32. Kapitel

12K 527 42
                                    

Als ich meine Augen müde öffnete, wurde es draußen langsam schon wieder dunkel. Ich hatte mich also erfolgreich den hier lebenden Menschen angepasst. Durfte man sie überhaupt noch Menschen nennen?

Ich schob die Decke von mir herunter und stellte mich auf, um mich erstmal genüsslich zu strecken. Meine Muskeln  fühlten sich müde an, genau wie der Rest von mir. Auf dem Weg zur Tür schnappte ich mir noch schnell eine schwarze Jeans und eine rote Bluse, um mich anschließend runter ins Badezimmer zu schleppen.

"Guten Morgen, Sonnenschein."
Meine Oma strahlte als ich an ihr vorbei ließ und hielt eine Tasse Kaffee in der Hand.
"Guten Morgen", nuschelte ich und verschwand schnell ins Bad.

Die tägliche Routine begann. Duschen, Zähne putzen, schminken, anziehen  und zum Schluss noch Haare föhnen, was das nervigste war.

Ich blieb noch einen Augenblick vor dem Spiegel stehen und schaute mir selbst in die blauen Augen. War ich stark genug, um hier zu leben? Würde es ein schönes Leben werden? Würde Jayden mich in Ruhe lassen oder war die Verbindung für einen Werwolf wirklich von so großer Bedeutung?

Ich wusste das Alles nicht und schnaufte überfordert durch, um dann das Bad zu verlassen und mir einen Kaffe aus der Küche zu holen.
"Hast du gut geschlafen?", fragte mich Lisbeth und reichte mir eine Tasse aus dem roten Hängeschrank.
"Ja, aber ich bin andere Zeiten gewohnt."

Sie lachte kurz und sah mich dann belustigt an.
"Du gewöhnst dich daran", kicherte sie und schüttete den Kaffe  in die Tasse, die ich zwischen den Händen hielt. Wir standen schweigend in der Küche und tranken den Kaffe, während eine unangenheme Stille entstand, die ich unbedingt unterbrechen wollte.

"Ich werde mir etwas anderes zum Arbeiten suchen, denn ich will sicher nicht im Wialtrama arbeiten, wo ich täglich Jayden und seinen Jüngern begegnen würde", teilte ich ihr mit und sie schaute daraufhin nachdenklich aus dem Fenster, bis sie sich nach kurzer Zeit wieder zu mir wandte.

"Mach das. Ich wünsche mir nur, das du hier glücklich wirst und ich danke dir, das du dich entschieden hast, zu bleiben."
Sie stellte ihre Tasse ab und nahm mich mit ihrer braunen Strickjacke fest in die Arme. Ich empfand so viel Liebe und Wärme bei dieser Umarmung, dass ich mir wünschte, sie hätte niemals aufgehört.

"Ich muss jetzt los. Ein paar Geschäfte warten. Wir sehen uns also später oder morgen", flüsterte sie mir ins Ohr und löste sich von mir, um sich ihre Handtasche von der Theke  zu nehmen und winkend das Haus zu verlassen. Sie war wirklich eine Frohnatur, die alles so nahm, wie es eben kam.

Während ich aus dem Fenster schaute, reizte mich irgendwie der Gedanke, ins Wialtrama zu gehen, doch ich verbannte die Vorstellung aus meinem Kopf, trank meinen Kaffe aus und lief ins Wohnzimmer, um es mir auf der Couch gemütlich zu machen.

Die Stille versetzte mich in Nervosität. Umso leiser es um mich herum war, umso lauter wurden die Stimmen in meinem Kopf und das versuchte ich zu verhindern.

Ich stand auf, lief hoch in mein Zimmer und zog mir eine weiß-blaue Jacke über die rote Bluse. Meine Haare band ich  zusammen, da ich aus dem Fenster heraus den Wind erkennen konnte, der stärker blies als sonst. Flüchtig lag mein Blick auf meinem Rucksack und ich musste mir vorstellen, wie es wäre, wenn ich es geschafft hätte abzuhauen.

Tief durchatmend schnappte ich mir meinen Schlüssel und lief die Treppe runter, um dann das Haus zu verlassen und von der Kälte eingenommen zu werden.

Ich wollte nicht ins Wialtrama oder zu Jayden. Der Einzige, den ich an diesem Abend noch sehen wollte war Ludwig, aber ich wusste nicht, ob er Zuhause sein würde oder in diesem dreckigen Schuppen, also musste ich zuerst dort nachsehen.

Ich bog um die Ecke und lief die Hauptstraße entlang. Links der dunkle Wald und die Straße, rechts verdunkelte Häuser. So lief ich den Bürgersteig entlang und murmelte mich in meine dicke Jacke ein.

Eddie saß wie immer auf seinem Hocker, doch im Gegensatz zu sonst, stand er diesmal auf und kam auf mich zu. Ich schaute ihn verwirrt an und wollte an ihm vorbei, doch er hielt mich an Arm fest.
"Du bist hier nicht mehr erwünscht", teilte er mir mit und zog mich am Ärmel zurück zur Straße, woraufhin ich mich ihm entriss.

"Wer sagt das?", fragte ich obwohl ich es schon wusste. Er dachte also wirklich, er könnte über mein Leben bestimmen. Ich schaute Eddie wütend entgegen, der mir keine Antwort gab.
"Dann sag mir wenigstens, ob Ludwig hier ist", forderte ich ihn auf und er schüttelte nur leicht den Kopf.

Hinter ihm sah ich plötzlich Chace und Jayden lachend aus dem Wialtrama kommen  und beide hatten schöne Frauen an ihrer Seite. Mir wurde bei schlecht beim Anblick dieser rauchenden, arroganten Idioten und ich wandte mich ab, um den Weg  zu Ludwig entlang zu laufen.

Mir ging während des Weges ein Gedanke nicht aus dem Kopf. Jayden war ein Wolf, also konnte er mich doch sicher von weitem riechen. Wieso kam er dann lachend mit einer Frau aus dem Club? Wollte er mich provozieren? Mir klar machen, dass ich als Mensch zu schlecht für ihn sei? Zu klein und unbedeutend?

Mir gingen diese Gedanken schon nach kurzer Zeit so dermaßen auf die Nerven, das ich wütend gegen einen Mülleimer trat und mir damit auch noch weh tat. Ich verfluchte diesen Mistkerl und konnte mich erst wieder beruhigen, als ich endlich  die Straße mit den wundervollen Häusern erreichte und auf Ludwigs Haus zulief.

Oben in den Fenstern brannte Licht und das ließ mich entspannt durchatmen.

Aufgeregt lief ich über die Kieselsteine und drückte meinen Zeigefinger fest auf die Klingel, was mir ein Grinsen ins Gesicht brachte. Er würde sicher mit mir reden und er würde mich niemals dafür verurteilen, ein Mensch zu sein.

_
945

The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt