Kapitel 41

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Am nächsten Morgen, klopfte es an der Tür. Samu und Riku waren gerade fertig mit ihrem Frühstück. „Herein“, sagte Samu darauf. Frau Koskinen, die Frau vom Jugendamt, trat herein. „Die Herren Rajamaa, schön sie wohlauf zu sehen.“ Sie setzte sich zu den beiden an den Tisch. „Doktor Jokela hat mich über diese recht ungewöhnliche Situation, die hier herrscht informiert. Da sie als Adoptiveltern anerkannt wurden, steht dem Ganzen, grundsätzlich nichts im Weg, ausser die Tatsache, dass dieser Brief, nicht juristisch verfasst wurde. In einer solchen Notfallsituation auch gar nicht möglich, ich weiss.“ Frau Koskinen betrachtete die beiden, wie sie sich an den Händen haltend, ganz aufmerksam ihren Worten folgten. „Unser Land, so fortgeschritten es in manch anderen Ländern angepriesen wird, hat dennoch einige Vorschriften und lange, mühsame Wege, was solche Dinge an geht.“ - „Das heisst genau?“ In Samus Kopf, schwirrten die Worte von Frau Koskinen herum. Es klang nicht so negativ, wie er es gedacht hätte. „Das heisst, dass ich dieses Schreiben an eine juristische Stelle, die sich für solche Fälle spezialisiert hat, überreichen muss, um zu klären, ob es reicht, um ihnen das Sorgerecht zu überschreiben, damit sie offiziell die Eltern von Lenja sind.“ Rikus Hand, drückte sich, bei jedem Wort, etwas fester um die von Samu. Das klang mehr als nur gut. Vor allem, da er eigentlich mit einem Nein gerechnet hat. „Ich werde darauf drängen, dass es eilt, da die Kleine schon jetzt, eine konstante Bezugsperson braucht und sie eine Beziehung zu ihr aufbauen müssten.“ Rikus Herz hämmerte schnell und heftig in seiner Brust. „Doktor Jokela hat mir auch noch ihren Wunsch, Lenja mal zu sehen, mitgeteilt. Den werde ich ihnen gerne erfüllen.“ Nun konnte Riku seine aufgestauten Tränen nicht mehr zurück halten. Stumm, kullerten sie über seine Wangen. Samu wischte sie ihm, mit der Aussenseite seiner Finger, weg. „Da ich gerade da bin, werde ich sie begleiten, um mir anzusehen, wie sie mit diesem kleinen Wesen umgehen. Die Schwestern auf der Säuglingsstation, sind informiert darüber. Wenn dieser Besuch gut läuft, haben sie meine Erlaubnis, während sie noch hier sind, immer mal wieder nach Lenja zu sehen. Wenn sie dies möchten.“ Riku nickte heftig. Er hatte gerade keine Worte dafür. „Ich hätte da zuerst noch eine Frage.“ Riku hörte an Samus Tonlage, dass er kritisch war. „Wie sicher ist es, dass Lenja uns zugesprochen wird? Nicht, dass wir uns an sie und sie sich an uns gewöhnt. Wir die Hoffnungen hoch stecken und dann dennoch enttäuscht werden.“ Samu wusste, dass Riku das nicht so einfach verkraften würde. „Ich bin eigentlich guter Dinge. Auch im Hinblick darauf, dass solche Kinder, die man nicht einfach mit nachhause nehmen kann und alles gut ist, schlechter vermittelt werden. Ein Kind auf der Intensivstation und im Inkubator, ist für Eltern eine Horrorvorstellung. Warum sollte man sich das also freiwillig an tun? Die Tatsache, dass sie beide das alles auf sich nehmen wollen, spricht für sie.“ Frau Koskinen sprach Samu und Riku Mut zu. „Wir haben es Lara, der Mama von Lenja versprochen. Die Kleine kann ja nichts dafür, unter welch widrigen Umständen, sie zur Welt kam. Kein Kind, sollte ohne Mama sein.“ Frau Koskinen lächelte sanft, auf Rikus Worte. Sie würde dieses kleine Bündel Leben, sofort in die Hände dieser beiden Männer geben. Doch leider, hatte sie sich auch an die Vorschriften zu halten, wollte sie weiterhin einen Job haben. „Dann wollen wir die kleine Lenja besuchen?“ Rikus Augen fingen an zu strahlen, als er leicht nickte und zu Samu sah. Zum verlieben sah er aus. „Wir nehmen den Rollstuhl, Schatz. Du musst dich noch schonen.“ Allein, wie liebevoll die beiden miteinander umgingen, zeigte Frau Koskinen, dass Lenja sicher gut bei den beiden aufgehoben wäre. Sie war gespannt, wie sie sich anstellten. Wussten sie ja noch nicht, dass sie heute 'Känguruhen' durften.

„Sie müssen die Herren Rajamaa sein. Ich bin Schwester Elsa und betreue, unter anderem, die kleine Lenja, wie wir ja jetzt wissen, dass sie einen so schönen Namen bekommen hat. Sie haben ihre Sache als Geburtshelfer, sehr gut gemacht.“ Schwester Elsa, war eine kleine, rundliche Frau, etwa in den Fünfziger, mit einem freundlichen Gesichtsausdruck und einer lieblichen Stimme. „Bitte sagen sie Samu und Riku.“ - „In Ordnung. Folgen sie mir.“ Von allen Seiten piepste es und kleine Bündel Leben, lagen in ihren Brutkästen. Da sie oben nicht gedeckt waren, hörte man aus dem einen, leises Gewimmer und ein kleines, zierliches Wesen, schien gar nicht zufrieden zu sein. „Lenja ist sehr unruhig, seit sie hier ist. Was nicht sonderlich erstaunlich ist, bei einem solchen Start ins Leben und nun ohne Mama und die Stimme, die sie kennt.“ Lenja stand am Kasten angeschrieben. „Lenja hat die Stimme ihrer Mutter schon wahrgenommen?“ Schwester Elsa nickt. Das war erstaunlich, dachte Samu. Riku stand neben dem Kasten und sah völlig angetan, in diesen hinein. „Tut ihr etwas weh?“ Besorgt sah er Schwester Elsa an. „Grundsätzlich nicht. Wobei wir es nicht ganz ausschliessen können. Es ist jedoch schon für normal entwickelte Kinder, die bis zu ihrer Geburt im Mutterleib sind, eine Stresssituation, auf einmal nicht mehr in ihrer vertrauten und warmen Umgebung zu sein. Hier draussen ist es kalt, laut und hell. Alles Dinge, die Babys nicht kennen bevor sie zur Welt kommen.“ Schwester Elsa reichte Samu und Riku ein Fläschchen Desinfektionsmittel und gab ihnen zu verstehen, die Hände damit einzureiben. „Bei Frühchen, ist der Stress noch etwas grösser, da sie noch an Kabeln hängen und etliche Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen. Die Geborgenheit der Mutter fehlt ihnen zusätzlich. Bei Lenja kommt noch hinzu, dass sie niemanden hat, der sie regelmässig besucht. Sich um sie kümmert. Sie auch mal streichelt, mit ihr spricht oder 'Känguruhen', was sehr wichtig ist, für Frühchen. Wir sind zwar auch da, doch ist es nicht das Selbe, weil wir noch andere kleine Lebewesen haben, die unsere Aufmerksamkeit brauchen. Deshalb bin ich froh, sind sie beide jetzt da und möchten ein Bisschen für Lenja da sein.“ Schwester Elsa, lächelte die beiden liebevoll an. „Auch die Möglichkeit, die Kleine zu sich zu nehmen, finde ich unglaublich mutig, da diese Vorstellung für viele Horror ist.“ Riku verstand es nur teilweise. Gerade dieses kleine Wesen brauchte doch jemanden, der für sie da ist. „Sie dürfen gerne mal ihre Hand durch das Loch schieben und Lenja berühren.“ Riku machte, was ihm Schwester Elsa sagte. Ganz sanft, strich er mit seinem Zeigefinger, über das kleine Händchen. Lenja schien ruhiger zu werden. Riku legte den Finger neben Lenjas Händchen und auf einmal griff sie danach. Riku durchfuhr ein warmes Gefühl. Es war unbeschreiblich. „Sie ist eine richtige Kämpferin und für ihren Entwicklungsstand bei guter Gesundheit. Ausserdem, macht sie grosse Fortschritte, wenn man dem so sagen kann, nach drei Tagen.“ Samu stand nun hinter Riku. „Sie ist unglaublich süss. Nicht wahr?“ Samu berührte kurz Rikus Wange, mit seinen Lippen. „Was ist 'Känguruhen'?“ Nahm es Samu dann doch noch wunder.“ Schwester Elsa hatte sich schon gewundert, wann diese Frage kam. „Das ist, wenn man das Frühchen auf die nackte Haut von der Mutter oder dem Vater legt und sie so etwas mit ihrem Kind Kuscheln können. Dies ist sehr wichtig für Frühgeborene. Wenn sie möchten, können sie das heute mit Lenja machen. Es würde ihr vielleicht gut tun, damit sie etwas zur Ruhe kommen kann.“ Riku sah Schwester Elsa erstaunt und freudig zu gleich an. „Sie sehen aus, als könnten sie es kaum erwarten.“ Schwester Elsa sah Riku schmunzelnd an. „Setzen sie sich, bequem in den Sessel dort drüben und machen sie ihren Oberkörper frei.“ Samu begleitete Riku und half ihm, das Shirt aus zu ziehen, was noch ziemlich schmerzhaft war. „Sie hat es auch ziemlich erwischt, Riku. Geht es denn?“ Schwester Elsa, musterte die blauen Flecken auf Rikus Oberkörper. „Alles halb so schlimm.“ Schwester Elsa nahm dies als ja. „So, dann wollen wir doch mal sehen, wie dir das gefällt, kleine Maus.“ Schwester Elsa sprach die ganze Zeit mit Lenja, während sie sie, gefolgt von den Schläuchen, aus dem Brutkasten nahm. „Oh ja, das ist kalt, ich weiss. Gleich wird es kuschelig warm, wenn du mit Riku kuscheln darfst.“ Schwester Elsa lächelte Riku an, als sie mit Lenja auf ihn zu kam. Sie war klein, zierlich und sah so zerbrechlich aus. „Schau mal Lenja, jetzt darfst du auch endlich mal etwas Kuscheln.“ Riku konnte es nicht in Worte fassen, wie es sich anfühlte, als Schwester Elsa, die Kleine auf seine nackte Brust legte. Sie war so leicht, dass er sie kaum spürte. Ihre Haut war warm und weich. Lenjas Wimmern, hörte augenblicklich auf, als sie auf Riku lag. Schwester Elsa deckte sie beide noch zu, gab Samu einen Stuhl und zog sich mit Frau Koskinen zurück. „Darf ich ein Foto machen?“ Samu sah fragend zu Frau Koskinen. Diese lächelte nur. Sie wusste schon jetzt, dass sie dafür kämpfen würde, dass Samu und Riku dieses Baby bei sich aufnehmen durften. So etwas, wie es sich gerade vor ihren Augen abspielte, hatte sie noch selten erlebt. Mit welcher Selbstverständlichkeit, die beiden sich für dieses Baby hingaben. Samu konnte sich kaum satt sehen, an diesem Bild. Sachte strich Riku über die dunklen, flauschigen Härchen auf dem kleinen Kopf. Auf Rikus Gesicht, lag ein Ausdruck, von dem Samu nicht wusste, ob er ihn schon jemals zuvor bei ihm gesehen hatte. In genau diesem Augenblick, wusste Samu, weshalb er seinem Mann, den letzten Wunsch erfüllen wollte. „Komme her, Grosser.“ Riku streckte seine Hand nach Samu aus. „Du siehst so wunderschön aus.“ Samu küsste Rikus Schläfe und verharrte kurz so. „Fühle sie mal.“ Riku nahm Samus Hand und legte sie auf Lenjas Rücken. Der Monitor, mit dem Lenja verbunden war, zeigte an, wie sie immer ruhiger wurde. „Das ist ein wahres Phänomen.“ Schwester Elsa sass mit Frau Koskinen, unweit von den beiden. „Das kann man wohl so sagen.“ Stimmte Frau Koskinen zu. „Werden sie die Zustimmung bekommen? Lenja braucht dringend jemanden, der für sie da ist. Sie hatte einen ziemlich traumatischen Start ins Leben.“ - „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun.“ Klang Frau Koskinen davon überzeugt, dass es klappte. „Hallo kleine Lenja, wir sind es, Samu und Riku. Wir haben deiner Mama geholfen, dich zur Welt zu bringen. Leider hattest du es auf einmal ziemlich eilig. Wir werden dich, von nun an, öfters besuchen. Und ich werde alles dafür tun, dass ich dich, von nun an, mein Leben lang, beschützen kann. Wir haben es deiner Mama versprochen.“ Riku schmiegte, ganz vorsichtig, seine Wange am Köpfchen von Lenja. Als würde sie ihm darauf eine Antwort geben, kam ein leiser, undefinierbarer Laut, von ihr. „Sie scheint sich zu freuen.“ Samu lächelte und gab Riku einen Kuss. „Möchtest du auch mal? Es ist unglaublich.“ Samu sah nach Schwester Elsa Ausschau, die sofort verstand, was er wollte. Sie nahm Lenja von Rikus Brust, worauf die Kleine zu protestieren begann. „Sie trainiert fleissig ihre Lungen.“ Schmunzelte Schwester Elsa. Samu half Riku noch beim Anziehen, bevor er sich frei machte. Er musste zugeben, dass er schon ein bisschen nervös war. „Sie können nichts kaputt machen. Es ist leichter, als ihr auf die Welt zu helfen.“ Die Decke über sie beide gelegt, wurde Lenja auch schon wieder ruhiger. „Ich würde sie am liebsten behalten.“ Riku hatte seinen Kopf auf Samus Schulter abgelegt und genoss den Moment. „Ich weiss, Schatz. Aber mach dir dennoch nicht zu grosse Hoffnungen.“ Samu gab Riku einen Kuss in die Haare. Es war ein Herz erweichendes Bild.
„Ich freue mich schon, wenn sie beide, morgen wieder kommen. Und Lenja bestimmt auch.“ Schwester Elsa verabschiedete sich von den Dreien. „Ich würde mal sagen, dass sie diesen Test, mit Bravour bestanden haben. So einen liebevollen Umgang, mit einem fremden Kind, habe ich noch selten beobachtet. Meine Zustimmung haben sie. Ich werde sie, mit allem mir möglichen, unterstützen. Wenn ich zurück in meinem Büro bin, fange ich gleich damit an.“ Samu war völlig perplex von dieser Aussage. „Vielen Dank! Wir wissen das sehr zu schätzen!“ Reichte er Frau Koskinen seine Hand. Dann schob er Riku zurück ins Zimmer. Sein Süsser brauchte Ruhe. Zu dieser, kam er jedoch nicht wirklich. Diese Zeit mit Lenja, hatte Riku ziemlich aufgewühlt, weshalb er noch eine Weile, fest an Samu gekuschelt, sich seinen Tränen hin gab.

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