Kapitel 20 - Teil 2

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Angesteckt von der guten Stimmung rücken Skyla und Milan immer näher zusammen. Tanzend auf den Wellen der Rhythmen der Straßenkünstler unter dem riesigen Zelt des Universums entfernen sich die beiden immer mehr von den Festlichkeiten. Die Natur wird mit jedem weiteren Schritt präsenter. Die Anzahl der Bäume steigt stetig an. Etwas, was Skyla unbewusst wahrnimmt und doch wenig Interesse daran zeigt. Es ist ihre Begleitung, die sie fasziniert und heller leuchtet als die Planeten über ihnen. Es ist die starke Anziehungskraft, die dafür sorgt, dass sie die Schattenseiten der Welt vergessen. Mias Rufe stoßen bei Milan auf taube Ohren, denn sein Blick klebt unentwegt an dem Medium.

Spielerisch läuft Skyla rückwärts, ohne dabei den Blick von ihrem Gegenüber zu nehmen. Das Feuer zwischen ihnen knistert laut und wild. Kaum stößt ihr Rücken gegen einen Baum, schlägt Milan zu und stemmt seine Arme gegen die Rinde. Gefangen und nah beinander starrt das Medium ihn verzaubert an. Gebannt auf das, was folgt. Sehnsüchtig auf die Berührung seiner Lippen. Heiße Schauer suchen Skyla heim. Nach jedem weiteren Kuss noch intensiver. Hingebungsvoll lässt sie sich auf ihn ein und genießt jede noch so kleine Berührung. Sie verliert den Verstand in seiner Nähe.

Aber nur ein Wimpernschlag reicht aus, um diesen so perfekten Moment zu zerstören. Es ist der Besuch einer Frau, die still hinter ihnen steht und alles aus nächster Nähe betrachtet. Ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen wirkt sie verärgert. Ihre Haut hat einen grünlichen Schimmer. Der Wind weht spielerisch mit dem schwarzen Haar. Eine weiße Blüte, dessen fünf Blütenblätter zur Mitte in ein Zitronengelb übergehen, befindet sich über ihrem rechten Ohr und springt Skyla sofort ins Auge. Das mintgrüne Kleid liegt eng an ihrem Körper. Der Stoff ist am Ende über die Schulter geworfen und hängt ein gutes Stück wie ein Schal hinab.

Milan hat die Besucherin noch nicht bemerkt und verwöhnt ihren Hals mit federleichten Küssen. Erst, als sie ihn beim Namen nennt und ihr flehender Ton zu ihm durchdringt, blickt der Geisterjäger auf.

„Verstehen die Leute Englisch?", erkundigt sich Skyla leise. „Denn wir haben eine stille Beobachterin hinter uns."

Milan antwortet ihr nicht und blickt stattdessen an ihr vorbei. Seine Finger ergreifen eine Schicht bunter Tücher, die um den Baum gewickelt worden. Seine Züge versteifen sich und Skyla kann beobachten, wie er in seine Jackentasche greift. Ganz langsam zieht er seine Hand heraus, während einzelne Körner zwischen den Fingern hervorrieseln. Wie der Blitz dreht sich Milan um und beschmeißt ihre Zuschauerin mit dem Inhalt seiner Jackentasche. Die Fremde reagiert wie ein aggressives Tier. Ihr Schrei ist wild und voller Zorn. Ihr hübsches Gesicht wird getauscht mit einer wutverzerrten Maske. Staub wirbelt auf und lässt die Erboste verschwinden. Noch ehe Skyla fragen kann, was hier geschieht, reißt Milan sie von dem Baum fort. Sie nehmen einige Meter Abstand und er stellt sich beschützend vor Skyla.

„Was tust du da? Sie hat doch nichts getan!", wirft Skyla ihn vor den Kopf.

„Sie ist ein Geist. Ein Nang Tani. Auch genannt Bananenbaumgeist."

Justin hatte sie gewarnt und doch gab es Hoffnung. Bei der Tatsache, dass sie selbst hier auf Geister stoßen, muss Skyla kurz schlucken.

„Wäre sie böse, dann hätte sie uns doch angegriffen. Aber das hat sie nicht getan. Sie hat uns nur beobachtet."

Milan funkelt sie genervt an, bevor er sich verbittert dazu äußerst: „Es bleibt nicht einfach beim Beobachten! Ruhelose Geister sind nicht gut, Skyla! Sie werden mit der Zeit immer gefährlicher."

Die Staubwolke legt sich, woraufhin Milan die Gegend abscannt. Wie ein Wachhund blickt er sich um. Während Skyla nur den Kopf schütteln kann. Milan mag mehr Erfahrung mit Geistern vorzuweisen und doch wirkte diese Frau nicht gefährlich auf sie. Die Frage ist, ob er sich jemals die Mühe gemacht hat, sich mit einem Astralwesen zu unterhalten.

Fluchend tritt Milan zur Seite. „Sie ist weg!"

„Nein, ist sie nicht!", meldet sich Mia aus der Nähe.

Sie ist eins mit der Dunkelheit. Skyla kann das vorlaute Insekt nirgends ausmachen. Doch etwas entgeht ihr nicht und das sind die Bewegungen zwischen den Bäumen.

„Deine Fee hat Recht, der Geist nutzt die Umgebung, um sich zu tarnen."

Stirnrunzelnd dreht sich Milan um. „Verrätst du mir auch wo?"

Das Medium zögert, schließlich führt sie einen inneren Kampf mit der Entscheidung.

Verrate ich den Geist oder Milan?

Am Ende nickt sie unauffällig in die Richtung, wo sich die Schatten im Gebüsch bewegen.

Eine schnelle Wurfbewegung und Milan wirft Messer los, die nach dem schrillen Schrei zu urteilen getroffen haben. Eine Tatsache, die Skyla verwundert, schließlich lebte sie bislang mit der Vorstellung, dass Gegenstände einfach durch Geister fliegen. Ihr Freund ist schnell. Während der Baumgeist mit den Schmerzen kämpft, wird Milan sie binnen von Sekunden erreichen.

Mias skeptischer Gesichtsausdruck wird vom Mondlicht enthüllt. Die Fee ist zu sehr in ihren Gedanken und schwebt sorglos vor sich hin, statt ihrem Partner zu helfen.

Daraufhin folgt ein tadelnder Ton von Skylas Seite: „Sag mal, du hast die Ruhe weg oder? Solltest du ihn nicht unterstützen?"

Der kleine Giftzwerg blickt grimmig zu ihr rüber. „Sei doch mal still! So kann ich nicht nachdenken!"

Das Medium blinzelt sie verdattert an. „Was gibt es hier großartig zum Nachdenken?"

„Ihr Bewegungsmuster", bringt die Fee hervor und bricht plötzlich ab, um die Hand zu heben, wo sich eine kleine Menge Feenstaub bündelt.

Der glitzernde Ball wird wie ein Projektil abgefeuert und trifft die Geisterfrau in dem Moment, als sie sich auf die beiden zubewegt. Der Moment der Überraschung ist Mia gelungen, denn ihr Geschoss haut den Geist wie einen Kegel um.

„Hah! Ich wusste es doch!", tönt es freudig aus dem Munde der Fee.

Die Geräusche um Skyla werden leiser, fast kaum hörbar, als sich das Medium auf den am Boden kauernden Geist konzentriert. Sie sieht die äußerlichen Verletzungen und den panischen Ausdruck bei der Frau. Skylas Beine tragen sie unbewusst zur Verletzten und so beugt sich das Medium hinab, um der Erscheinung die helfende Hand anzubieten. Eine fremde Geste, die für Verwunderung sorgt.

„Sag mir, wolltest du uns schaden? Oder warum standst du plötzlich hinter uns?", spricht Skyla sanft zu ihr.

Sie ahnte bereits, dass der Nang Tani ihr nicht antwortet. Warum sollte sie auch? Fraglich ist, ob das spirituelle Wesen überhaupt versteht, was sie sagt. Es muss nicht mal an der Sprache scheitern, denn noch weiß Skyla zu wenig über die Arten der Geister.

Schnelle Schritte nähern sich ihnen und lassen Skyla aufblicken. Milan ruft ihr Etwas verärgert zu. Seine Worte werden von einem Lärmschutz abgefangen. Eine höhere Macht verhindert, dass die Geräuschkulisse an Skylas Ohr dringt. Skyla zuckt zusammen, als plötzlich eine kalte Hand nach ihr greift und ihr Handgelenk fest umklammert. Daraufhin schwindet Milan vor ihren Augen und der Ort verändert sich. Ein gedämpftes Rascheln lässt Skyla aufblicken. Pflanzen steigen vom Boden empor und die Kulisse beginnt, sich zu verändern. Häuser und Straßen verschwinden, während um den Geist und dem Medium ein Dschungel entsteht. Das Blattwerk über ihnen macht den Ort düsterer. Nun dringen Laute wieder an Skylas Ohr. Geräusche, auf die sie gerne verzichten mag. Es raschelt im Dickicht. Es knackt auf dem Boden. In diesem Moment ärgert sich Skyla über ihr Mitgefühl, das sie hierher gebracht hat. Fern von Milan oder der giftigen Fee. Die Einladung zum Tee stammt von finsteren Wesen. Da wäre ihr Dämon, dem sie noch immer nicht traut – trotz Schwur- und alternativ leistet der Baumgeist ihr Gesellschaft. Keine berauschenden Aussichten.

Nebenjob GeisterjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt