59. Kapitel

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Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber der Laden war mittlerweile voller Menschen und von Ludwig fehlte immer noch jede Spur. Wie konnte er mich nur hängenlassen?

Ich wollte mir gerade ein neues Glas einschenken, da tauchte Ethan vor mir auf und sah ziemlich aufgebracht aus.
"Du musst mitkommen, Chiara!"
Er zappelte nervös herum, doch ich drehte mich provokant in die andere Richtung und beachtete ihn nicht mehr.
"Ich meine es Ernst, es geht um Lou!"

Ich drehte mich wieder zu ihm herum und schaute ihn fragend an.
"Was ist mit Lou?"
"Sie rastet komplett aus.", antworte er mir und zappelte dabei hin und her. Es passte nicht zu seiner sonst so arroganten Art, plötzlich so nervös zu sein, also musste etwas dran sein, an dem, was er sagte.

Ich stand auf und sah mich nochmal im ganzen Raum um. Es ärgerte mich, dass ich Ludwig nicht ausmachen konnte und ich wollte eigentlich ohne ihn auch nicht gehen.
"Kommst du jetzt endlich?"
Ethan fuhr sich durch die Haare und folgte meinem Blick durch die Menge. Ich schnappte mir die Flasche Tequila und nickte ihm zu. Er ging voraus und ich folgte ihm hinaus aus der Hölle.

Draußen angekommen hielt ich ihn kurz am Arm fest, sodass er sich verwirrt zu mir umdrehte.
"Wo ist Lou überhaupt?", fragte ich ihn und ließ seinen Arm wieder los.
"Bei Jaydens Hütte", gab er mir zurück und ich schaute ihn wütend an.
"Das kannst du vergessen! Du kannst Lou holen und zu mir bringen. Ich warte hier!"

Ich blieb stehen, doch er nahm meinen Arm und riss mich grob über die Straße rüber bis zum Waldrand.
"Lass mich los, Ethan!", fauchte ich ihn an und vor lauter Zorn, fiel mir die Flasche herunter, was mich noch wütender machte.

"Chiara! Es reicht mir so langsam mit dir! Deine Freundin braucht dich und dir ist es anscheinend wichtiger, auf einen Mann zu warten, der dich alleine gelassen hat und mit seiner Frau abgehauen ist!"
Er holte tief Luft, während ich das Gefühl hatte, überhaupt keine Luft mehr zu bekommen. Er musste lügen, denn Ludwig würde mich niemals so anlügen. Das war einfach unmöglich.

"Lou würde es gar nicht so schlecht gehen, wenn es euch Wölfe nicht gäbe!", zischte ich ihn wütend an, während meine Stimme zitterte und ich mir immer wieder einredete, das Ludwig kein Lügner war.
"Du bist auch ein Wolf!", schrie er mich an, woraufhin ich anfing, die Fäuste zu ballen und auf ihn zuzugehen.

"Nein, bin ich nicht!"
"Achja?" Er schubste mich plötzlich so stark, dass ich zu Boden fiel und mir den  Ellenbogen verletzte.
"Hast du sie noch alle?!", schrie ich hocj zu ihm und musste dabei meine Tränen unterdrücken.

Er hockte sich vor mir hin und schaute mir provozierend in die Augen.
"Ludwig wird dich nie lieben. Er fickt in diesem Moment die geile Rothaarige, während du hier am Boden liegst und von mir bedroht wirst. Was für ein Mann, dem eine Frau am Herzen liegt, würde das zulassen?"
Er lachte auf und ich spürte erneut das Kribbeln in meinen Fingerspitzen, dass ich bei meiner letzten Verwandlung gespürt hatte. Ich wusste, dass er mich provozieren wollte, um eine Verwandlung heraufzubeschwören, aber ich atmete tief durch und versuchte mich unter Kontrolle zu halten, was mir aber nicht gelang, denn nur noch Hass, Selbstzweifel und Wut hatten in meinem Herzen Platz, was mir die ersten Tränen herauslockte.

Ethan bemerkte meinen vor Zorn weinenden Blick und reichte mir eine Hand, um mir hoch zu helfen, doch ich schlug seine Hand weg und stand alleine wieder auf.
"Siehst du, was passiert, wenn du wütend wirst? Hast du es gespürt!? Du bist Teil dieses Rudels und es wird Zeit, das du deinen Platz einnimmst."

Ich wusste nicht mehr weiter und weinte vor Wut so bitterlich, das die quälenden Geräusche, die aus meinem Mund kamen, aus dem  Wald heraus zurückhallten. Meine Gedanken kreisten um Ludwig, von dem ich mir sicher war, dass er nicht der Mann war, den Ethan versuchte mir einzureden. Er tat das nur, um mich unter Druck zusetzen, dass hoffte ich zumindest.

Als ich plötzlich Ethans Arme um mich spürte,  schlug ich wild um mich, doch das brachte ihn nur dazu, mich noch fester zu umschlingen.
"Beruhige dich!", hauchte er und ich hatte keine Kraft mehr, mich zu wehren. Ich krallte mich an seiner Brust fest und ließ alles heraus. Unzählige Tränen flossen mir über mein Gesicht, während ich mich schlecht fühlte, nicht für Lou da zu sein.

Alles, was heute morgen noch so gut war, löste sich in dieser Nacht einfach in Luft auf. Mir wurde bewusst, dass ich niemanden wirklich kannte und auch niemanden vertrauen konnte. Ich wollte einfach nur zu meiner Mutter zurück, zu der ich eigentlich überhaupt keinen Bezug hatte, aber es war mir zu viel.

Mein Verstand schien sich aufzulösen, denn es war kein einziger klarer Gedanke mehr übrig. Alles in mir schrie nach Normalität, doch ich war umgeben von Wölfen und Engeln, die alles andere als normal waren. Zudem die Geheimnisse, die jeder mit sich trug und mittendrin ich, das Mädchen, das dachte es würde alles gut werden und doch  ummantelte mich das tiefe Schwarz, das sich an meine Seele haftete und alles Gute drohte zu zerstören.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt