Kapitel 12 - 2. Teil

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Kaum verlässt ihre Mutter die Küche, bewirft Skyla den Geisterjäger mit einigen Papierknäulen, die sie aus seinen Briefen formt.

„Hey, ich habe mir viel Mühe gegeben", beschwert er sich grinsend bei ihr.

„Du hörst also erst auf, wenn ich mit dir auf dieses Date gehe?", fragt Skyla ihn genervt.

Milan nimmt neben ihr Platz. „Machst du mir Frühstück, Skyla?"

Sie schiebt ihren Teller zu ihm. „Da, iss meins. Ich habe keinen Hunger mehr."

Skyla bemerkt das Feuerwerk in seinen Augen. Glücklich ergreift er ihr belegtes Sandwich.

Bevor er hineinbeißt, erwähnt er flüchtig: „Wir teilen uns also dein Frühstück? Das wäre, wie ein indirekter Kuss."

Skyla erhebt sich genervt, aber es ist bereits zu spät. Er hat schon abgebissen, also setzt sie sich brummend wieder hin. Ihre Reaktion bringt ihm zum Lachen und das mit vollem Mund, schnell verschluckt der Kerl sich. Ihm bleibt etwas im Hals stecken, woraufhin Skyla ihm ein Glas organisiert und ihn frischgepressten Orangensaft einschüttet.

Kaum hat Milan einen Schluck getrunken, fragt sie ihn: „Geht es wieder?"

Statt darauf zu antworten, folgt ein Lob. „Das ist so lecker."

„Das ist nur ein Sandwich."

Nichts Besonderes in ihren Augen.

„Ich komme jetzt jeden Tag bei dir Frühstücken."

Skyla atmet genervt aus. „Nein! Schlage dir das aus dem Kopf!"

Er weiß ganz genau, wie er sie auf die Palme bringen kann.

„Das ist so gut! Ich bin das Dosenfutter und die Fertigprodukte leid."

„Dann gehe doch außerhalb von Zuhause essen", schlägt sie verzweifelt vor.

„Ich bin nur ein armer Geisterjäger. Viel springt für die Geisterjagd nie raus, Skyla."

„Wer bezahlt euch für die Geisterjagd?"

„Wenn du einen Geist einfängst und zu einer Hexe bringst, bezahlt sie dich gut. Auch die Auftraggeber oder Betroffenen zeigen sich auch gerne mal erkenntlich."

Skyla hält bereits Ausschau nach seiner kleinen, frechen Partnerin. „Wo ist deine Fee?"

Verwundert betrachtet er sie. „Ich dachte, ihr könnt euch gegenseitig nicht leiden. Sie wartet draußen."

Eine gute Entscheidung, denn Skyla ist gerade nicht in der Stimmung auch noch von dem kleinen Insekt geärgert zu werden.

„Wie lange bist du schon ein Geisterjäger?"

Wer hätte ahnen können, dass er auf diese Frage so ein trauriges Gesicht macht?

Eine ganze Weile sitzt Milan schweigend dort. Sie wollte ihn gerade ansprechen, da erhebt er sich.

„Danke für das Frühstück. Ich warte dann draußen auf dich."

Dieser seltsame Kerl ergreift tatsächlich die Flucht.

Nun ruht Skylas Blick auf das halbaufgegessene Sandwich und so beschließt sie, es ihm einzupacken. Die junge Köchin muss sich auch noch beeilen, denn sie hat die Uhr aus den Augen verloren. Auf dem Gehweg wartet Milan schweigend auf sie. Er wirkt so sehr in Gedanken versunken, dass sich hier die Chance bieten würde, einfach davon zu schleichen. Ihr gutes Herz überzeugt sie vom Gegenteil. Ihre Beine tragen sie zu ihm, sodass er die Pausenbrottüte in die Hand gedrückt bekommt. Ein flüchtiger Augenkontakt, bevor Skyla wie ein scheues Reh davon stürmt. Grund dafür ist aber ihr Pflichtbewusstsein. Es steht zu viel auf dem Spiel, um verspätet zur Arbeit zu kommen. Auch wenn Skyla ihn zu gern damit konfrontieren möchte, warum er die Flucht ergriffen hat, bleibt ihr hierfür keine Zeit. Es fällt dem Geisterjäger nun schwer, ihrem Tempo zu folgen. Am Betrieb verabschieden sie sich, diesmal weicht sie seinem Abschiedskuss aus und verschwindet hinter der Tür.

Genau richtig trifft sie in der Küche ein, denn ihr Ausbilder David wollte schon eine Vermisstenanzeige aufgeben. Schnell ist die Arbeitskleidung angelegt und der Stress geht los. Gerade am Wochenende ist der Laden ziemlich voll. Die Servicekraft Fiona sorgt jedoch mitten im Mittagsgeschäft für große Verwirrung, als sie mit einem kleinen Strauß Blumen und einer Pralinenschachtel in die Küche stolziert und diese zu Skyla bringt. Während Fiona ihr den Strauß aus Sonnenblumen, orangen Rosen und Bartnelken in eine Vase zur Seite stellt, widmet sich die Azubiene dem Zettel auf ihrer Lieblingsschokolade – weiße Edelschokolade mit Erdbeerstücken.

Okay, du hast Recht. Ich war gemein zu dir und als dein einziger Patenonkel muss ich dich auch mal zwischendurch verwöhnen. Also gönn dir die Köstlichkeit.

Übrigens: Das Essen war grandios.

Ein Gruß an die Köchin. Ich bin ganz stolz auf dich.

Grüße Thomas.

PS: Lukas bestand auf den Blumenstrauß. Du arbeitest so hart und bist für meinen Sohn immer da. Deshalb wollen wir unserem Lieblingsmensch doch auch mal zeigen, wie gern wir dich haben und wie unersetzlich du für uns bist. Bleib so wie du bist, Skyla. Denn genau so haben wir dich lieb und schätzen, dass du an einem so schönen Sonntag an deinem Traum arbeitest, eine Meisterköchin zu werden.

Skyla ist gerührt und mit Davids Erlaubnis tritt sie aus der Küche in den Gästebereich, um Lukas und seinen Vater in die Arme zu schließen. Die beiden überraschen sie immer wieder und es gibt keinen besseren Patenonkel wie Thomas. Lukas und sein Vater gehörten seit sich erinnern kann zur Familie und sind Skylas erste Anlaufstelle, wenn sie Trost sucht. Die dunkle Mähne, die Lukas so sehr hasst, kommt von der mütterlichen Seite. Würde es nach ihrem besten Freund gehen, hätte er lieber das blonde Haar seines Vaters, das Skyla gerne mit einer Löwenmähne vergleicht. Dabei könnte sich Skyla ihre bessere Hälfte nicht mit hellem Haar vorstellen, obwohl er sicherlich nicht anders aussehen würde, als eine jüngere Version von Thomas.

Als Baby hat sich Skyla immer in dem Wuschelkopf ihres Patenonkels festgekrallt und ihn nie hergegeben. Egal, wie schmerzhaft der Griff eines kleinen Kindes sein kann, hat Thomas es immer genossen. Sie ist für ihn die Tochter, die er nie hatte, so bekommt sie dies immer wieder von ihm oder ihren Eltern zu hören. Lukas' Vater passt mit seinem schicken Anzug perfekt in das Bild eines gepflegten Bankkaufmannes. Die Krawatte sitzt makellos und selbst mit den süßen Falten im Gesicht wirkt er umso symphytischer. Allein in dem Moment, wo er seine Patentochter aus der Ferne erkennt, steckt sie sein strahlendes Lächeln an. Die Umarmung ihres Patenonkels ist so herzlich, dass sie sich gar nicht lösen möchte. Auch Lukas überlegt laut, sie einfach zu entführen, während sie in seinen Armen liegt. Ein Gedanke, der ihr gefallen würde. Wenn Skyla nur könnte, dann würde sie den Tag mit den beiden verbringen. Aber es wartet Arbeit auf sie und David zählt auf seine kleine Küchenfee – wie er sie immer nennt. Also verabschiedet sich Skyla mit schweren Herzen und wird nur gehen lassen, wenn sie Thomas verspricht, bald vorbeizuschauen und mit ihm und Lukas etwas zu unternehmen.

Pünktlich zum Feierabend holt Milan sie dann ab. Diesmal hat Skyla eine Überraschung für ihn. Die Überreste, die sonst weggeschmissen werden, darf sich das Küchenpersonal mit Absprache einpacken. Die Gespräche mit dem Geisterjäger sorgten für Mitleid. Milans und Justins Jobs sind sicherlich nicht leicht zu bewerkstelligen und obwohl ihre Arbeit wichtig ist, wird kaum einer dies zu schätzen wissen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass Skyla das ändert. Es mag für sie nur eine Kleinigkeit sein und doch ist Milan von der Geste zuerst fassungslos, bis er dann unangenehm anhänglich wird. Skyla bereut ihr Handeln zwar nicht und doch vergleicht sie ihn wie ein Straßenkater, den in ihr eine Futterquelle sieht. Zum Glück wimmelt sie ihn an der Haustür ab und findet im Zimmer ein wenig Zeit zum Lesen, bevor es Schlafenszeit heißt.

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