57. Kapitel

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"Was hälst du davon, heute Abend ins Wialtrama zu gehen?", fragte er mich und ich schaute ihm entsetzt entgegen.
"Du willst da wirklich hin?"
Ich sah ihn fragend an und nahm wahr, wie betrübt er plötzlich wirkte.

"Naja, von wollen ist keine Rede. Lou geht es nicht gut. Sie trinkt viel und baut wirklich Mist. Ich bin immernoch ein Schutzengel und ich dachte, es täte ihr gut, dich zu sehen."
Er zuckte mit den Schultern und ich spürte die Wut wieder in mir hochkommen.

"Wir können doch auch zu ihr? Wieso sollten wir dafür in dieses Drecksloch?", fragte ich, nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte.
"Sie ist seit Tagen nicht zu Hause gewesen. Keiner außer dem Rudel weiß, wo sie sich mittags aufhält und die werden uns das kaum sagen."
"Werden sie auch nicht, weil sie alle egoistisch sind", zischte ich und verdrehte dabei genervt die Augen.

"Gut, aber du lässt mich keine Sekunde alleine! Ich bin jetzt eine Wölfin und stark genug, es mit dir aufzunehmen, falls doch", grinste  ich ihm entgegen, doch innerlich litt ich mit der Braunhaarigen, deren Schicksal mich belastete.
"Versprochen! Soll ich dich abholen?"
"Nein, wir treffen uns davor."

Er stand auf und half mir an der Hand hoch, was zur Folge hatte, das wir für einen Augenblick so nah aneinander standen, das mein Herz aussetzte. Unsere Augen trafen sich, während alles andere um mich herum verschwamm.
"Also, bis heute Abend", flüsterte er und strich mir dabei über die Wange.
"Bis heute Abend."

Der Blonde löste sich von mir und ich sah ihm noch hinterher, wie er über den Markplatz lief und sich immer wieder lächelnd zu mir herumdrehte, bis er in einer Seitengasse verschwand. Ich stand noch eine Weile so da und strahlte heller als die Sonne. Seine Nähe war unheimlich vertraut und ich fühlte mich so wohl bei ihm, dass ich mir kaum vorstellen konnte, wie es hier ohne ihn wäre.

"Hast mir ja gar keine Brezel mitgebracht."
Ich drehte mich erschocken um und musterte Ethan, der oben ohne und nur mit einer Jogginghose bekleidet da saß, wo ich vorher noch saß.
"Und du kein Geld mehr für ordentliche Kleidung?", warf ich ihm genervt zurück, woraufhin er laut lachte und mich amüsiert ins Visier nahm.

"Das, was da läuft, geht mich überhaupt nichts an, aber es wird nicht funktionieren." Er lehnte sich nach vorne und holte eine Schachtel Zigaretten hervor, aus der er eine herausholte und sie anzündete.
"Ja, du hast Recht, es geht dich nichts an."

Ich wollte an ihm vorbei, doch er stand blitzschnell auf und griff unsanft nach meinem Arm, um mir meine Bluse zur Seite zu schieben. Mein Puls beschleunigte vor Angst und auch meine Atmung hatte ich nicht mehr unter Kontrolle.
"Weißt  du, was das ist?", fragte er und zeigte dabei auf meine Markierung, um danach an seiner Zigarette zu ziehen.
"Das ist ein Zeichen davon, das du jemanden gehörst. Es ist dir nicht bestimmt, mit jemand anderen glücklich zu werden. Aber versuch es ruhig, es wird sicher amüsant, dabei zuzusehen, wie dein Kartenhaus zusammenbricht."

Er ließ von mir ab und grinste mir mit kaltem Blick entgegen.
"Eigentlich würde ich dir eine verpassen, aber das macht ja dein Vater schon!"
Ich blickte ihm wütend entgegen und sah ihm an, wie entsetzt er darüber war, was ich gerade zu ihm gesagt hatte, doch es war mir egal. Ich wandt mich von ihm ab und machte mich auf den Weg nach Hause. Es gab an diesem Tag Wichtigeres, als mich mit eingebildeten Raufbolden herumzuärgern.

Zu Hause angekommen half ich meiner Oma ein wenig im Haushalt, putzte mein Zimmer und schaute mit ihr noch fern, bis es langsam Zeit wurde, mich fertigzumachen.

Ich suchte mir ein weißes Top und eine blaue Jeans heraus, um damit im Badezimmer zu verschwinden und erstmal ausgiebig zu duschen. Das Wasser fühlte sich so angenehm an, das ich eigentlich nicht mehr heraus wollte, aber ich musste und stieg widerwillig aus der Duschkabine, nachdem das Shampoo aus meinen Haaren und von meinem Körper im Abfluss verschwand.

Vor dem Spiegel sah ich mir entgegen und versuchte, das Beste aus meinem Aussehen heraus zu holen. Ich schminkte meine Augen dezent, trug einen Lippenstift auf und föhnte meine Haare mit einer Rundbürste, sodass sie leicht wellig fielen. Das alles nur, um ihm zu gefallen.

"Du siehst ja hübsch aus", lächelte mir meine Oma entgegen, als ich das Wohnzimmer betrat und erst, als ich zu ihr rüber zur Couch sah, erkannte ich Rudi neben ihr, was mir total unangenehm war.
"Hallo Rudi", hauchte ich leise und stellte mich dann vor meine Oma, ohne ihn weiter zu beachten.
"Ich hab eine Frage", teilte ich ihr mit und sah ihre Neugierde.
"Dann frag ruhig."

Sie lehnte sich vor und schaute mir interessiert entgegen, während ich anfing zu grinsen.
"Wir wirkt Alkohol bei mir? Also ich meine jetzt, wo ich irgendwie anders bin."
Ich bemerkte das Lächeln von Rudi und auch meine Oma konnte sich ein kichern nicht verkneifen.
"Er wirkt, aber du wirst einiges trinken müssen."

Ich nickte ihr dankend zu und verabschiedete mich von den Beiden, um mich alleine auf den Weg zum Wialtrama zu machen. Die Hoffnung, ich könnte Lou irgenwie helfen, trieb mich an schneller zu laufen und schon stand ich vor dem Club, doch Ludwig war leider noch nicht da, also wartete ich an eine Wand gelehnt und schaute mir die Frauen ganz genau an, die voller Vorfreude den Club betraten.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt