Kapitel 11 - Teil 1

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Mit all der Energie, die Skylas Körper in ihrem wütenden Zustand freisetzt, marschiert sie mit dem Ziel voran, das Haus der Geisterjäger so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Ihre Atem- und Pulsfrequenz ist auffällig angestiegen und obwohl Milan ihre wutverzogene Fratze vor Augen hat, lässt er sich einfach nicht abschütteln.

Stattdessen folgt ein Wort des Mitgefühls: „Ich entschuldige mich für die beiden. Justin war schon immer so kompliziert, aber ihm verdanke ich all mein Wissen. Du solltest ihn besser nicht unterschätzen. Denn so oder so, wirst du dich mit uns auseinandersetzen müssen. Also mache es dir doch bitte nicht unnötig schwer."

Wie kann dieser Idiot diesem Justin nur so dankbar sein?

Wissen hin oder her, diese Bohnenstange hat ein vorlautes Mundwerk, keinen Anstand und stinkt vor Überheblichkeit.

„Wie hältst du es mit dem Kerl eigentlich aus?", versucht Skyla ihn zu verstehen.

Milan seufzt. „Schwer zu sagen."

„Wenn du glaubst, dass ich mich mit ihm anfreunde, hast du dich geschnitten!"

Was er auch sagt, Skyla will sich einfach nicht beruhigen. Milan folgt ihr bis zum Ausbildungsbetrieb und wie sich herausstellt, ist sie viel zu früh vor Ort. Also muss sie sich am Eingang gedulden. Die Zeit nutzt Skyla mit den verzweifelten Versuchen, Milan loszuwerden. Aber der Kerl ist wie ein Weinfleck im Teppich, den man nur schwer rausbekommt.

David ist der Erste des Teams, der antanzt. Ihr Ausbilder stoppt verwundert neben Milan. „Kann ich dir helfen?"

Der Geisterjäger rückt Skyla todesmutig auf die Pelle und lächelt freundlich. „Ich habe Skyla nur hierher begleitet."

Dieses fiese Grinsen in Milans Gesicht verheißt nichts Gutes.

David betrachtet ihn verwundert und geht vom Falschen aus: „Bist du ihr Freund? Skyla hat noch nie von einem Liebhaber gesprochen."

„Das stimmt mich sehr traurig", äußert sich Milan dazu und setzt eine Oscarreife Miene auf, die Skylas Umfeld glauben lässt, wie enttäuscht er darüber ist.

„Du solltest jetzt besser verschwinden", rät Skyla ihm mit schmalen Augen.

Dabei muss sie sich verkneifen, ein Wort der Warnung aussprechen.

„Sehr ungern, meine Süße. Ich hole dich dann heute Abend ab. Wann hast du Feierabend?", versucht Milan sein Glück.

„Meist verlässt sie den Laden um Viertel nach zehn", informiert David ihn.

Es schockiert Skyla, wie leichtfertig ihr Ausbilder mit den Informationen rausrückt. Der Plan, ihm zu versichern, dass Milan nicht ihr Freund ist, vereitelt Milan gekonnt. Mit nicht mehr als einem flüchtigen Kuss. Er drückt seine warmen Lippen auf ihre, bevor er schnell für Abstand sorgt. Dabei hinterlässt diese kurze Berührung ein angenehmes Kribbeln. Aufregend wie ein Schluck Sekt oder einem Lutscher mit der Knisterbrause. Für einen kurzen Moment versinkt sie in seine wunderschönen grauen Augen. Sein Charme sollte verboten sein. Aus Selbstschutz, ihm nicht zu verfallen, schlägt sich Skyla die Hände auf die Wangen. Ihr Kopf spielt ihr eine Szene ab, wo sie mit einer Schrotflinte bewaffnet jeden dämlichen Schmetterling abknallt, der ihr Hoffnung für eine zum Scheitern verurteilte Beziehung machen möchte. Das Flattern im Bauch verschwindet tatsächlich. Bis sie aufblickt und Milan frech zwinkert. Die Flucht scheint sein Ding zu sein, denn er verschwindet eilig aus ihrem Sichtfeld.

David hingegen schließt die Tür auf und teilt ihr seine Gedanken mit: „Dein Freund scheint nett zu sein."

„Wenn du nur wüsstest!", brummt sie und begibt sich hinein.

Bevor sich das ganze Küchenpersonal überhaupt versammelt, erledigt Skyla alle nötigen Vorbereitungen. David betrachtet sie etwas überrascht, als er mit der Bestellung fertig geworden ist. Laut ihm rockt sie heute die Küche. Skylas Laune ist zwar nicht die Beste und doch ist sie froh, dass so viel Arbeit ansteht. Die Aufgaben lenken sie ab. Es bleibt keine Zeit, um auch nur einen Gedanken an heute Morgen zu verschwenden. In ihrer Pause gibt sie ihrem Kopf dazu ebenfalls keine Gelegenheit, denn sie schreibt gezielt mit Lukas.

Schnell ist Milan und sein unangenehmer Mitbewohner vergessen, solange, bis Skyla den Betrieb verlässt und sie in die Fratze des Geisterjägers blickt. Ihn gekonnt ignorieren scheint ihr die beste Option zu sein, aber da er sich an ihre Fersen heftet, melden sich Dominik und Julian.

„Dein Freund, Skyla?", hinterfragt Julian sie.

„Nein, mein Onkel!", antwortet sie pampig, bis ihr klar wird, dass diese Kerle keinen Sarkasmus verstehen.

„Wirklich? Dann ist ja gut." Dominik holt sie ein. „Warum holt dich dein Onkel ab?"

Sie weiß nicht, ob sie weinen oder lachen soll. „Ihr seid so dumm! So dumm!"

Milan kichert herzlichst. „Sei doch nicht so gemein, Skyla."

„Ja, sei doch nicht so gemein", wiederholt Dominik ihn und ist dabei, seinen Arm um sie zu legen.

Schlagartig verdüstert sich Milans Blick, er fängt ihren Kollegen ab und ohne lange zu zögern, wird Skyla näher an Milan gezogen. Der Geisterjäger drückt sie so feste an sich, dass sich die Luftnot meldet.

„Lasst die Finger von eurer Kollegin. Skyla ist meine Freundin!"

Kaum spricht Milan eisig zu Ende, drückt er bestimmend seine Lippen auf ihre.

Julian ist schockiert. „Ohha, dein Onkel? Wirklich?"

„Ihr seid mir zwei hohle Fritten! Das ist nicht ihr Onkel, sondern ihr Freund!" David kommt dazu und verscheucht die beiden. „Und jetzt ab mit euch nach Hause! Morgen früh ist viel zu tun, wir sind fast ausgebucht!"

„Ich glaube, ich habe mir etwas eingefangen", spaßt Dominik mit ihm und zwingt sich zum Husten.

„Als ob! Also bis morgen. Schönen Feierabend euch."

Ihr Ausbilder winkt ihnen noch zu, bevor er zu seinem Auto geht.

Nimm mich mit, David!

Skyla wollte schon immer einmal in seiner aufgemotzten Karre sitzen und seinen Musikgeschmack genießen. Gerade jetzt fühlt sich seine kleine Küchenfee unwohl und wünscht sich nichts Sehnlicheres, all die Idioten abzuschütteln. Während Skyla ihrem Ausbilder dabei zuschaut, wie er sich eine Zigarette zwischen die Zähne stopft und in seine schicke, schwarze Karre mit Totenkopfmotiven einsteigt, schiebt sich Julian aufdringlich ins Bild. So seufzt sie erschöpft und sieht es ein, dass David ihre stillen Rufe nicht erhört.

„Seit wann hast du einen Freund, Skyla?"

An diesem Punkt fragt sie sich, was Julian wirklich über sie denkt. Hält er sie für eine ewige Jungfer, die nur darauf wartet, zu seiner Sammlung all der gebrochenen Herzen zu werden?

Skyla zählt zwar nur einen Exfreund und eine Kusserfahrung mit einem fremden Mädchen auf einer Party ihrer Freundin. Ein Mädchen, das sich ebenfalls langweilte, aber so schön und ehrlich lächelte, dass sich Skyla bei ihr geborgen fühlte. Sie genossen eine lange Unterhaltung. Die Augen ihres Gegenübers funkelten wie Diamanten und der Duft ihres Parfüms war betörend. Der erste Kuss wird oft als eine Erfahrung abgestempelt, auf die nicht jeder stolz ist. Momente, die nicht der Vorstellung entsprechen. Skyla hingegen kann nicht klagen. Ihr Kuss schmeckte nach mehr und das Mädchen wirkte ebenfalls nicht abgeneigt. Ein Ruf und schon stand sie auf. Es sollte kein Abschied werden und doch sah Skyla ihre Prinzessin danach nie wieder. Der Griff zum Alkohol machte alles erträglicher. Nur übertrieb sie an dem Abend und war am Ende so hackedicht, dass sie die Nacht auf dem Terrassenboden geschlafen hat und den Sternen beim Funkeln zusehen konnte. Keine reife Leistung und ein eindeutiger Schandfleck ihrer Vergangenheit, dennoch steht Skyla dazu.

„Dieser Laden hat einen guten Ruf und nun sehe ich die beiden hier. Wie ist das möglich?", denkt Milan laut.

„Das ist nicht nett, du unterschätzt uns", verteidigt sich Dominik.

Skyla hat nicht die Nerven für diese Unterhaltung und winkt brummig in die Runde. „Bis morgen. Ihr kommt morgen oder ich zerre euch hierher!"

Am Ende bleckt sie warnend die Zähne, bevor sie schlängelt sich aus Milans Arm und im schnellen Tempo losläuft.

Nebenjob GeisterjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt