Kapitel 39 - Teil 1

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Es ist der Duft nach frischen Brötchen, der Skyla in die Küche lotst. Drei alte Freunde, die sich viel zu erzählen haben. Die gemeinsam lachen, als wäre es der glücklichste Tag in ihrem Leben. Um ein wenig weihnachtliche Stimmung zu verbreiten, hat Lukas' Vater einen knallroten Weihnachtsstern mitgebracht, der auf dem Küchentisch platziert ist. Mama Kacie hat sogar einige Kerzen aus den Tiefen der Schubladen heraus gekramt und angezündet. Die beiden Bankkaufleute sitzen in ihren edlen, maßgeschneiderten Anzügen und erst jetzt, wo die Müdigkeit abgeschüttelt ist, springt ihr Lukas' violette Samtkrawatte auf dem schwarzen Hemd ins Auge. Ihr bester Freund blickt auf, öffnet den Mund und bekommt ihn nicht mehr zu. Er beginnt zu starren, woraufhin Skyla mit ihren Augen rollt. Denn an Tagen wie diesen darf sie sich auch mal hübsch machen. Ihre Oma wird sie rügen, wenn dies nicht der Fall ist. So trägt das Medium heute ausnahmsweise ein Kleid.
Von Eleganz hat Skyla keinen blassen Schimmer – ein Zitat von ihrer Cousine Tessa.
So hat sich die Köchin bewusst dafür entschieden, das mitternachtsblaue Kleid zu tragen, das sie letztes Jahr von Tessas Familie geschenkt bekommen hat. Allein Tante Mary zuliebe, denn von ihren beiden Tanten ist sie die Gute, während Tante Corinna das Böse verkörpert.


Es ist Thomas, der sich erhebt, pfeift und näher herantritt. Skylas Augen weiten sich, als ihr Patenonkel sich ihre Hand schnappt, diese küsst und sie einmal herumwirbeln lässt, sodass sich das ärmellose Kleid bei der Drehung aufplustert. Die Pailletten beginnen im Schein des Lichtes zu funkeln.
„So hübsch wie Finn und so temperamentvoll wie Kacie", behauptet Thomas und lächelt breiter, als Kacie ihn mahnend anfunkelt, „scherz beiseite. Eure Tochter sieht traumhaft aus. Ich bereue, dass ich ihr keinen hübschen Schmuck geholt und stattdessen die Schokolade in Betracht gezogen habe."
„Du bist meine Rettung, Thomas. Ich brauche die Schokolade", gesteht Skyla mit leuchtenden Augen, „du kannst dir ja nicht vorstellen, wie anstrengend die letzten Wochen waren."
Er lächelt wissend. „Das Weihnachtsgeschäft? Sicherlich hart in deiner Branche."
„Wenn es nur das Weihnachtsgeschäft wäre." Sie atmet erschöpft aus, bis ihr klar wird, dass sich das Medium aus Gewohnheit bei ihrem Patenonkel öffnet. „Weißt du, wir haben Zuwachs in der Klasse bekommen. Ein Geschwisterpaar, die sich seltsam und streitsüchtig verhalten. Er macht sich an meine Freundin Emilie ran und sie provoziert den Streit. Emilie ist unerreichbar für mich und obwohl ich der Neuen aus dem Weg gehe, verfolgt sie mich."


Ihr Vater senkt überrascht die Zeitung. Kein Wunder, Skyla hat kein Wort bislang davon verloren. Auch ihre Mutter blickt verwundert.
Thomas folgt Skyla zum Tisch. Er überholt sie und rückt ihr den Stuhl zu Recht. Er und sein Sohn sind wahre Gentlemans.
„Weißt du, wenn man frischverliebt ist, dann blendet man gerne die Freunde und sogar die Familie aus. So übel der Kerl auch sein mag, deine Freundin sieht in ihm etwas, was du nicht siehst. Das solltest du akzeptieren und dich erst einmal für ihr Glück freuen. Emilie wird sich sicherlich schnell fangen und sehen, dass ihr jemand fehlt. Glaube mir, so war das auch mit deinen Eltern. Ich war oft Luft für die beiden. Sie waren so sehr miteinander beschäftigt, dass ich erkannt habe, es besser zu akzeptieren und auf die Gelegenheit zu warten. Nimm es Emilie nicht böse. Es wäre doch schade, wenn sie für ihr Glück diese wundervolle Freundschaft verliert."
Ihr Vater räuspert sich. „Wir haben dich doch nicht wie Luft behandelt, Thomas."
„Doch. Mehr als einmal", äußert sich Lukas' Vater trocken dazu, „aber ich habe gelernt, damit umzugehen."
„Das wollten wir aber nicht, Thomas", meldet sich Mama Kacie, „ich entschuldige mich für all die Male, wo du dich vernachlässig gefühlt hast."
„Ich bin euch nicht böse, Kacie und Finn. Stattdessen freue ich mich für euch und das größte Geschenk habt ihr mir gemacht, in dem ihr mich zu Skylas Patenonkel erwählt habt."
Am Ende strahlt der große Bankkaufmann. Ein Lächeln voller Wärme, das sie nur erwidern kann.


Ein Lächeln von kurzer Dauer, schließlich hat sie durch seinen Charme kurz vergessen, welches Thema aufgegriffen wurde.
„Aber, Thomas. Was ist, wenn ich dir sage, dass die beiden Geschwister gefährlich sind."
Die Neugier blitzt bei Thomas auf. „Definiere gefährlich, Skyla."
Ihre Mutter ist nicht dumm und kombiniert eins zu eins zusammen. „Sprichst du hier von den Leuten, die Milan Schwierigkeiten bereitet haben."
Überrascht sieht ihre Tochter zu ihr und gesteht: „Möglich. Ich bin mir noch nicht sicher."
Ihr Vater legt beunruhigt die Zeitung beiseite und seine Frage klingt voller Sorge: „Steckst du in Schwierigkeiten, Skyla?"
Dieses Gespräch hat einen seltsamen Wandel angenommen. Seine Tochter weiß zuerst keine Antwort und geht die Möglichkeiten in ihrem Kopf durch. Die Stille wirkt beunruhigend. Fast erdrückend.

„Ich habe einen Freund bei der Polizei, Skyla. Gebe mir die Namen der beiden und ich finde heraus, ob wir uns Sorgen machen sollten", fordert Thomas sie sanft auf.
Eine gutgemeinte Geste. Nur fürchtet sich Skyla davor, ihre Liebsten in Schwierigkeiten zu bringen. Also schüttelt sie den Kopf und schluckt den Kloß hinunter.
„Sicherlich irre ich mich nur."
Die besorgniserregenden Blicke, die zwischen den Erwachsenen ausgetauscht werden, sind vielsagend, woraufhin Skyla mahnend aufblickt.
„Ihr mischt euch doch nicht in die Dinge ein, die euch nichts angehen! Wenn ich Hilfe brauche, dann melde ich mich schon. Aber es wird nicht heimlich spioniert", folgt ein Wort der Warnung von ihrer Seite.

Am Ende fixieren ihre schmalen Augen ihren Vater und Thomas, denn die beiden Freunde haben sie bereits einmal blamiert. Bei dem ersten Jungen, der Interesse an ihr zeigte und sich in den Augen der beiden als kein würdiger Kandidat erwies. Skyla wurde beschattet, es lief ein Check im Hintergrund, der das Leben des armen Kerls durchleuchtet hat, und dann haben sie auch noch eingegriffen, bevor es zu einem Kuss kam. Sie hatte ihn damals wirklich gern und als alles zerstört war, bestrafte Skyla ihren Vater und ihren Patenonkel mit einem Monat Schweigen.
„Nein. Nein. Nein. Wir doch nicht", stammelt ihr Vater verdächtig.
Auch Thomas kratzt sich nervös am Hinterkopf. Woraufhin Skyla hoffnungsvoll zu ihrer Mutter aufblickt, die ihr zunickt. Ein stilles Versprechen, die beiden Kerle besser im Auge zu behalten. Auch das beschämte Seufzen von Lukas' Seite entgeht ihr nicht. Es sind Momente wie diese, wo sich der Sohn für seinen Vater schämt. Skyla hat viel Vertrauen in ihre Mutter, denn Milans Feinde spielen eine ganz andere Liga. Die Sorge um ihre Liebsten ist groß. Nun bereut sie es auch noch, sich ihrem Patenonkel geöffnet zu haben.

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