2. Kapitel

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Die Fahrt kam mir so lang vor, dass ich mir nicht mehr sicher war, ob wir nicht im Kreis fahren würden, bis ich endlich ein kleines Licht weit entfernt von uns in der Dunkelheit war nahm.

Aufgeregt rutsche ich auf meinem Sitz herum und drückte meinen Rucksack fest an meine Brust. Im Augenwinkel bemerkte ich, dass Rudi mich zu beobachten schien, aber ich fixierte meinen Blick starr auf das Licht, aus Angst, es könnte einfach wieder verschwinden und nichts als das schwarz aus meinen Träumen zurück lassen.

"So fast geschafft.", meinte Rudi und fuhr über eine kleine beleuchtete Holzbrücke unter der ein Bach entlang floss und bog dann rechts ab.

Ich staunte nicht schlecht als ich die vielen Menschen auf den engen Straßen sah die allesamt neugierig ins Auto schauten und dann hinter vorgehaltenen Händen tuschelten.

"Wir sehen hier so gut wie nie neue Gesichter.", wandt Rudi sich kurz zu mir und sah dann wieder vor sich auf die Strasse. Mir kam das alles wirklich seltsam vor, aber was hatte ich auch anderes erwartet von einem Ort am Ende der Welt.

Statt weiter in die Gesichter der Männer und Frauen zu starren, schaute ich mir die Umgebung genauer an und wo wir auf einer Seite nur von Bäumen umgeben waren, befanden sich zu meiner linken mehrere Kneipen und Häuser. Die engen Strassen waren durch die Laternen gut beleuchtet, doch mein Blick fiel auf das Haus, dass am hellsten beleuchtet schien.

》Wialtrama《
Diese Aufschrift leuchtete in bunten Farben über der schwarzen Doppeltür und was immer das für ein Laden war, er schien sehr gut zu laufen und beliebt zu sein, selbst um 2 Uhr nachts.

Nachdem wir dann erneut um eine Ecke bogen, fuhren wir in eine Sackgasse in der sich mehrere kleine gemütliche Häuser befanden. Eins davon war sicher das meiner Oma und als hätte ich es geahnt, stand sie auch schon vor dem hintersten Haus und fuchtelte aufgeregt mit den Armen.

Ehe das Auto richtig stand, warf ich meinen Rucksack vor mir auf den Boden und sprang aus dem Auto, um direkt in die Arme dieser wundervollen Frau zu laufen.

"Oh meine kleine Chiara.", breitete sie lächelnd ihre Arme aus und drückte mich fest an sich. Sie roch so lieblich nach Vanille, dass ich den Geruch tief ich mich aufnahm und nie wieder ausatmen wollte.

"Lass dich ansehen.", löste sie sich von mir und hielt mich an den Schultern fest, um mich genau zu betrachten und dabei glücklich zu strahlen.

Ich nutzte den Moment um sie auch genauer zu mustern. Gefärbte braune Haare, die bis unter die Ohren wellig herunter hingen, eine wirklich schöne weiße Bluse und eine schwarze Stoffhose. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert, als wäre sie kaum gealtert und selbst ihre grünen Augen funkelten nur so vor Energie.

"Also, da ich anscheinend nicht mehr gebraucht werde mache ich mich auf den Heimweg.", erklang plötzlich Rudis Stimme hinter mir und als ich mich umdrehte hielt er mir meinen Rucksack entgegen.
"Danke!", gab ich ihm kurz zurück, nahm meinen Rucksack an mich und drehte mich wieder zu Lili, die ihren Arm um meine Schulter legte und mit mir zusammen den kurzen Weg zwischen der Wiese zu ihrem Haus lief.

"Wie war die Fahrt?", fragte sie als sie mit die Haustür aufhielt und mich zuerst eintreten ließ.

"Unvergesslich.", gab ich ihr grinsend zurück und schaute mich dann in dem großen Flur um.

Weiß gestrichene Wände, eine Kommode mit einem hohen Spiegel und mehrere schöne Pflanzen zierten ihn. Es sah wirklich schön aus. Man fühlte sich sofort willkommen. Eine Tür links, eine Tür rechts und vor mir führte eine Treppe nach oben, neben der sich eine weitere kleine Tür befand.

"Dein Zimmer und mein Schlafzimmer sind oben", zeigte sie lächelnd zur Treppe und nahm dann meine Hand um mich in das rechte Zimmer zu führen, dass als Wohnzimmer diente. Ich zog meine Jacke aus, reichte sie ihr und schaute mich in meinem roten Pullover genauer um.

Es war nicht groß, aber wunderschön dekoriert und eingerichtet. Eine schwarze Wohnlandschaft geschmückt mit goldenen Kissen, eine Wohnwand direkt davor auf der Fernseher so wie Bilder und kleine Pflanzen Platz fanden und ein kleiner Bereich hinten am Fenster in dem ein Esstisch und mehrere Stühle standen.

"Ich hoffe du kannst dich hier wohl fühlen.", meinte sie als sie sich auf die Couch setzte und mir neugierig auf meine Reaktion ins Gesicht schaute.
"Es ist wirklich schön hier.", gab ich ihr lächelnd zurück und lief rüber zu einem kleinem Regal auf dem alle möglichen Schallplatten gestapelt lagen.

"Die gehörten deinem Großvater.", stand sie plötzlich neben mir und legte ihre Hand auf den Schallplattenspieler, während sie durchs Fenster vor uns ins Leere starrte und aussah, als würde sie sich gerade an einen schönen Moment zurück erinnern. Ich wollte sie dabei nicht stören und wandt meinen Blick wieder von ihr ab um mich auf die Platten zu konzentrieren.

"Möchtest du etwas trinken? Du musst ja halb verdurstet sein.", wischte sie sich einzelne Tränen weg und verschwand in den Flur. Ich schaute ihr kurz hinterher und setzte mich dann ab den Esstisch. Es tat mir unglaublich leid sie weinen zu sehen und ich wollte mir gar nicht vorstellen wie es wäre, einen geliebten Menschen zu verlieren und das nachdem man ein ganzes Leben miteinander verbracht hatte.

"So eine Limonade für meine Kleine und für Omi etwas stärkeres.", lachte sie und setzte sich mir gegenüber. Ihre Tränen waren verschwunden und zurück blieb ein liebevolles Strahlen.
"Ich bin dir wirklich dankbar, dass du hier bist um mich zu unterstützen.", legte sie ihre Hand auf meine und schaute mir tief in die Augen.

"Das ist doch selbstverständlich.", gab ich ihr zwinkernd zurück und trank meine Limonade in einem Zug aus. Sie hatte Recht. Vor lauter Aufregung war mir mein Durst überhaupt nicht aufgefallen und plötzlich fühlte ich mich als würde ich innerlich austrocknen.
"Ich hol dir noch was. Am besten die ganze Flasche.", kicherte sie und verschwand wieder aus dem Raum.

Beim Warten auf sie fiel mein Blick auf das Fenster hinter dem Esstisch und irgendwas in mir wollte sich näher an es stellen und raus schauen. Ich stand auf und stellte mich nah an die Scheibe, durch die man nur den Wald sehen konnte, doch irgendwas fühlte sich anders an in mir. Ich fühlte mich wie erstarrt und unfähig meinen Blick vom Wald zu nehmen, bis Lili mir unerwartet ihre Hand auf die Schulter legte und ich heftig zusammen zuckte.

"Du solltest dich von diesem Wald fern halten, Chiara.", flüsterte sie und starrte ins Dunkle während ich mir erschrocken die Brust fest hielt und sie beobachtete. Sie sah nicht aus, als würde sie gedankenverloren ins nichts schauen. Sie sah eher so aus, als würde sie eine stumme Unterhaltung führen, was mir eine Gänsehaut auf den Armen bereitete, doch dann wandt sie sich wieder mir zu und wir setzten uns an den Tisch um uns über alles Mögliche zu unterhalten, doch mir ging diese seltsame Situation die ganze Nacht nicht mehr aus dem Kopf, bis ich mich  irgendwann müde die Treppen hoch schleppte und mich ohne umzusehen ins weiche Bett fallen ließ.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt