10. Kapitel

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Es war ein beruhigendes Gefühl aufzuwachen, ohne schlecht geträumt zu haben oder aufzuschrecken. Auch der Himmel draußen sah nicht mehr so bewölkt aus wie die letzten Tage zuvor und auch wenn es hier grundsätzlich immer kalt war, selbst wenn die Sonne schien, brachten mir ihre hellen Straheln die gute Laune, die ich an diesem Tag nötig hatte.

Mit einem leichten aber zu ertragenen Kater stand ich auf, suchte mir eine Jeans und eine blaue Bluse aus den Tüten und machte mich auf den Weg nach unten ins Badezimmer, in dem ich mich duschte, meine Zähne putzte und mich anzog. Ich föhnte nach allem noch schnell meine Haare und suchte dann in der Küche meine Oma auf.

"Wo willst du denn so früh hin?", umarmte sie mich und warf einen Blick auf mein komplettes Outfit.
"Und dann auch noch so schick!"

"Ich wollte mich nach einem kleinen Nebenjob umschauen. Ausserdem wollte ich den potentiellen Käufer für deine Gemälde aufsuchen.", gab ich erfreut von mir und schenkte mir eine Tasse des wohlriechenden Kaffees ein.

"Dann wünsche ich dir schonmal viel Erfolg.", zwinkerte sie und trank ihre Tasse aus.
"Ich muss auch einige Dinge erledigen. Hier ist übrigens dein eigener Hausschlüssel."
Sie reichte mir einen Schlüsselbund, an dem sich ein wunderschöner silberner Anhänger befand. 

Beim näheren Betrachten fiel mir auf, dass es ein Wolfskopf zu sein schien und dankend steckte ich ihn in meine hintere Hosentasche.
"Also dann, bis heute Abend.", verabschiedete sie sich, rückte ihren roten Rollkragenpullover gerade und lief winkend aus der Küche und abschließend die Haustür raus.

Ich stellte mich gedankenverloren mit meiner Tasse Kaffee ans Fenster und sah ihr dabei zu, wie sie zu Erwin ins Auto stieg. Er fuhr einen schwarzen Pickup, was irgendwie überhaupt nicht zu ihm passte, aber ich machte mir keine weiteren Gedanken darüber.

Sobald das Auto aus der Sackgasse raus um die Ecke verschwand, stellte ich meine Tasse ins Waschbecken und verließ dann aufgeregt ebenfalls das Haus. Die Sonne blendete mich kurz, doch trotz ihrer Strahlen war es eiskalt und ich bereute schon um die nächste Ecke, meine Jacke nicht  mitgenommen zu haben.

Zurück laufen wollte ich nicht, also erhöhte ich mein Tempo und kam nach und nach dem Markplatz näher und als ich endlich ankam, suchte ich sofort ein kleines Cafe auf, um mich freundlich vorzustellen und nach einem Job zu fragen.

Es war ein wirklich modernes Ambiente. Irgendwie total amerikanisch mit den roten Polstern und der beleuchteten schwarzen Theke. Das Angebot war zwar schlicht gehalten, aber dafür tummelten sich hier viele Jugendliche die lachend und guter Laune ihre Milchshakes tranken und Waffeln in sich rein schaufelten.

Ich musste mich kurz schütteln beim Gedanken daran, bei dieser Kälte auch noch kalte Milchshakes zu trinken, aber sie waren es anscheinend gewöhnt.

Eine ältere Dame mit gelbem Pullover und weißer Schürze kam lächelnd auf mich zu.
"Guten Morgen. Kann ich Ihnen behilflich sein?", fragte sie in einem hohen Ton und strich sich dabei einige ihrer schwarzen Strähnen aus dem Gesicht.
"Ja, ich bin auf der Suche nach einem Nebenjob und wollte bei Ihnen als erstes mein Glück versuchen.", antwortete ich ihr selbstbewusst, doch innerlich war ich trotzdem sehr nervös.

"Oh", stammelte sie. "Da muss ich Sie leider enttäuschen. Aber ich weiß, dass das Wialtrama noch Servicekräfte sucht. Vielleicht finden Sie dort etwas."
Sie schaute mich noch einen Moment freundlich an, wurde aber dann von einem Kunden herbei gewunken und ließ mich alleine und genervt zurück.

Das war wirklich nicht das, was ich mir erhofft hatte. In diesem Club wollte ich nicht nachfragen. Erst Recht nicht, nach dem letzten Abend dort, der mehr Fragen aufwarf als beantwortete.

Beim Verlassen des Ladens kam mir wieder der Zettel mit meinem Namen darauf in den Sinn. Am liebsten hätte ich diesen Kerl darauf angesprochen, aber was würde er mir schon darauf erwidern. Wahrscheinlich nur Ausreden und Lügen, durch die ich der Wahrheit kein Stück näher kommen würde.

Da fiel mir ein, ich hatte ganz vergessen seine Jacke bei Eddie abzugeben und schnell lief ich die Strasse von Markplatz runter Richtung des Clubs, um mich nach den Öffnungszeiten zu erkundigen. Auf dem Weg dorthin fiel mir auf, dass hier mittags kaum etwas los war, aber nachts tummelten sich alle auf den Straßen. Eine völlig verdrehte Welt in der ich da gelandet bin.

Nach mehreren Querstrassen kam ich endlich vor dem Wialtrama an und entnahm einem Zettel, der neben den schwarzen Türen an der Wand hing,  dass die Pforten sich immer erst ab 21 Uhr öffneten und war froh noch Zeit zu haben, die Jacke pünktlich abzugeben.

Ich tippelte noch kurz von einem Fuss auf den anderen vor Kälte, schaute mir die Reklametafel an und dachte über den Abend nach, der mir den ganzen Morgen im Kopf herum schwirrte. Erst als mir plötzlich jemand etwas warmes um die Schulter legte, ich vor Schreck zuckte und die Luft anhielt, entriss ich mich meiner verwirrten Gedanken.

"Wer wird denn da gleich aus der Haut fahren.", scherzte Ludwig und ich stieß erleichtert die angehaltene Luft aus meinen Lungen.
"Du bist auch irgenwie überall.", grinste ich ihn frech an und bemerkte dann die flauschige beige Jacke um meine Schultern, die ich mir dann richtig anzog und sofort bei dem Gefühl der Wärme lächeln musste.

"Naja. In so einem kleinen Ort ist es nicht schwierig überall zu sein."
Sein Lachen war so herzhaft und riss mich sofort mit. Er war wirklich ein beeindruckter Mann, mit der Gabe, andere mit seinen Emotionen mitzureißen.

"Was machst du denn überhaupt hier?", fragte er mich dann und lehnte sich an die Wand des Clubs. Er hatte zwar wieder nur seine altmodische Kleidung an und die Haare lässig zu einem Dutt zusammen gebunden, sah damit aber cooler aus als jeder den ich kannte.

"Ob du es glaubst oder nicht. Ich wollte hier nach einem Job fragen."
Seine Augen wurden gross und er schaute mir ungläubig in die Augen.
"Als Tänzerin?", fragte er dann und schob sich elegant von der Wand um einen Schritt auf mich zu zumachen. So wie er mich das fragte und wie entsetzt er schaute, musste ich amüsiert kichern.

"Natürlich nicht. Lediglich als Servicekraft. Ich will die Männer ja nicht vergraulen."
"Das könntest du nicht. Im Gegenteil.", flirtete er und strich mir vorsichtig eine Strähne meines Haares aus dem Gesicht, dass der Wind mir dorthin geweht hatte. Ein Kribbeln breitete sich in meiner Magengegend aus als er noch näher kam und ich tief in seine Augen schaute, doch ein lautes Knurren sollte  diesen magischen Moment zunichte machen und mich komplett aus der Bahn werfen.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt