4. Kapitel

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Schweißgebadet wachte ich auf und zuckte von dem Gewitter, dass draußen sein Unwesen trieb, erschrocken zusammen. So langsam wurde ich wirklich verrückt von diesen Träumen, denn sie folgten mir mittlerweile bis in die Realität. Wo vorher das Aufwachen mich von Angst befreite, heftete sich dieser unbeschreibliche Schmerz an meinen Verstand und tat mir selbst nach dem Erwachen noch weh.

Erschöpft und völlig durcheinander setzte ich mich auf und schaute mich im Zimmer um. Ein großes Fenster gegenüber meines Bettes gab mir den Blick auf den Wald frei, dessen Bäume von dem Wind schwungvoll hin und her wehten. Unter dem Fenster stand eine weiße Kommode auf der mein Rucksag lag. Neben meinem Bett auf dem kleinen Nachttisch befand sich ein Radiowecker. Er zeigte 13:00 Uhr an und ich wunderte mich darüber, so lange geschlafen zu haben.

Immernoch überwältigt von meiner Träumerei stand ich auf, rieb mir müde die Augen und lief über den hellblauen Teppich rüber zu meinem Rucksack, um mir neue Unterwäsche, eine schwarze zerissene Jeans und einen grauen Kaputzenpullover raus zu kramen. Ich zog mich schnell um und schnappte mir nur noch meine Zahnbürste um dann aus dem Zimmer zu gehen, die Treppe runter zu tapsen und im Bad zu verschwinden.

Das Badezimmer glänzte als wäre man in einem 5 Sterne Hotel. Ich traute mich kaum den Wasserhahn aufzudrehen so sauber war das Waschbecken, doch dann brachte ich es einfach übers Herz, putzte meine Zähne und kämmte hastig durch meine Haare um sie offen herunter fallen zu lassen. Flüchtig schaute ich meinem Spiegelbild in die Augen und verließ dann geschwind das Bad um Lili zu suchen, denn ich wollte sie bitten mich in die Stadt zu begleiten.

Ich hatte alle meine Möbel und Sachen verkauft und nun musste ich mir neue Klamotten zulegen, denn viel gab der Rucksack nicht mehr her.

Ich suchte das ganze Erdgeschoss nach ihr ab, doch nirgends war sie zu finden. Erst ein Zettel in der kleinen roten Küche gab mir den Hinweis darauf, dass sie wohl einkaufen gegangen war. Also hieß das für mich wohl warten.

Ich ließ mich ihm Wohnzimmer auf der Couch nieder und starrte gelangweilt an die Decke. Fragen überschlugen sich in meinem Kopf, denn es kam mir überhaupt nicht so vor, als würde meine Oma meine Hilfe brauchen. Finanziell schien es bei ihr gut zu laufen und sie kam mir fit wie ein Turnschuh vor. Also was sollte ich hier.

"Da draussen herrscht vielleicht ein Unwetter.", riss Lisbeth mich aus meinen Gedanken und ich stand sofort auf um ihr die Einkaufstüten aus der Hand zu nehmen.
"Danke.", gab sie mir einen Kuss auf die Wange und zog sich dann den braunen Mantel und die absolut hässlichen gelben Gummistiefel aus.

"Auf was hast du Lust? Ich hab Spaghetti, Reis oder auch Kartoffeln."
Fragend schaute sie mich an, nachdem wir die Küche betreten hatten und ich die Tüten auf dem Tresen abstellte.
"Ich wollte eigentlich in die Stadt und dort essen.", gab ich ihr lächelnd zurück und hoffte auf ihr Angebot, mich begleiten zu wollen, doch sie sah nur kurz nachdenklich aus und verließ dann die Küche.

Ich stand völlig perplex da und wusste nicht was grade passiert war, doch ohne weiter darüber nachzudenken, räumte ich die Sachen aus und sortierte sie ordentlich im Kühlschrank ein, um mir anschließend ein Glas Milch einzuschenken.

"So. Ich habe Rudi angerufen, denn alleine lassen ich dich bei diesem Wetter nicht raus."
Sie schaute durch das Küchenfenster und schüttelte leicht den Kopf.
"Ist das Wetter hier immer so?", fragte ich sie und stellte mich ebenfalls vor das kleine Fenster.
"Es ist grundsätzlich immer kalt. Der Regen kommt und geht wie er will.", lachte sie und sah mich plötzlich neugierig an.

"Hast du eigentlich schonmal einen Freund gehabt?", lag ihr bohrender Blick direkt auf mir und ich spürte sofort die Wärme in meinen Wangen und wich ihrem Blick gekonnt aus.
"Nein.", hauchte ich und wollte schnell das Thema wechseln.
"Aber sag mal. Wieso sollte ich her kommen? Du siehst nicht aus als würdest du meine Unterstützung brauchen."

Ich war in diesem Augenblick diejenige mit dem neugierigen Blick und wartete auf ihre Reaktion, doch ein Klingeln an der Tür ließ mich die Augen verdrehen und sie die Küche verlassen. Timing war in meinem Leben wirklich nicht vorhanden.

"Hallo, Chase!", hörte ich sie im Flur zu jemanden sagen und mir wurde ganz komisch als ich seine tiefe Stimme wahr nahm.
"Hey, Lisbeth. Wollen wir dann los?"

Rau, erwachsen, tief, bebend.
Ich hätte seine Stimme auf jede erdenkliche Weise beschreiben können, so tief setzte sie sich in meinem Verstand fest und ich platzte fast vor Neugier auf den mir noch Unbekannten.

"Chiara? Kommst du bitte.", grinste meine Oma mir um die Ecke entgegen und hektisch wuschelte ich durch meine Haare und versuchte sie in eine perfekte Position zu bringen. Ein Blick in den Toaster, indem ich mich spiegelte, ein kurzes durchatmen und schon tapste ich mit einem aufgeregten Lächeln in den Flur.

Mein Lächeln verschwand, doch dafür fiel mir unbeabsichtigt die Kinnlade runter. Strahlende grüne Augen, braune kurze Haare und ein Lächeln, das einen umhauen konnte, stand mir plötzlich gegenüber.

Schnell versuchte ich mich zusammen zu reißen und streckte ihm höflich meine Hand entgegen.
"Hi. Ich bin dann wohl Chiara.", murmelte ich und versuchte mich auf etwas anderes als seine schönen Augen zu konzentrieren, doch mein Blick fiel auf seine Lippen und dann spürte ich auch schon seine eiskalte Hand auf meiner.
"Und ich dann wohl Chace.", zwinkerte er mir freundlich entgegen und zog dann seine Hand zurück. Einen flüchtigen Augenblick standen wir uns schweigend gegenüber, bis meine Oma sich räusperte und mich aus der unangenehmen Starre riss.

"Also ich wünsche euch dann viel Spass und vergiss deine Jacke nicht!" Sie machte mir Platz damit ich an ihr vorbei ins Wohnzimmer konnte um meine Jacke überzuziehen.
"Und du passt mir gut auf sie auf.", wedelte sie dann noch ermahnend vor ihm mit dem Finger und setzte dabei eine warnende Mine auf.

"Ich werde sie schon nicht beißen.", lachte er und lief dann vor mir her zu seinem blauen Volkswagen um mir zuvorkommend die Tür aufzuhalten. Nachdem ich einstieg und mich angeschnallt hatte, fiel mein Blick nochmal zu Lili, die mir lächelnd zuwinkte und dann ins Haus verschwand.
"Also dann mal los.", ließ er sich mit seiner dunkelblauen Jacke und der hellen Jeans auf dem Fahrersitz nieder, grinste mir kurz entgegen und startete dann mit dem Blick auf die nasse Strasse gerichtet den Motor.

Ich schaute nur raus in den Regen und fühlte mich wirklich überfordert. Was das nur für ein Tag werden würde, dachte ich noch und schon setzten wir uns in Bewegung Richtung Innenstadt.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt