Ein geheimnisvolles Geräusch lässt Skyla erwachen. Es wiederholt sich ständig und klingt zuerst fern. Doch im Sekundentakt wird es lauter, als würde es sich ihr nähern. An Wasser, das sich seinen Weg nach unten bahnt und sich am Boden zu sammeln beginnt. Das Zimmer, sowie die Einrichtung sind ihr fremd. Weit und breit suchen ihre Augen vergebens nach persönlichen Gegenständen. Die Räumlichkeit ist trist gestaltet und der Geruch von Desinfektionsmittel stark vertreten. Ihr Kopf dreht sich zur Seite, wo ein Vitaldatenmonitor vor einem marineblauen Vorhang steht. Ein Gerät zur Überwachung, das so viel Lärms verbreitet.
Auf der Suche nach einer undichten Stelle gleitet Skylas Blick über das Krankenbett durch das leere Zimmer, das einsam und verlassen wirkt. Das Nachtlicht spendet ihr ein kleines Gefühl von Sicherheit und erhellt gleichzeitig die Dunkelheit. Ähnlich wer der Mond, der draußen ungewöhnlich hell leuchtet. Ein Blick auf den Monitor verrät ihr, wie spät es ist: Vier Uhr nachts – zu früh, um aufzustehen. Das erklärt den müden Zustand und das Bedürfnis, die Augen zu schließen. Wären da nicht diese nervtötenden Klänge. Ein grauenvolles Konzert, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Skyla wach zu halten.
Einzelne Tropfen lösen sich von der Decke und treffen sie auf den Handrücken. Wenige Augenblicke später sickert noch mehr Flüssigkeit von der Decke. Die Temperatur ist angenehm warm, fast mollig. Eine Tatsache, die sie stutzig macht. Als der nächste Tropfen auf der klinisch weißen Bettdecke landet, weiten sich ihre Augen. Das rote Wasser entpuppt sich als Blut. Ihr stockt der Atem bei der Erkenntnis und ihr Herzschlag tönt in ihren Ohren. Stur starrt sie auf ihre Hände. Nicht gewillt, nach oben zu schauen. So folgen weitere Spritzer. Der Körper ist starr vor Schreck und weigert sich, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Die Kehle ist wie zugeschnürt und nicht bereit, einen Laut von sich zu geben.
Ein Windhauch streift ihr blaues Haar. Skylas Nackenhaare stellen sich augenblicklich. Der Monitor gibt verdächtige Töne von sich - präsentiert ihre Angst auf dem Silbertablett. Die Panik bringt ihre Fassade zum Bröckeln, als der Geruch von Eisen die Pfütze vor ihren Augen verrät.
Ein Schauer ergießt sich über ihren Kopf. Eine Dusche im warmen, roten Regen. Das Blut fließt in Rinnsalen über ihr Gesicht. Bis zum Kinn und tropft auf die Kleidung hinab. Aus dem Augenwinkel heraus kann Skyla beobachten, wie ein Schatten an ihrem Bett vorbeihuscht. Es handelt sich um eine Bewegung, die die Luft zirkulieren lässt und den Infusionsständer zum Wackeln bringt. Die Erinnerungen an die Tiefgarage keimen in Skyla auf. Sie erinnert sich an das Monster über der Leiche. Bewusst schaut Skyla weg. In der Hoffnung, das, was sie heimsucht, verschwindet, wenn es ignoriert wird.
Die Matratze sinkt verdächtig ein. An dem Besucher haftet eine klirrende Kälte. Ein Temperaturumschwung, der Skyla bis unter die Haut geht. Der Windzug nah an ihrer Wange reißt die Mauer ein und die Panik überrennt das Mädchen. So handeln ihre Hände und wollen ihre Augen verdecken, jedoch wird Skyla daran gehindert. Ein fester Griff und schon kann sie ihren rechten Arm nicht mehr bewegen. Spindeldürre Finger schieben sich ins Bild, dessen Haut auffällig glänzt.
Blut! Noch mehr davon!
Die Erkenntnis sorgt für eine Schnappatmung. Als habe die Person vor ihr in einer Badewanne voll Plasma gebadet wie ein Vampir. Allein die Vorstellung daran treibt ihr den Geschmack der Galle auf die Zunge. Die unnatürlichen Bewegungen auf der plastisch roten Hautschicht erinnern Skylas an Wellenbewegungen und wecken gleichzeitig ihr Misstrauen. Aufgrunddessen hebt sie ganz langsam den Kopf, während ihre Augen das fremde Wesen erfassen. Der Rhythmus ihres Herzens beschleunigt sich beim Anblick der Kreatur.
Es stellt sich heraus, dass ihr Besucher komplett überzogen ist mit Blut. Die Zähne der Patientin beginnen zu klappern, als die riesige Klaue Halt an ihrem Kinn findet und ihren Kopf sanft in Richtung des Eindringlings dreht. Die Erinnerungen an das Parkhaus kehren mit einem Schlag zurück und stocken an der Stelle, als sich genau dieses Monster über der Leiche materialisierte. Das Problem mit der instabilen Hülle scheint gelöst. Keine Partikel bröckeln mehr hinab und keine großen Löcher bilden sich auf der Struktur.
