Kapitel 19 - Teil 1

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Mit einem bitteren Geschmack des Verrats beobachtet Skyla, wie Milan das Haus verlässt. Fast sehnsüchtig wartet sie darauf, dass sich der Geisterjäger umdreht und es sich anders überlegt. Aber das tut er nicht. Ein Moment, der das Medium frustet und glauben lässt, den größten Fehler ihres Lebens gemacht zu haben, indem sie sich auf ihn einließ. Es ist Lukas, den sich Skyla in diesem Augenblick wünscht. Sie sehnt sich nach einer festen Umarmung ihres besten Freundes. Der Köchin ist nach Weinen zumute. Wäre da nicht Milans ungenießbarer Mitbewohner, der ihre Schwäche unter keinem Fall auskosten darf. Justin wartet sicher darauf, dass ihre Mauer fällt, um sie mit bissigen Kommentaren niederzumachen. Also schluckt Skyla den Kloß hinunter und konzentriert sich auf einen Crashkurs zur Selbstverteidigung gegen böse Geister.

Wie sich herausstellt, hat sich Justin von der Abschiedsszene abgewandt und kümmert sich um die Vorbereitungen. Er versetzt die Tasse auf den Aktenschrank und räumt den kleinen Tisch zur Seite, sodass sie genügend Platz für die Nahkampfübungen haben. Dabei ignoriert er immer noch Kai, der im Käfig feststeckt und darauf besteht, herausgelassen zu werden. Seelisch wappnet sich Skyla für das kommende Training. Von allen verlorenen Seelen muss es ausgerechnet Milans ungenießbarer Mitbewohner sein, der ihr weiterhelfen kann.

Statt doof rumzustehen, nähert sie sich Justin. „Kann ich dir irgendwo bei helfen?"

Der Geisterjäger dreht sich zwar um, aber schweigt. Stattdessen mustert er sie, woraufhin Skyla die Arme verschränkt und beleidigt ihre Wangen aufbläst.

„Gut, schweige mich an!", brummt sie und ignoriert Kai, der wie ein Wasserfall auf sie einspricht.

Endlich öffnet Justin seinen Mund, denn er möchte wissen: „Hast du irgendwelche Erfahrungen im Kampfsport?"

„Nun ja, ich kann Messer schmeißen und dann sehen wir mal, ob ich treffe", kommt sie ihn mit Sarkasmus.

„Es ist nicht viel, aber deine Arme sind muskulös."

Skyla blickt zu sich hinab und grübelt laut: „Nun ja, vielleicht weil ich Eischnee oder Sahne schlage."

Kaum seufzt Justin, bleckt Skyla ihre Zähne. „Entschuldige, der Herr! Ich schwinge den Kochlöffel und habe keinen Gürtel in Karate!"

Mit einem müden Nicken fordert Justin sie auf, anzugreifen. Zuerst zögert Skyla, bis sie sich daran erinnert, dass er sie getreten hätte, wenn Milan nicht dazwischen ging. In ihrem Kopf ruft sie die Lieblingskampfszenen von ihren Animehelden auf. Ein frontaler Angriff mit den Fäusten. Leider geht ihr Plan schief, denn es ist zu offensichtlich für ihr Gegenüber. Justin muss sich nicht mal großartig bewegen, um ihr auszuweichen. Er packt sich ihren Arm und hält diesen gefangen. Ein ungutes Gefühl macht sich bei ihr breit, als seine Brillengläser verdächtig aufblitzen. Eine schmale Lauchstange wie er schafft es tatsächlich ohne große Anstrengung, Skyla mit einem festen Griff über sich zu schmeißen. Es geht schnell und ähnelt einem Looping in der Achterbahn. Nur mit dem Unterschied, dass die Landung schmerzhafter ist. Skyla kann von Glück reden, dass die Räumlichkeiten zu karg eingerichtet sind. Es befindet sich nichts vor Ort, was ihr hätte gefährlich werden könne. Dennoch liegt sie auf dem Boden und sieht Sterne.

Als sich Justin über Skyla beugt und sein Blick mehr als tausend Worte seine Enttäuschung ausdrückt, melden sich zum einen der Frust und zum anderen die Neugier, woher er da alles kann.

„Sag mal, warst du Soldat?"

Er bestraft sie mit Schweigen und beäugt sie mürrisch. Solange, bis sein Geduldsfaden reißt.

„Willst du dort Wurzeln schlagen?"

„Sag mir erst, woher du das alles kannst."

Stumm reicht Justin ihr die Hand, doch Skyla bleibt stur liegen und begutachtet die magere Deckenbeleuchtung – eine einzelne Glühbirne. Trostlos und einsam.

Nebenjob GeisterjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt