Kapitel 16 - Teil 4

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Es folgt eine lange Pause, denn Milan scheint mit den Erinnerungen zu kämpfen. Gespannt auf die Fortsetzung starrt Skyla ihn an und verdaut den Inhalt des Gesprächs. Mit neun Jahren war ihr Leben sorglos und von schönen Momenten geprägt. Sie mag sich nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn sie als Kind bereits all die bösen Erscheinungen zu Gesicht bekommen hätte.

„Weißt du, was ihr Kraft gegeben hat, weiterzumachen, Skyla?"

Einen langen Moment verbringt sie damit, nach einer Antwort zu suchen. Etwas, schwierig, wenn sie Nicole so gut wie gar nicht kannte.

„Ich hoffe, Nicole hatte eine Bezugsperson, die ihr Kraft gegeben hat. Jemand, der ihr noch nicht mal glauben musste, sondern ihr zur Seite stand."

Ihr schwebt Lukas sofort im Kopf. So sehr Skylas Leben auch aus dem Ruder laufen sollte, ist sie sich sicher, dass er immer zur Stelle wäre. Immer. Egal, wie kompliziert es wird.

Milan belächelt ihre Antwort. „Ihr Umfeld hatte nur wenig Verständnis für ihre Lage. Sofern deine Mitmenschen nicht direkt betroffen sind, können sie nicht verstehen, was du durchmachst. Du wirkst plötzlich sonderbar, fremd oder vielleicht krank. Die Unwissenden suchen nach möglichen Erklärungen und können sehr kreativ werden."

„Was hat ihr dann Kraft gegeben?"

„Nicole war selbstopfernd und barmherzig. Wenn das Böse von den Betroffenen abfiel, dann hat das Mädchen gelächelt, weil sie wusste, diesen Menschen wird ein gewöhnliches Leben gewährt. Für diese Leute endet der Spuk und das war für Nicole ein tröstender Gedanke."

„Ich verstehe sie irgendwie, denn mir ergeht es ähnlich. David ist so ein guter Mensch, solch einen Parasiten hat er nicht verdient. Ich bin froh, dass ich ihm helfen konnte."

Das Gefühl, das sie hierfür empfindet, würde sie als Dankbarkeit bezeichnen. Dankbar, für diese Fähigkeit, die gleichzeitig ein Fluch ist.

Milans Augen funkeln verdächtig, als kämpfe er damit, die Tränen zurückzuhalten.

„Es ist wichtig, dass wir zusammenhalten, Skyla. Ob Hexen, Geisterjäger und auch Mediums. Wir haben einander und sind geplagt von dem gleichen Schicksal. Geraten wir einmal zwischen die Fronten der zwei Welten, gibt es kein Zurück mehr. Wie bereits erwähnt, reagieren die Leute unterschiedlich auf uns."

Daraus hört Skyla: „Manche wurden wütend?"

„Wütend?" Milan belächelt das Wort, als habe sie einen schlechten Scherz gemacht. „Gewalttätig und aggressiv trifft es wohl eher. Es gibt da eine Organisation vor der wir uns alle in Acht nehmen müssen, Skyla. Auch du. Deshalb ist es wichtig, dass du nicht für viel Aufsehen mit deinen Kräften sorgst."

Sie winkelt ihre Beine an und betrachtet ihn etwas müde. Zu dieser Zeit hätte sich Skyla sonst ins Bett geschmissen. Das erklärt ihre mangelnde Konzentration. Aber diese Thematik scheint den Geisterjäger sehr zu beschäftigen. Und hier ist ihre Chance, wo er sich ihr öffnet.

„Es hat lange gedauert, bis wir jemanden gefunden haben, der uns sagen konnte, dass Nicole diese schrecklichen Dinge sieht und erlebt, weil sie nach den Geistern greift. Die Leute in ihrer Umgebung haben von ihrem sonderbaren Verhalten mitbekommen. Irgendwann fällt deine Maske und die Leute reagieren meist mit Furcht, wenn sie auf ein Medium treffen. Zwar nicht alle, aber die Meisten. Nicole wurde von den falschen Leuten als Bedrohung abgestempelt. Leute, die strategisch arbeiten. Zuerst beginnt es mit einigen Konversationen, um das Vertrauen zu gewinnen, bis dann die ersten Einschüchterungsversuche erfolgen. Selbst bei einem so jungen Mädchen haben diese Leute nicht Halt gemacht. Nicole hat gelernt die Menschen genauso zu fürchten wie die bösen Geister. Ihr wurde der Alltag erschwert und alles, was ihr lieb und teuer ist, zerstört. Als wäre dies nicht bereits genug wurden ihre Feinde gewalttätig. Ich habe Nicole verteidigt und sie versucht, zu beschützen. Aber diese Leute haben mich ausgetrickst."

Nebenjob GeisterjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt