42. Kapitel

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Das war er also, mein erster Kuss, der so schön anfing und so bitter endete. Ich stand einsam und verlassen im  Wohnzimmer und versuchte alles zu verarbeiten. Gedanken schwirrten mir unangenehm durch den Kopf, das ich mir langsam wünschte, ich hätte genauso viel getrunken wie Lou, die wahrscheinlich seelenruhig schlief.

Ich ließ mich auf der Couch nieder und deckte mich mit einer der Wolldecken zu, während ich die Kerze dabei beobachtete, wie sie langsam aber sicher den Geist aufgab.

Werwölfe und Engel. Es gab sie wirklich, doch sie waren nicht so, wie man in den Märchen erzählte. Anstatt Werwölfe die gefährlichen Wesen aus den Wäldern waren, waren sie gute Trinker die rumhurten und alles andere als anmutig aussahen.

Schutzengel, ich hab oft von ihnen gelesen, doch in den alten Büchern waren sie immer weiblich und nur dazu da, einer Person unterstellt zu sein, keinem ganzen Ort. Vielleicht hatte Ludwig deswegen auch Probleme dabei, alle zu schützen.  Wie sollte er alleine so einer Aufgabe gewachsen sein, erst recht, wo das Rudel sich im Krieg befand.

Ich nahm es Jayden übel, dass er in Ludwig etwas schlechtes sah, doch  ich nahm ihm auch  noch ganz andere Sachen übel. Zum Beispiel wie er mit seiner Schwester  umging. War es für ihn so schlimm, dass Lou mit einem aus seinem Rudel ging? Oder war er immer noch sauer auf sie, da sie sich gegen das Wolfsein entschieden hatte? Ich wusste es nicht und schloss unter Tränen meine schweren Lider.

Diese Nacht lag schwer auf meinen Schultern. Angefangen mit einem romantischen Film, endete sie in einem realen  Drama, das immer mehr zu einem  Horrorfilm wurde und zu allem Übel, war morgen Abend auch  noch das Fest.

Genervt zog ich mir die Decke über das Gesicht und versuchte einzuschlafen, was zwar etwas dauerte, aber mir dann doch gelang.

***

Statt wie gewohnt von der hellen Sonne oder meiner ruhig sprechenden Oma geweckt zu werden, saß Lou auf der Bettkante und kaute auf dem Müsli, als wären es Reste von Eisenstangen. Es dröhnte mir im Kopf und ich hielt mir das Kissen über mein Gesicht.

"Oh nein Madame. Du stehst jetzt auf. Wir müssen noch Kleider kaufen."
Ich schob das Kissen beiseite und schaute sie verwirrt und müde an.
"Denkst du ernsthaft, ich gehe nach der gestrigen Nacht zu der Feier?", fragte ich sie und nahm ihr freches Grinsen wahr.

"Dachte ich eigentlich schon, aber ich kann auch alleine trinken und da hingehen", sprach sie belustigt und schaufelte weiterhin Müsli in ihren Mund.
"Das ist Erpressung, das ist dir doch klar oder?"

Ich schob die Decke beiseite und setzte mich auf, um dann erfreut zu erkennen, das vor mir eine dampfende Tasse stand, die so lecker nach Kaffee roch, das ich gierig zugriff.
"Erzähl mir was von dem Kuss", meinte Lou plötzlich und ich verschluckte mich so heftig, dass sie mich erschrocken ansah und anfing auf meinen Rücken zu klopfen.

"Sah es so schlimm aus? Ich kann mich kaum dran erinnern", murmelte sie dann und mir wurde da erst klar, dass sie gar nicht von mir und Ludwig redete, sondern von sich und Chace.

Ich räusperte mich nochmal und sah sie dann aufmuntert an.
"Einen schöneren Kuss hab ich nichtmal in Filmen gesehen."
Sie lächelte erfreut und lehnte sich dann nachdenklich zu mir herüber.
"Wie sind wir nach Hause gekommen?", fragte sie mich dann, doch ich wollte noch niemanden von Ludwig und mir erzählen, also log ich.

"Naja, wir sind gelaufen und dann hab ich dich die Treppen hoch geschleppt."
Ich grinste dämlich und wich ihrem Blick aus, bis meine Oma ins Wohnzimmer gestürmt kam.
"Ist Ludwig noch hier? Ich brauche jemanden, der mir hilft, die fertigen Speisen schonmal ins Wialtrama zu bringen", sprach sie außer Atem und sofort viel mein Blick auf Lou, die grinsend eine Augenbraue hochzog, aber nichts weiter sagte und sich ihrem Essen widmete.

"Nein, ist er nicht mehr", antworte ich  Lisbeth, die sich daraufhin nachdenklich an den Kopf fasste.
"Dann Ruf ich kurz Chace an."

Lou spuckte plötzlich den ganzen Inhalt ihres Mundes auf den Teller und stand hektisch auf.
"Ja, also ich, ich muss, wir.... Wir treffen uns in zwei Stunden in der Stadt, an dem Laden wo ich manchmal aushelfe."

Sie lief aus dem Zimmer und ich hörte nur noch die Haustür zuknallen, woraufhin mich meine Oma fragend musterte.
"Alles in Ordnung bei ihr?"
"Ja, ein bisschen viel getrunken", gab ich ihr zurück und wandt mich meiner Tasse zu.

"So so, na dann sag ich Chace, er soll in einer Stunde hier sein, dann kann er dich mitnehmen."
Ich nickte ihr zu und sah ihr noch hinterher, wie sie das Wohnzimmer verließ und verdrehte dann erst genervt die Augen. Das würde wieder ein scheiß Tag werden, oder sollte ich Abend sagen.

Als meine Tasse leer war, machte ich mich auf den Weg ins Bad und duschte erstmal lange, um wenigstens meinen Körper zum entspannen zu bringen, wenn schon alles andere an mir durchdrehte. Ich schloss unter dem warmen Wasser die Augen und fasste mir an die Lippen, um den Kuss in meinem Kopf nochmal zu durchleben.

Es war so ein schöner Kuss und es machte mich immer noch sauer, dass er so abrupt endete. Gerne hätte ich seine Lippen stundenlang auf meinen gespürt und das war auch das Einzige, weswegen ich mich auf diese Feier einließ.  Ich wollte den Blonden Schönling wiedersehen.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt