Der Nang Tani ist mit der Dunkelheit verschmolzen, aber nicht fort. Skyla hört die Dame atmen. Das Geräusch von Zweigen, die auf dem Boden knacken, lassen das Medium immer wieder aufschrecken. Skyla konzentriert sich auf ihre Atmung und versucht trotz der aussichtslosen Lage, ihren Herzschlag zu beruhigen. In dem Moment, als plötzlich rotglühende Augen zwischen den Büschen hervorblicken, ergreift sie die Panik. Etwas, was dem Geist nicht entgeht.
„Du brauchst dich nicht zu fürchten. Sie werden dir nichts tun. Nicht, solange ich über dich wache."
Die Stimme zerschneidet die Stille. Die Frau klingt jung und erheitert.
Während Skyla sich mit der Frage auseinandersetzt, ob es der Nang Tani ist, der zu ihr gesprochen hat, entstehen Funken neben ihr. Kurz darauf wird ein Lagerfeuer entfacht. Ein böses Grinsen macht sich hinter der Flamme breit. Skyla blinzelt perplex, als sie Kai auf dem Boden wiederfindet. Das Plüschding legt zwei Feuersteine beiseite und erhebt sich aus der sitzenden Position. Die Geisterfrau tritt näher heran und betrachtet das Feuer ehrfürchtig. Aber nur kurz, schließlich hält Kai plötzlich einen Verband in der Hand.
„Ihr seid verletzt, meine Schöne. Lasst mich Euch verarzten."
Die Situation könnte nicht surrealer sein, als jetzt. Ein Dämon, der die Verletzungen eines Geistes behandeln möchte. Und doch schämt sich Skyla fremd für ihren Schutzgeist. Der Bär flirtet doch tatsächlich mit dem Baumgeist. Er zwinkert ihr charmant zu und es folgt eine Schmeichelei nach der anderen.
So beobachtet Skyla aus dem Hintergrund heraus, wie Kai immer wieder versucht, ein Gespräch mit der verletzten Schönheit zu führen, während er die verwundete Schulter verbindet. Dem Nang Tani scheint die plötzliche Nähe zu dem Plüschbären nicht geheuer zu sein. Hilfesuchend blickt sie hinüber zu Skyla, die entschuldigend lächelt und tatsächlich mit den Schultern zuckt.
„Ich denke, er meint es nur gut."
Die Fremde fixiert sie mit ihrem Blick und setzt eine ernste Miene auf. „Du hattest mich gefragt, warum ich plötzlich hinter euch stand."
Skyla betrachtet sie mit offenem Mund. Der Geist hat tatsächlich zu ihr gesprochen. Sie kann sprechen und dann auch noch in ihrer Sprache. Bevor das spirituelle Wesen beleidigt ist, nickt sie hastig.
„Ja ...ähm ja. Du wirktest auf mich nicht wie jemand, der uns angreifen wollte."
Ein dunkler Schatten legt sich über das Gesicht des Geistes und lässt Skyla schlucken.
„Kennst du die Bedeutung der farbigen Bänder an den Bäumen?"
Obwohl es sich Skyla im Anschluss denken kann, schüttelt sie ihren Kopf. „Nein."
„Es bedeutet, dass ein Geist dort haust." Zornig streicht die Dame ihr langes, rabenschwarzes Haar aus dem Gesicht und betrachtet sie mit einem glühenden Blick. „Es ist mein Baum, den ihr entehren wolltet!"
Mal wieder zeigt sich, was für ein toller Geistprofi Milan doch ist.
Keine Sorge, Justin! Ich war so oft in Thailand. Ich kenne mich dort aus! – imitiert Skyla ihn in ihren Gedanken und ärgert sich über die Tatsache, dass er ihr von den Bändern nichts gesagt hat.
Neugierig beobachtet der Nang Tani, wie Skyla sich darüber ärgert und sich kurz darauf ehrlich entschuldigt: „Verzeih bitte, ich wusste davon wirklich nichts. Ich werde es mir aber fürs nächste Mal merken."
„Fürs nächste Mal?" Die Dame lächelt bitter. „Also glaubst du, ich lasse dich ungeschoren davonkommen."
Das Medium blickt beunruhigt auf. Aus Sorge, wie dieses Gespräch endet.
„Hör zu, ich will dir nicht schaden. Wirklich nicht. Ich bin ehrlich gesagt so froh, auf einen Geist zu treffen, der sich zur Abwechslung mal mit mir unterhält. Müssen wir uns wirklich die Köpfe einschlagen?"
Einen langen Moment wird Skyla nur wortlos angestarrt und das mit einem Blick, der für einen kalten Schauer sorgt. So ernst und zornig wie der Baumgeist blickt, lässt sie nicht glauben, dass die beiden friedlich auseinandergehen.
„Dalika."
Verdattert starrt sie den Nang Tani an. „Bitte was?"
Der ernste Ausdruck wird nun mit einem freundlichen Lächeln getauscht. „Dalika. Das ist mein Name."
Perplex steht Skyla herum und legt den Kopf schief, was dem Geist ein Kichern entlockt. Daraufhin räuspert sich der Dämon und stellt die beiden vor: „Welch wundervolle Name Ihr doch habt, werte Geisterlady. Dies ist meine Herrin Skyla und ich bin ihr tapferer Krieger Kai."
Dalika greift hinab und hebt den Bären auf Augenhöhe. „Naja, knuffig bist du ja schon."
„Wenn er dir zu eklig wird, dann schmeiße ihn einfach weg."
Ein ernst gemeinter Vorschlag von Skylas Seite, der von der Geisterdame nur belächelt wird.
„Was bist du, Skyla? Und warum bindest du einen Dämon an dich?"
Ein Blick zu der Armee aus gruseligen Augen, die sie anscheinend von allen Seiten umzingelt haben, hat Skyla schnell überzeugt.
„Zum Schutz gegen das Böse."
„Das Böse." So wie Dalika es wiederholt und auffällig mit der Zunge schnalzt, zeigt, wie sehr sie die Antwort missbilligt. „Ich verstehe deine Furcht. Wirklich. Aber kennst du die Geschichte jedes Einzelnen? Manche mögen dieses Schicksal verdient haben, andere hingegen sind Opfer der Gesellschaft. Nicht jedem ist ein glückliches Leben gegönnt. Was weißt du eigentlich über deinen Dämon?"
Zu wenig, da ist sich Skyla sicher. Und doch mag sie nicht mit leeren Händen dastehen. Also erzählt sie: „Er gehörte einem Kind namens Collin. Sie waren ein Herz und eine Seele. Einfach unzertrennlich."
„Und doch wurden sie voneinander getrennt. Warst du es, der Collin ihren Bären wegnahm?"
Ein säuerlicher Geschmack macht sich in Skylas Mund breit. Ihr Schweigen ist Antwort genug und ein Blick zu Kai zeigt, wie sehr der Plüschbär das Ganze genießt. Mit verschränkten Armen und einem amüsierten Grinsen steht er dort. Sein Körper bebt vor Erheiterung, als unterdrücke er ein Lachen.
„Ahha", flötet der Nang Tani, „dann sag mir, was sind die Stärken und Schwächen deines Dämons?"
„Er kann sich schrumpfen und behauptet ein Kriegerbär zu sein. Seine größte Schwäche ist offensichtlich. Er ist lüstern. Hinzukommt, dass er sich überschätzt."
Ein empörter Ausdruck macht sich auf Kais Bärengesicht breit. „Bitte was? Ich soll mich überschätzen?"
Interessant. Das andere streitet er gar nicht erst ab.
Daraus hört der Baumgeist: „Eure Bindung ist noch frisch."
„Gerade erst entstanden", bestätigt Skyla ihr.
„Setz dich ans Feuer, Skyla. Lass uns miteinander reden und stärke dich mit den süßesten Früchten von meinem Baum."
Ihr Zögern lässt Dalika wütend aufblicken.
„Oh wage es nicht, mich zu beleidigen. Du warst es, die ein friedliches Gespräch wollte. Also setze dich und iss."
Justin wird mich für solch ein törichtes Verhalten umbringen. Ich kann doch jetzt nicht einfach etwas essen, was mir ein Geist serviert. In Horrorfilmen ist das Obst meist verdorben.
Allein bei dem Gedanken, in verfaultes Fruchtfleisch zu beißen, dreht sich ihr Magen. Aber als Skyla die plötzlich wachsenden Fingernägel zu Gesicht bekommt, die sich in monströsen Klauen verwandeln, überlegt sie es sich schlagartig anders.
Okay. Aber nur ein kleiner Bissen. Wirklich nur ein ...
Es verschlägt ihr die Sprache, als sie Kai dabei beobachtet, wie er bereits die zweite Banane verschlingt und sorglos vor sich hin schmatzt. So ruft sie ihn vorwurfsvoll beim Namen, woraufhin ihr Schutzgeist sich zu ihr dreht.
„Was denn? Die sind wirklich saftig und süß."
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Nebenjob Geisterjagd
ParanormalBand 1 "Was du siehst, das kann auch dich sehen. Die Geister werden dich auf Dauer nicht ignorieren, du wirst ihnen ein Dorn im Auge sein. Um Unschuldige nicht in Gefahr zu verwickeln, solltest du lernen, wie man gegen das Böse angeht. " "Geraten wi...