23. Kapitel

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"Hast du sie noch alle mich zu beißen?", schrie ich ihn an während er sich knurrend die Wange hielt, auf die ich kurz vorher noch drauf gehauen hatte.
"Ich habe das Recht dazu! Ich hab dir gesagt du musst mit Konsequenzen rechnen!"

Ich spürte mein Herz bis  zum Hals schlagen und war froh, dass die Wunde in meiner Halsbeuge kaum Schmerz  verursachte, was wahrscheinlich am Alkohol lag.
"Du solltest wirklich auf mich hören, dann könnten wir uns diesen ganzen Ärger ersparen", ermahnte er mich, doch das machte mich nur noch wütender.

"Was denkst du eigentlich wer du bist!", schubste ich ihn zur Seite und rannte los zurück  zur Strasse. Ich war froh, das es so dunkel war. Was würden die Leute sonst denken, wenn sie das Blut auf meiner Schulter sehen würden. Ausserdem liefen mir immer mehr warme Tränen über die Wangen, was Jayden zum Glück nicht wahr nahm, denn gerade vor ihm wollte ich keine Schwäche zeigen.

Ich entschied mich an der Strasse dazu, zurück zum Wialtrama zu laufen und bat Eddie dann darum, Lou kurz nach draussen zu holen. Der Große war zwar nicht begeistert von seinem Platz aufstehen zu müssen, aber er tat es trotzdem, wahrscheinlich weil er mein Schluchzen  bemerkte.

"Was ist denn mit dir passiert? Das war mein Bruder oder?!"
Lou kam näher an mich heran und  presste ihre Zähne zusammen. Ich konnte ihr ansehen, dass sie versuchte ihre Wut zu unterdrücken.
"Weisst du wo Ludwig wohnt?", fragte ich sie dann, denn ich hatte das Gefühl ich konnte so weder nach Hause, noch sonst wohin.

"Ich kann dir sagen wo er wohnt, aber bist du dir sicher, dass du in diesem Zustand zu ihm willst?"
"Ja."

Sie erklärte mir mit komplizierten Handbewegungen und verschiedenen Straßennamen den Weg und ich verschwand nach einer herzlichen Umarmung in die Dunkelheit einiger Seitenwege, in denen wirklich niemand außer mir unterwegs war. Links rechts rechts links. Ich hielt mich so gut es in meinem Zustand möglich war an ihre Anweisungen und kam irgendwann in einer Straße an, von der ich mir sicher war, dass es die falsche war.

Riesige Villen die ganze Straße entlang, die vorne von wunderschönen Gärten umgeben waren. Alte Autos, Fehlanzeige.  Hier stand nur das Beste vom Besten und selbst die Laternen sahen nobler aus als die in der Stadtmitte. Ich drehte mich auf dem Bürgersteig mit großen Augen hin und her und staunte über die Architektur mancher Häuser.

Nummer 21 dachte ich in meinem Kopf. Die Zahl hatte Lou mir mitgeteilt und ich wunderte mich, dass es das Haus war, welches sogar noch am edelsten aussah.

Der Garten davor war voller Blumen und ein weinroter Mercedes stand in der Einfahrt. Es kam mir alles so unwirklich vor, doch ich schritt den kleinen Weg aus weißen Kieselsteinen entlang zur Haustür und nahm meinen ganzen Mut zusammen, um dann  durchnässt und zittrig bei ihm zu klingeln.

Bevor jemand mir die Tür öffnete, oder ich eine Bewegung im Inneren ausmachen konnte, nahm ich durch die dünne Glasscheibe in der Haustür wahr, dass das Licht angegangen war, was mich noch nervöser machte. Erst in dem Moment kam mir der Gedanke, es wäre eine blöde Idee gewesen, aber was sollte ich in dem Moment noch dagegen tun.

Als die Tür langsam nach innen aufgezogen wurde, wackelten meine Beine und ich riss mit angehaltenem Atem die Augen weit auf.
"Was-"
Ludwig stand nur in Boxershorts vor mir und schaute erschrocken zu meiner Halsbeuge.
"Ich bring ihn um!"

Er drehte sich ruckartig um und schnellte durch den Flur eine Treppe hoch. Ich wusste überhaupt nicht wie mir geschah und stand nur benommen da, doch dann trat ich zögerlich ein und schloss die Tür hinter mir.

Ich befand mich in einem großen Flur, der durch Gemälde und einen roten Teppich wirklich schön und warm wirkte. Die weißen Türen um mich herum waren alle geschlossen, doch das interessierte mich nicht weiter und ich lief auf die Treppe zu.

"Ludwig?", rief ich nach oben, doch es herrschte absolute Stille im Haus, was mir ein Zittern in den Händen bescherte. Ich traute mich trotz allem die Stufen zu nehmen und stand plötzlich in einem kleinen Flur, in dem es stockdunkel war.
"Ludwig!", schrie ich nochmal, nur diesesmal lauter, doch wieder nichts.

Ich wusste nicht mehr was ich tun sollte und stand zitternd in der Dunkelheit, bis meine Beine nachgaben und ich mich an einer Wand runter rutschen ließ, um bitterlich anzufangen zu weinen. Was war nur los mit mir, mit ihm, mit Jayden. Wieso wurde alles in meinem Leben so kompliziert   ...

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt