war Mulciber, der vor vielen Jahren mit Sirius zur Schule gegangen war. Seine Haare waren ebenso lang, wie Sirius' eigene und standen verfilzt zu allen Seiten. Seine Haut hatte einen ungesunden Gelbton und spannte eng um sein knochiges Gesicht. Wie eine Salzsäule stand er an der Wand neben den Gittern. Seine Augen waren leer, als würde er nichts um sich wahrnehmen. Obwohl Sirius nur wenige Meter an ihm vorbeiging, zeigte sein Blick kein Zeichen des Erkennens. Er starrte einfach durch Sirius hindurch - er starrte ins Nichts.

Wege eines SlytherinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt