Kapitel 10

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Von Unkraut verwildert. Im Fensterrahmen prangen die größten Spinnenweben, die Skyla je gesehen hat, und die Außenfassade hat die schönsten Tage hinter sich. Die Wandfarbe blättert ab und Efeu wuchert hinauf.

Ob die Adresse wirklich stimmt?

Eins steht für Skyla fest: Der Garten bräuchte dringend eine Pflege, denn die Pflanzen sind völlig ausgedorrt und das Unkraut reicht ihr bis zur Hüfte. Zu fegen würde auch nicht schaden, da ein Laubteppich den Weg zum Haus versteckt. Wer weiß, was unter den Blättern lauert. Vor einigen Jahren hatte Skyla Augenkontakt zu einer dunklen Wolfsspinne und trotz, dass sie einen hohen Bogen um das Tier machte, muss diese als blinder Passagier aufgestiegen sein. Denn gegen Abend schrie ihre Mutter das Haus zusammen und Skyla sah der Spinne erneut in die Augen. Diesmal jedoch an der Wohnwand über dem Fernseher.

Welche Ironie - der Geisterjäger wohnt auf einem Grundstück, das als Spukhaus durchgehen kann. Die Nachbarn in der gepflegten Allee tuscheln seit Skylas Ankunft fleißig. Es fühlt sich an, als befinde sie sich auf unheiligen Boden und ihre Beobachter beten innig für ihre Rückkehr. Über dieses Haus scheinen sich die Leute die Mäuler zu zerreißen.

Allein um den Blickfängen der hier wohnenden Leute zu entkommen, betätigt Skyla mürrisch die Klingel. Ein Blick hinunter und schon scannt sie ihre Hose nach irgendwelchem Krabbelzeug, das sie aus der wilden Steppe mitanschleppen könne. Zum Glück ist nichts zu sehen, aber das heißt nichts, wie ihr die Erfahrung mit der Wolfsspinne gezeigt hat.

Geduld ist eine Tugend, die bei ihr vergessen wurde. Kein Laut ist hinter der Tür zu hören. Es wirkt verlassen und nun wie ein blöder Streich auf Milans Kostens. Genervt betätigt sie die Klingel unzählige Male, bis die Tür endlich aufspringt.

Sie rechnet mit Milan, deshalb brummt sie: „Na endlich!"

Der Fremde richtet seine Brille mit einem tödlichen Blick gerade. Sein dunkles Haar reicht ihm bis zu den Schultern. Skyla schätzt ihn auf die dreißig Jahre. Der Schlabberlook, die wilde Mähne und die Tatsache, dass er barfuß läuft, lassen sie ahnen, dass sie ihn geweckt haben muss. Streng taxieren die dunkelbraunen Augen sie. Schließlich reckt die hagere Gestalt trotzig das Kinn und bleckt die Zähne.

„Es ist Samstagmorgen! Was willst du hier?"

Ungläubig holt Skyla die Visitenkarte hervor und überprüft die Adresse. Zu ihrem Pech führt zu laut Selbstgespräche: „Hat Milan sich einen Scherz mit mir erlaubt?"

„Milan!" Schlecht gelaunt verschränkt die Bohnenstange die Arme und gönnt sich einen tiefen Atemzug, bevor er sich vergewissert. „Hat er dich also hierher eingeladen?"

Offensichtlich kennt der Kerl den unverschämten Geisterjäger. Nun stellt sich die Frage, in welcher Verbindung die beiden Männer zueinanderstehen. Milan mag sich zu unreif für sein Alter verhalten, aber dennoch schätzt sie ihn jünger ein. Skyla legt den Kopf schief und nimmt sich die Zeit, nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Vielleicht sind sie Brüder. Aber nichts an ihrem Gegenüber erinnert an Milan.

Die unangenehme Stille unterbricht Mia. Zwar ist sie nirgendwo zu sehen und doch erkennt Skyla dieses freche Insekt an der Stimme wieder.

„Das ist diese Göre, die den Geist in Energie umgewandelt hat."

Ruppig greift der Kerl nach Skyla und reißt sie mit einem Ruck in die fast leere Wohnung. Dabei hoffte sie, dass die Inneneinrichtung einladender wirkt, als der erste Eindruck hergab. In diesem Fall irrte sie sich gewaltig. Hinter der Köchin knallt die Tür zu, womit sich das Gefühl, in einem Spukhaus gelandet zu sein, verstärkt. Der Gestank von billigem Filterkaffee lässt sie angewidert aufblicken. Zwischen dem Fremden und ihr besteht kaum Luft. Der Brillenträger hat sie ganz nah an sich gerissen und mustert sie abschätzend.

Nebenjob GeisterjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt