53. Kapitel

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Sie löste sich von mir, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und schaute mir lächelnd in die Augen.
"Ich bin so froh und dankbar, dass es dir gut geht", hauchte sie und stand dann auf.
"Ich werde dir etwas zu trinken und zu essen holen. Ruh dich aus."

"Lili? Wie lange habe ich geschlafen?", fragte ich sie und setzte mich auf, um meine Füße auf den weichen Teppich zu stellen.
"16 Stunden", antwortete sie mir und verließ dann mein Zimmer. Ich starrte kurz zur Tür und wandt dann meinen Blick zum Fenster, vor dem die Nacht eingebrochen war. Die Dunkleheit brachte mir die Erinnerungen an meinen Traum wieder und erschrocken darüber, stand ich auf und schleppte mich in den Flur, um anschließend vorsichtig die Treppen hinunter zu laufen. Ich wollte nicht alleine sein, es kam mir nämlich so vor, als würde ich unter dieser Einsamkeit keine Luft mehr bekommen. Irgendwas hatte sich verändert und schien mich unglücklich zu machen, obwohl ich so froh war, wieder hier zu sein.

"Was machst du denn? Du sollst dich doch ausruhen", meckerte meine Oma als sie mit einem Glas Wasser in den Flur kam und half mir am Arm, hinüber zur Couch zu gelangen. Ich ließ mich auf das Polster fallen und nahm dankend das Glas Wasser entgegen, das ich dann in einem Zug austrank.

Nachdem ich das Glas auf den Tisch gestellt hatte, fiel mir auf, dass meine Oma mich neugierig musterte, woraufhin ich fragend die Stirn runzelte.
"Was ist?", fragte ich sie und griff nach der Wolldecke, um sie mir umzulegen, obwohl mir gar nicht kalt war.
"Wie fühlst du dich?", stellte sie einfach eine Gegenfrage und ließ sich neben mir nieder, um meine Hand in ihre zu nehmen.

"Ich bin zwar ein bisschen erschöpft, aber sonst gut."
Sie sah mich an, als würde sie auf etwas warten, doch dann löste sie ihren Blick, entzog mir ihre Hand und stand auf.
"Ich koche dir eine leckere Suppe und du bleibst schön hier sitzen", befahl sie und machte sich dann schnellen Schrittes auf den Weg in die Küche.

Ich saß da und starrte nach draußen und obwohl ich kein Fieber mehr hatte und es mir gut gehen sollte, ging es mir innerlich überhaupt nicht gut. Ich konnte den Schmerz, den ich empfand, nicht beschreiben und wollte ihn einfach nur loswerden.

Ich verharrte solange in meiner Starre, das ich erst durch die Stimme meiner Oma meinen Blick vom Fenster nahm.
"Du isst und ich erkläre dir jetzt einige Dinge."
Sie stellte den Teller voll Suppe vor mir auf den Tisch und verließ nochmal das Wohnzimmer, um anschließend mit einem Glas Wodka wieder zu kommen.

"Also", fing sie an und zeigte auf die Suppe, um mich aufzufordern zu essen, während sie sich einen Schluck ihres Glases genehmigte.
"Ich bin schon seit ich denken kann eine Wölfin, deswegen kenne ich mich weder mit der Verwandlung aus, noch mit ihren Folgen. Was ich dir aber sagen kann ist, dass du selbst entscheidest, ob du es weiterhin zulässt oder nicht."

Sie atmete tief durch und beobachtete mich dabei, wie ich hungrig einen Löffel nach dem anderen nahm und ihr gespannt zuhörte.
"Solange du dich verwandelst, alterst du langsamer und Krankheiten werden dich verschonen, aber entschließt du dich, dich nicht mehr zu verwandeln, wird der natürliche Lauf der Dinge dich einholen und dein normales, menschliches Leben wird weiter gehen."

Ich schluckte die warme, wohltuende Suppe herunter und dachte über Lou nach, die sich von Anfang an gegen das Wolfsein entschieden hatte. Sie wollte das nicht, obwohl jeder Mensch sicher froh wäre, von Krankheiten verschont zu bleiben und den Tod herauszuzögern.

"Und noch was", riss sie mich erneut aus meinen Gedanken und forderte meine Aufmerksamkeit. "Ab deiner ersten Verwandlung wird es dir besser gehen. Ich kenne den Schmerz, den du empfindest. Ich spüre es seit du aufgewacht bist. Du fühlst dich einsam, weil dein Inneres nach deinem Rudel schreit."

Erschocken ließ ich den Löffel fallen und schaute sie panisch an.
"Was redest du da? Ich will nicht zu diesem Rudel gehören!", stotterte ich und stand dann auf, um zum Fenster zu laufen.
"Chiara, bitte. Es wird dich zerfressen, von innen nach außen. Du bist schon markiert worden und das von einem Alpha. Er ruft nach dir, ihr braucht einander und du wirst ohne ihn nie wieder glücklich werden."

Sie stand vorsichtig auf und kam auf mich zu.
"Ich wollte nicht, dass es so weit kommt, aber du hast die Chance auf ein wundervolles Leben mit deinem Seelenverwandten. Ich möchte nur das Beste für dich."

Ich sah zu ihr herüber und musste bei ihren Worten entsetzt lachen.
"Du denkst, das er mich glücklich machen könnte? Das meinst du nicht Ernst oder?"
Sie nickte zustimmend, womit sie mich so wütend machte, dass ich mich umdrehte und das Zimmer verließ. Ich rannte die Treppen hoch in mein Zimmer und zog mir warme Kleidung an, um anschließend runter zur Haustür zu eilen.

"Chiara, warte bitte."
"Nein! Was hast du mir nur angetan! Wieso hast du mich hier hergeholt!?", schrie ich sie an, woraufhin mir bei ihrem Blick einiges klar wurde.

"Du wolltest das von Anfang an. Du wolltest das er mich markiert und ich mich verwandel! Deswegen hattest du ihn auch an dem einen Abend eingeladen. Du wolltest das, wegen Opa. Du wolltest, das der Alpha stärker wird und mutiger, um in den Krieg zu ziehen."
Sie weinte in ihre Hände und ich war unfähig auf sie zuzugehen. So sehr mir ihr Wimmern weh tat, ich musste gehen, um meinen Kopf freizubekommen und über einiges nachzudenken.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt