In dunkelster Nacht werden all die vielen Lichterquellen zur Hauptattraktion. Sie geben dem Fest ein Flair von Romantik. Kerzen, beleuchtete Lampions, bunten Lichtergirlanden und all die vielen Straßenlaternen erwecken die Stadt bei Mondschein neu zu leben. Der Wechsel vom hellen Tag bis zur späten Nacht bringt Skylas Zeitverhältnis erneut durcheinander. Es fühlt sich noch immer wie eine große Zeitlücke an. Mias Hokuspokus befördert Milan und Skyla an einen See. Hoch oben auf einem Erdwall können sie eine Hand voll Einwohner ausmachen, die sich unten an den Stegen aufhalten und unterhalten. Es liegt eine spürbare Vorfreude in der Luft. Die Leute vor Ort sind bei bester Laune. Alle wirken glücklich und unbekümmert.
Milan versetzt Skyla einen Schrecken, als er sie plötzlich von der Straße zieht. Denn der Asphalt wird heute Nacht zur Bühne. So treten die beiden Reisenden ins Gras und beobachten einen Moment lang einige Fahrzeuge mit großen und offenen Ladeflächen, wo sich festlich gekleidete Tänzer in bunten und schillernden Kostümen auf sich aufmerksam machen. Mit ihren eingeübten Tanzstücken und ihrer auffallenden Kleidung werden sie zum Blickfang und genießen den Applaus von allen Seiten.
Milan verlässt gezielt den Gehweg. Ein Blick umher und Skyla fühlt sich underdressed. Im Vergleich zu der anmutigen, traditionellen Kleidung, die von den thailändischen Frauen getragen wird, kommt sich das Medium in diesem Notfall-Outfit fehl am Platz vor. An vielen röhrenförmigen Kleidern findet Skyla einen Körperschal wieder und vor ihrem inneren Auge malt sie sich aus, ob ihr solch ein elegantes Kleidungsstück stehen würde. Um das Outfit hochwertiger wirken zu lassen, tragen viele Menschen Goldschmuck. Sollte Milan sie jemals erneut hierher entführen, möchte sie sich angemessen kleiden.
Einige Leute halten Bananenschiffe in ihren Händen. Es handelt sich dabei um die sogenannten Krathongs. Diese bestehen in der Regel aus Bananenblättern und werden mit bunten Blumen, Räucherstäbchen und einer Kerze geschmückt. So oder so springen die kleinen Schiffe ins Auge und wirken anschaulich. Skyla erinnert sich an den selbstgebastelten Krathong von ihrem thailändischen Kollegen Arum. Ein Mann mit Fingerspitzengefühl und einer unglaublichen Kreativität. Seine Teller sind von allen die am Schönsten angerichteten und auch sein Bananenschiff war traumhaft anzusehen. Ein wahres Kunstwerk. Und nun erhält Skyla die Möglichkeit, an den Festlichkeiten seiner Heimat teilzunehmen.
Die lebhafte Atmosphäre lässt das Medium grinsen, denn alle haben gute Laune. Skyla schätzt jedes ehrliche Lächeln. Es macht sie genauso freudig wie jeder glückliche Kunde vom Kräutergarten. Am Straßenrand befinden sich überall kleine Stände. Bei den Händeln suchen sie sich zwei schöne Krathongs aus und Milan erklärt ihr, dass Haare und Fingernägel dort draufgelegt werden - Symbole für alles Schlechte aus der Vergangenheit. Sobald die Kerze auf dem Schiff angezündet wird, wünscht man sich etwas fürs nächste Jahr. Dieses Fest findet immer an Vollmond statt, was sie mit einem Blick in den Himmel bestätigen kann. Um die Tradition zu würdigen, müssen Skyla und Milan das eine und andere Haar für die Sache opfern. Wenn schon, dann richtig.
An einem Uferstück sitzen die Portalreisenden im hohen Gras und behalten das Stadtleben im Auge. Dank der Laterne in ihrer Nähe kann Skyla das Bananenschiff in ihren Händen genauer betrachten, auf ihrem Krathong sind violette Blumen platziert. Die dunkelgrünen Bananenblätter sind tatsächlich wie ein Origami gefaltet. Die lange Kerze auf dem Schiff liegt im Zentrum. Der auffallende Pinkton erinnert sie an das hässliche Notizbuch, was in ihrer Tasche dank Justin ruht.
„Hast du schon einmal so ein Schiff selbst gebaut?", interessiert es Skyla.
„Ha!", dringt ein spöttischer Laut aus Mia, die sich irgendwo bei Milan versteckt.
„Basteln zählt nicht gerade zu meinen Stärken", gesteht der Geisterjäger.
Skyla lächelt, denn so hat sie ihn auch eingeschätzt. Sie nimmt das Schiff deutlicher unter die Lupe und findet sogar Heftklammern wieder. „Da wurde ein Tacker benutzt, Milan. Clever. Es sieht aufwendig aus, dennoch würde ich mich gerne an so etwas versuchen."
Und die Unterstützung ihres thailändischen Kollegen wäre ihr dabei sicher eine große Hilfe.
„Aha." Der Geisterjäger mustert sie begeistert. „Hat das Fest dich in den Bann gezogen?"
„Ich mag die traditionelle Kleidung", gesteht Skyla ihm.
So wie Milan sie mustern, stellt er sich sicherlich gerade vor, wie sie daran aussehen würde.Um Mia nicht auszuschließen, interessiert es Skyla: „Erzähl mal, Mia. Wie war dein Leben, bevor du Milan kennen gelernt hast."
„Als ob ich dir davon erzähle!"
Erst jetzt erinnert sich Skyla daran, dass das Verhältnis zu ihren Gleichgesinnten angespannt war. Daher bereut sie ihre Frage zugleich.
„Mia, sei kein Spielverderber", motiviert der Geisterjäger sie.
„Na schön! Es war öde! Zufrieden?"
„Was heißt öde? Wie war dein Tagesablauf?"
Die Free brummt laut und es folgt ein kurzes Schweigen, bevor Mia ihnen berichtet: „Naja, ich war mehr eine Kundschafterin. Mein Magiezweig ist eher selten unter uns Feen. Ich hatte nie eine starke Bindung zu den Tieren. Ich bin von keiner großen Kämpfernatur und habe auch keinen Draht zu einem der Elemente."Skyla legt das Bananenschiff vor sich ins Gras und holt freiwillig das Notizbuch hervor, um einen Eintrag über Feen anzulegen.
„Also gibt es von euch Feen wie viele Kategorien?"
Milan ist überrascht. „Wow, du nimmst dir also Justins Ratschlag wirklich zu Herzen."
„Ähm puh, also da gibt es Spione wie mich, wie gesagt die Tierpfleger, die Wächterfeen und die Minister."
„Und eure Fähigkeiten beruhen aufgrund eurer Kategorie?"
„Oh Moment, da sind noch die Elemente. Feen können sich einem Element hingezogen fühlen und damit arbeiten", fällt Mia noch ein. „Ziemlich arrogante Feen, wenn du mich fragst."
„Schön, Elementfeen." Es folgt eine Notiz ins Buch. „Kein Wunder, dass euer Garten so aussieht. Den grünen Daumen scheinst du ja nicht zu haben."
„Nur weil ich eine Fee bin, heißt das nicht, dass Blumen und Bäume sprießen, wenn meine Füße den Boden berühren!"
„Schon verstanden. Du bist eine schlampige Fee."
Milan lächelt verzweifelt und erinnert die beiden sanft: „Ihr sollt euch nicht streiten."„Wenn du eine Spionin bist, Mia, dann solltest du Milan mal dein Handwerk lehren. Er ist ein lausiger Beschatter."
Bei Milans schockierten Blick kann Skyla nicht anders, als fies zu grinsen.
„Ich weiß, ich weiß." Die Fee seufzt erschöpft. „Er trampelt wie eine Horde wildgewordener Kühe."
„Charmant, Mia", beschwert sich der Geisterjäger bei ihr.
„Ich habe noch Hoffnung, Milan", will die Fee ihn beruhigen.„Also zurück zu meiner Frage", beginnt Skyla.
„Nö! Ich habe genug gesagt! Außerdem geht es gleich los! Frag mich wieder, wenn ich gute Laune habe!"
„Also nie!", nuschelt Skyla in ihren imaginären Bart.
„Hast du was gesagt?!", brummt die Fee.
„Du hast nie gute Laune, Mia!"
„Ja, frage dich mal auch warum!"
Milan versucht mit seinem schönsten Lächeln die zwei Mädels zu beruhigen. Ohne Erfolg.
„Ist jetzt gut ihr zwei!"
Jetzt klingt er verzweifelt und fast flehend.
Genervt klappt Skyla das Tagebuch zu und steckt es zurück in die Tasche. Schließlich ist sie die Erste, die auf den Beinen steht. In der Hoffnung, keine Grasflecken auf dem Hemd zu hinterlassen, blickt Skyla zu sich hinunter. Soweit ist nichts zu sehen, hoffentlich bleibt es auch dabei. Aber schließlich ist es dunkel und das wenige Kerzenlicht reicht nicht aus, um sich hundert Prozent sicher zu sein.Die ersten Bananenboote schwimmen bereits auf dem Ufer, sodass Skyla ihre helfende Hand dem süßen Geisterjäger reicht. Aber Milan zögert und betrachtet sie mit einem verzauberten Blick. Er wirkt viel in Gedanken, sodass er nicht merkt, wie er zu starren beginnt.
„Hoch mit dir, alter Mann", ärgert sie ihn.
„Alt? Ich bin der Blüte meiner Jugend."
„Deine Jugend verwelkt."
„Hey!"
Er klingt zuerst eingeschnappt, aber sein albernes Grinsen gibt Klarheit. Gemeinsam lassen sie die Krathong ins Wasser und Skyla genießt den traumhaften Anblick, wie der See durch die all den vielen Bananenschiffen erleuchtet. Als hätten Gewässer nicht bereits eine fast magische Seite, die Seele baumeln zu lassen, legt die Beleuchtung eine Schüppe drauf. Ähnlich wie mit einem Pfau, der sein prachtvolles Federkleid präsentiert. Skyla könnte stundenlang an dem Gewässer sitzen. Ohne, dass ihr langweilig wird.
DU LIEST GERADE
Nebenjob Geisterjagd
ParanormalBand 1 "Was du siehst, das kann auch dich sehen. Die Geister werden dich auf Dauer nicht ignorieren, du wirst ihnen ein Dorn im Auge sein. Um Unschuldige nicht in Gefahr zu verwickeln, solltest du lernen, wie man gegen das Böse angeht. " "Geraten wi...