Skylas Schrei erstickt, als die Kreatur ihr den Mund zuhält. Vom Bauchnabel abwärts hat das Wesen etwas an sich, das Skyla an einem Flaschengeist erinnert. Einen trichterförmigen Abschluss wie bei einem Tornado. Aufgrund der Anatomie vom Brustkorb aufwärts erinnert das Wesen an einen Menschen. Unter der plastisch wirkenden Haut zeichnen sich Konturen von einigen Knochen ab, die Skyla allzu vertraut sind.
Dass es sich hier um einen Gesichtslosen handelt, findet die Patientin am Beunruhigtesten. Denn das Einzige, was auf dem kahlen Kopf des Monsters hervorsticht, ist der langgezogene Sichelmund. Die Kreatur rückt ihr beängstigend nahe und lässt ihr Herz immer lauter schlagen. Ihre Atmung beschleunigt sich. Gewaltsam drückt das fremdartige Wesen sie hinab auf die Matratze, wo sich Skyla mit Händen und Füßen zu wehren beginnt. Vergebens. Sie greift durch den Geist hindurch und spürt nichts außer eisige Kälte, doch auf ihren Fingern zeichnet sich der Kontakt mit frischem Blut ab. Die rote Flüssigkeit läuft ungehindert ihren Arme hinunter. Diese Erfahrung lässt sie erschaudern und ruft Ekel hervor.
Näher und näher beugt sich das Monster über sie, während ihre Sicht verschwimmen zu droht. Die Hintergrundgeräusche, die sie vom Schlafen abgehalten haben, nimmt Skyla kaum mehr wahr. So überrascht es die Köchin, dass sich plötzlich viele Köpfe über sie beugen. Es handelt sich hier um Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern. Das gesamte Personal, die sicherlich durch den piepsenden Monitor gerufen wurden. Doch nicht einer der Anwesenden bemerkt die Kreatur. Stattdessen wird Skyla vom Ärzteteam gewaltsam fixiert, mit Beruhigungsmittel zugedröhnt und durch die künstliche Beatmung mit Sauerstoff versorgt. Dabei greifen die Leute durch den Geist. Anders als Skyla bekommen sie die Kälte anscheinend nicht zu spüren und der Blutmantel hinterlässt keinerlei Spuren an ihnen. Kurz bevor der Schwindel einsetzt, blickt die Patientin mit schockgeweiteten Augen in das Antlitz der Kreatur, das nun einen knochigen Finger hebt und sich an den Mund hält. Als wolle es damit andeuten, dass diese Erfahrung ihr kleines Geheimnis bleiben soll.
Die groteske Kreatur verblasst vor ihren Augen und wenige Sekunden später schließen sich erschöpft ihre Lider. Es folgt ein täuschender Moment der Ruhe, aber Skyla ist nie allein. An ihr hat sich dieser Albtraum geheftet, der ihre friedlichen Träume zerschmettert. So erwacht sie schweißgebadet und mit panikverzerrtem Gesicht am nächsten Morgen. Der Schrecken sitzt tief in ihren Knochen. Das Monster hat sie gebrandmarkt, sich in ihren Kopf eingenistet und lässt sie den Vorfall immer wieder durchleben. Der Verfolgungswahn nagt an ihr. Denn Skyla wird das Gefühl nicht los, dass die Kreatur nicht fort ist, sondern ihr auflauert. Eine hungrige Bestie, die geduldig darauf wartet, bis sich Skyla in Sicherheit wiegt, um sie dann daran zu erinnern, dem Alptraum nie entkommen zu können.
Ein Blick in den Spiegel und zu sehen ist ihr rotgetränktes Gesicht. Das Blut des Opfers. Es ist mit Skyla verschmolzen und keine Seife der Welt hilft ihr, das fremde Plasma abzuwaschen. Sie kann es riechen. Es schmecken. Immer wieder liegt ihr der widerliche Geschmack von Eisen auf der Zunge, der sie appetitlos macht und sogar würgen lässt. Ihr Verstand spielt verrückt. Anders kann es nicht sein. Ihr Leben liegt wie ein zerbrochener Spiegel auf dem Boden. Sämtliche Dinge, die sie allein ausmachen, wie ihre forsche und zielstrebige Art, die Verbindungen zu ihren Liebsten und auch ihr Zukunftswunsch - die Lehre bei David abzuschließen und ihn vielleicht als Arbeitskollegen bezeichnen zu dürfen - verteilen sich in Bruchstücke und lassen ihre Vergangenheit belanglos werden. Die Patientin bangt darum, sich zu vergessen und in die Tiefen der Dunkelheit gezogen zu werden.
Je länger Skyla allein mit ihren Gedanken verbringt, umso mehr werden diese vergiftet. Als wäre sie in Haft, sitzt das Mädchen schweigend ihre Zeit im Krankenzimmer ab. Nach einer gefühlten Ewigkeit flattert ihr der Entlassungsbrief in die Hände. Ihr Weg in die Freiheit. Dabei war sie nur eine Nacht zur Kontrolle an diesem schrecklichen Ort und niemand konnte ihr helfen.
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Nebenjob Geisterjagd
ParanormalBand 1 "Was du siehst, das kann auch dich sehen. Die Geister werden dich auf Dauer nicht ignorieren, du wirst ihnen ein Dorn im Auge sein. Um Unschuldige nicht in Gefahr zu verwickeln, solltest du lernen, wie man gegen das Böse angeht. " "Geraten wi...