17. Kapitel

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Ich starrte den Schwarzhaarigen verwirrt an und stand dann auf, um an ihm vorbei die Tür raus zu laufen.
"Jetzt warte doch mal", hielt er mich am Arm, doch ich riss mich sofort los und bebte  vor Wut über seine dämlichen Worte, die er mir eben noch an den Kopf geworfen hatte.
"Wenn du mich noch einmal anfasst, dann-"
Ich schaute ihm böse entgegen, während er mir tief in die Augen sah und anfing zu schmunzeln, was mich noch rasender machte.

"Dann?", fragte er belustigt und kam mir einen Schritt näher.
"Lass mich in Ruhe!", warnte ich ihn und lief in den vom Sonnenschein erhellten Wald. Er kam mir zu meinem Glück nicht hinterher und ich hatte endlich meine Ruhe, die ich nach dieser absurden Nacht bitter nötig hatte, denn ich musste alles in meinem Verstand verarbeiten.

Durch die verschwundene Dunkelheit sah ich nach einer Weile schon Häuser am Rand des Waldes und lief ihnen erleichtert und schnellen Schrittes entgegen. Ich wollte endlich raus aus dem Wald, ausbrechen aus dieser Situation, weg von diesem Idioten und  nur noch in mein Bett. Die Müdigkeit vernebelte mir so langsam die Sinne und ich wollte gar nicht wissen, wie ich nach so einer Nacht voller Alkohol und Entführungen aussah.

Kaum aus dem Wald raus sah ich das Wialtrama,  dass für mich ein Ort des Schreckens geworden war und lief ohne die schwarzen Türen weiter zu beachten die Straße entlang, um meinem Bett immer näher zu kommen, nach dem ich mich noch nie so sehr gesehnt hatte, wie an diesem eiskalten Morgen.

Ich zog meine zerissene Jacke fester um den Körper und bemerkte beim Umschauen, dass ausser mir kein Mensch unterwegs zu sein schien. Leer gefegte Straßen und Bürgersteige lagen vor mir und es war fast nichts zu hören. Nur der Wind wehte und brachte die Äste der Bäume zum Rascheln, während einige Vögel fröhlich vor sich hin trällerten. Ich atmete die kalte Morgenluft tief in meine Lungen und erhöhte mein Tempo, als ich endlich an unserer Sackgasse ankam.

Einige Schritte vor der Haustür kramte ich meine Schlüssel aus der Hosentasche, doch das war gar nicht nötig, denn meine Oma öffnete mir schon besorgt die Tür.
"Was ist denn mit dir passiert?", fragte sie mit weit aufgerissenen Augen, die mich und meine Jacke erschrocken musterten.
"Ich will nur schlafen", gab ich ihr erschöpft zurück und lief an ihr vorbei die Treppen hoch.

Es tat mir leid, sie in ihrem weinroten Morgenmantel einfach so stehen zu lassen, aber ich konnte und wollte nicht über das Geschehene nachdenken oder reden. Ich wollte nur vergessen und meinen Rausch ausschlafen.

Ich öffnete die Tür meines Zimmers, zog Jacke, Pullover, Schuhe und Hose aus und ließ mich dann in mein weiches warmes Bett fallen, um dieser Welt zu entfliehen.

******

Dröhnende Kopfschmerzen ließen mich mürrisch die Augen öffnen und die in mein Zimmer scheinende Sonne verschlimmerte  mein Unwohlsein sogar noch. Genervt zog ich die weiße Decke bis über mein Gesicht und versuchte weiter zu schlafen, doch laute Stimmen aus dem Erdgeschoss weckten meine Neugierde. 

Langsam und vorsichtig setzte ich mich auf und hielt mit den pochenden Kopf, der mir schwerer vorkam, als normalerweise. Kein Wunder. In ihm schwirrten so viele Gedanken über letzte Nacht, dass es kaum zu verarbeiten war. Ich brachte meinen müden Körper dazu sich zu erheben und schnappte mir einen grauen Jogginganzug, der das Erste war, was ich in meine schwachen Hände bekam.

Das Anziehen war die reinste Quälerei und zu allem Überfluss kam es mir so vor, als müsste ich mich jeden Augenblick übergeben. Schnell riss ich die Tür auf und rannte die Treppe runter Richtung Bad, während ich mir meine Hände schützend vor den Mund hielt und hoffte, das Bad noch rechtzeitig zu erreichen.

Ich schaffte es nichtmal, die Tür des Badezimmers hinter mir zu schließen und übergab mich heftig in die Toilette. Es fühlte sich zerreißend an und mein Magen überschlug sich ohne Aussicht darauf, das er damit irgendwann wieder aufhören würde.

"Oh", hörte ich plötzlich eine männliche Stimme hinter mir und als ich merkte, wer es war, musste ich erneut würgen. 
"Verschwinde!", stammelte ich nachdem alles raus war und krallte mir unter Tränen das Klopapier neben mir. Ich musste nicht weinen wegen ihm, oder wegen dem Abend, sondern weil die Übelkeit mir und meinem Körper zusetzte.

"Ich hol dir ein Glas Wasser", meinte Ludwig und sofort, als ich seine Schritte auf dem Gang hörte, die sich immer weiter entfernten, rappelte ich mich auf und schloss die Tür ab. Er dachte doch nicht ernsthaft, dass ich noch ein Wort mit ihm wechseln würde, nachdem er mich alleine sitzen gelassen hatte. Ich hätte vergewaltigt oder entführt werden können, es wäre ihm nichtmal aufgefallen und wäre Lou nicht aufgetaucht, hätte ich die ganze Nacht alleine an dieser Bar gesessen.

Ich lief rüber zum Waschbecken, drehte eiskaltes Wasser auf und wusch mir damit das Gesicht, was mir zwar einen kurzen Schreck bescherte, sich dann aber beruhigend auf mich auswirkte. Völlig fertig betrachtete ich mich im Spiegelbild und Band mir meine dunkelblonden zerzausten Haare zu einem lockeren Zopf.

Als es dann an der Tür klopfte, ignorierte ich ihn und putzte mir stattdessen in Ruhe die Zähne. Erst als ich damit fertig war, öffnete ich die Tür und schaute ihm böse entgegen, während er mir mit einem entschuldigendem Lächeln das Glas Wasser entgegen hielt.

"Wir müssen reden", kam es von ihm und mein Blick verfinsterte sich noch mehr.
"Wieso sollte ich jetzt mit dir reden wollen?"

Ich zog die Badtür hinter mir zu und stand ihm genau gegenüber. Zögerlich nahm ich das Glas Wasser und trank es in einem Zug aus, um ihn danach fragend anzuschauen.

"Es geht um dich und Jayden"
Sein Blick fiel zu Boden und selbst durch seine dunkle Jacke konnte ich das Beben seiner Brust erkennen.
"Es gibt kein mich und Jayden!", stellte ich klar doch er schüttelte nur den Kopf.
"Ab jetzt schon."

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt