16. Kapitel

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Zereissende Kälte, undurchdringliche Dunkelheit und mein Zittern am ganzen Körper. So rannte ich dem Morgengrauen entgegen und zwischen den dichten Bäumen hindurch.

Alles drehte sich und der Alkohol ließ mich immer langsamer werden. Einzig die Angst trieb meine wackeligen Beine noch weiter über den unebenen Waldboden. Meine Jacke riss an einigen Stellen auf, in den Momenten, wo ich schwankend den gruselig aussehenden Ästen der Bäume zu nahe kam.

"Warte doch!", hörte ich ihn hinter mir rufen, doch ich blieb nicht stehen. Kurz dachte ich, dass das alles nur Einbildung sein musste,  bis ich unsanft durch einen schmerzhaften Sturz meinen Gedanken entrissen wurde.

So lag ich also da. Zitternd und bibbernd vor Angst und Kälte und rollte mich unter Tränen auf den Rücken. Ich sah nach oben und nahm in Trance wahr, dass es heller wurde und er plötzlich über mir stand und mich besorgt musterte, was mir noch mehr Verwirrung bescherte. 

Er streckte mir helfend sie Hand entgegen und half mir hoch. Vor ihm stehend wischte ich mir die Tränen weg und schaute ihn fragend an, doch er grinste nur blöd und lachte laut auf.
"Dachtest du ich wollte dir etwas antun?"

Meine Augen wurden groß und ich schluckte fest, ehe ich antworten konnte.
"Ja und irgenwie denkt ein Teil von mir das immernoch", stammelte ich nervös und spielte an den Bändern meines gelben Kaputzenpullovers rum.
"Komm mit.", nahm er erneut meine Hand und lief mit mir zurück. Ich ließ es einfach zu, denn hätte er mir was tun wollen, hätte er es schon getan, als ich auf dem harten Boden lag.

Wir liefen also zusammen den Weg zurück und da es immer heller wurde, verschwand die Angst in mir auch komplett und ich nahm in der Ferne ein kleines gemütlich aussehendes Haus wahr.
"Wohnst du da?", fragte ich ihn und schaute zu ihm rüber.
"Nein. Aber Jayden", antwortete er und blickte dabei stur nach vorne ohne mich überhaupt zu beachten.

Jayden. Wer zum Teufel war Jayden und wieso sollten wir zu ihm gehen. Mir wurde ganz komisch und mein Puls beschleunigte umso näher wir dem Haus kamen, bis wir direkt davor standen und der Fremde mich alleine stehen ließ, um vor mir ins Haus einzutreten. Ich stand da wie angewurzelt und schaute mich neugierig um. Das Haus hatte auf jeder Seite große Fenster und bestand sonst nur aus dunklem Holz. Mir fiel auf, dass nichtmal ein Weg zu der kleinen Veranda mit der Holztür führte, was mir seltsam vorkam. Es stand einfach da, als hätte es sich aus dem Boden erhoben und die Natur drum herum wäre nie berührt worden.

"Du kannst rein", kam der Fremde wieder raus und ihm folgten Chace, Samuel und Ethan, die mir alle nur zunickten und dann gemeinsam an mir vorbei liefen. Das musste alles ein Scherz sein schüttele ich den Kopf und drehte mich um, um den Dreien noch hinterher zu schauen, doch eine tiefe Stimme lenkte meine Aufmerksamkeit wieder zum Haus, auf dessen Veranda der Unbekannte stand.

Seine eisblauen Augen schauten mich an und brachten mir eine Gänsehaut. Sie sahen so kalt aus, als wäre er nur eine Hülle und innerlich tot. Das weisse Tanktop gab mir einen Blick auf seine Muskeln frei, die aussahen, als würde er täglich stundenlang  Sport treiben. 
"Komm bitte rein, Chiara."

Er ging wieder ins Haus und ich starrte ihm nur völlig überfordert hinterher. Mein Blick fiel auf die hohen Bäume, die mir durch das Licht jetzt nicht mehr gruselig, sondern wunderschön grün vorkamen.
"Kommst du?", rief er ungeduldig von drinnen und ich setzte mich erschrocken in Bewegung.

Drinnen angekommen schloss er hinter mir die Tür und stellte sich genau neben mich, so nah, dass ich seinen Atem hören konnte und sein Arm fast meinen berührte, was keine große Sache gewesen wäre, mich aber trotzdem verrückt machte.

Ich versuchte ihn auszublenden und machte einige Schritte nach vorne auf eine braune Ledercouch zu, die direkt unter einem der Fenster und gegenüber der Haustür stand. Vor ihr fand ein runder Glastisch Platz, auf dem sich mehrere Flaschen Bier und ein voller Aschenbecher befanden. Erst in dem Moment, fiel mir der Nikotin Geruch auf, der meine Nase zum rümpfen brachte.

Beim Umdrehen fiel mir auf, dass sich nicht mehr in diesem Raum befand, ausser noch ein kleiner Fernseher, der neben der Haustür an der Wand hing und in dem anscheinend eine Sportsendung lief.
"Was ist mit dir passiert?", kam er auf mich zu und untersuchte meine überall aufgerissene Jacke und meine Hände, auf denen sich noch Spuren des Falls befanden.

"Ich-"
Mehr kam nicht aus mir raus, denn ich wollte keine Fragen mehr beantworten, sondern selbst endlich Antworten bekommen. Ich wandt mich von ihm ab, lief zur Couch und setzte mich erstmal hin. Ich musste einmal tief durch atmen, um meine Gedanken in Worte zu fassen.
"Also erstens Mal, wer bist du? Und was mache ich hier? Und am allerwichtigsten, wieso stand mein Name auf einem Zettel?"

Ich lehnte mich neugierig nach vorne und ließ ihn nicht aus dem Blick. Der Alkohol gab mir immernoch Mut und diesmal war ich das Raubtier, dass ihn musterte.
Er fuhr sich laut schnaubend durch die schwarzen Haare und zeigte dann mit dem Finger neben mich auf die Couch.
"Darf ich?"
"Nein!", antwortete ich und schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen weiterhin an.
"Erst beantwortest du meine Fragen."

"Schon gut.", lief er ein Stück auf mich zu und ging in die Hocke, um auf Augenhöhe mit mir zu sein.
"Ich heisse Jayden und du bist hier, weil du mir gehörst, aber ich will dich nicht, deswegen war dein Name durchgestrichen."

Ich riss die Augen ungläubig auf und lachte kurz auf, doch dann sah ich, dass es ihm Ernst war und mir stockte der Atem. Was zum Teufel war hier nur los.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt