64. Kapitel

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Taumelnd fand ich dann angestrengt den Weg nach Hause, während es heftig anfing zu regnen. Zu gerne würde ich die Gewissheit haben, das Zuhause jemand auf mich warten würde, aber da war niemand.

Angekommen in der Sackgasse joggte  ich die kurze Strecke, um dem Regen nicht die Möglichkeit zu geben, mich komplett einzunehmen, obwohl er das fast schon getan hatte.

Ich schloss die Haustür auf, schubste sie mit einem Ruck wieder zu und suchte sofort das Badezimmer auf, um mich zu duschen. Der Geruch von Wald und Regen hing in meinen Haaren, der zwar angenehm roch, aber ich wollte die Wärme spüren, die durch das von mir angestellte Duschwasser auf meinen Körper herab prasselte. Ich ließ mir extra viel Zeit, denn hier drinnen, umgeben von den fruchtigen Gerüchen, schien die Welt noch in Ordnung.

Erst als ich jede Stelle meiner warmen Haut eingeseift und abgebraust hatte, stieg ich aus der Kabine und lief mit einem Handtuch um den Körper hoch in mein Zimmer, um mir einen flauschigen hellblauen Pyjama anzuziehen. Draußen war es zwar noch hell, aber rausgehen würde ich sowieso heute nicht mehr.

Angezogen beschloss ich, alleine einen Filmabend zu machen und dafür lief ich ins Wohnzimmer, doch gerade, als ich im Schrank nach einem guten Film suchte, läutete es an der Tür. Augenverdrehend ignorierte ich das Klingeln, das irgenwann  aufhörte und in einem nervigen, lauten Klopfen endete.

Ich lief zur Haustür und band mir auf dem Weg noch einen hohen Pferdeschwanz. Genervt zog ich die Haustür auf und rechnete mit dem Schlimmsten, doch es war Jayden, der plötzlich vor mir stand und mich von oben bis unten musterte. Mir entging sein Grinsen nicht, womöglich machte er sich über meinen kindlichen Schlafanzug lustig.

"Welche soll's sein?", meinte er dann und hielt mir eine Tüte auf, in der ich Glühbirnen der verschiedensten Größen erkennen konnte. Verwundert schaute ich wieder hoch zu ihm und erinnerte mich dann, an meine Ausrede, um von ihm weg zu kommen.

"Du bist extra durch den Regen gelaufen, um mir Glühbirnen zu bringen?", fragte ich ihn und wunderte mich über seine plötzliche Höflichkeit mir gegenüber.
"Naja, nicht nur deswegen."

Er zog eine Packung Kamillentee aus der Tüte und obwohl ich es nicht wollte, musste ich so herzlich anfangen zu lachen, das er bei meinem Anblick über beide Ohren strahlte.
"Keine Sorge, meine Oma hat immer Whisky im Haus, du musst wegen mir keinen Tee trinken", grinste ich ihn an, woraufhin er den Tee wieder in der Tüte verschwinden ließ.

"Heißt das, ich darf reinkommen?"
In dem Moment fiel mir erst auf, das ich ihm unbewusst etwas zu Trinken angeboten hatte und das konnte ich ja nicht einfach wieder rückgängig machen, wollte ich auch tief im Inneren  gar nicht.
"Ja", antwortete ich ihm schüchtern und öffnete die Tür ein Stück weiter, woraufhin er sich durch seine schwarzen, nassen Haare fuhr und lächelnd an mir vorbei lief.

"Ich hoffe, ich hab dich bei nichts gestört", fing er dann an und drehte sich zu mir. "Wo brauchst du denn eine neue Glühbirne? Ich kann sie schnell reindrehen."
Mit großen Augen nahm ich ihm die Tüte ab und kaute nervös auf meinen Lippen.
"Äääähm, ich mache das morgen!"
Ich lief luftanhaltend in die Küche und schämte mich ein kleines bisschen dafür, ihn angelogen zu haben, erst recht, wo er plötzlich so nett war und auch der Einzige war, der irgendwie für mich da war.

"Hast du noch so einen für mich?"
Ich drehte mich verwirrt zu ihm um, wie er im Türrahmen stand und auf mich zeigte.
Fragend schaute ich auf mich herunter und musste dann schmunzeln, als ich merkte, dass er meinen Pyjama meinte.
"Sicher nicht in deiner Größe", antwortete ich ihm und wandte mich dann zu einem der Schränke, um die Tüte zu verstauen.

"Möchtest du dann eine Tasse Tee?"
Schaute ich ihn fragend an. Er sah aus, als würde er gleich nur ja sagen, um mich zu beeindrucken, also lachte ich um die Situation zu entspannen und holte die angebrochene Flasche Whisky aus dem Kühlschrank. Er atmete erleichtert aus und folgte mir dann rüber ins Wohnzimmer.

"Du wolltest also einen Film schauen?", fragte er und stand an der Wohnwand, um sich interessiert die Kasetten anzuschauen, während ich die Flasche auf den Tisch stellte und nochmal zur Küche lief, um zwei Gläser zu holen. Als ich zurück ins Wohnzimmer kam, hatte er sich seine Schuhe und Jacke schon ausgezogen und es sich auf der Couch gemütlich gemacht.

"Ja, das wollte ich eigentlich, bis mein Teelieferant unangekündigt vorbei kam."
Ich schüttelte grinsend den Kopf und er schien mich dabei nur neugierig zu Mustern, was mir plötzlich die Röte ins Gesicht trieb. Ich mochte es nicht, so eindringlich beobachtet zu werden und setzte mich nervös auf die andere Ecke der Couch, um unsere beiden Gläser zu füllen.

"Und wenn der Lieferant sich dazu bereit erklärt, jeden Film den du möchtest mit dir zu schauen?"
Er lehnte sich mit seinem schwarzen, dünnen Pullover nach vorne und schaute mir beim Einschenken zu.
"Naja, dann würde ich vielleicht extra den kitschigsten Film für Frauen einlegen, nur um ihn zu quälen."

Er nahm sein Glas in die Hand und wartete darauf, dass ich meins auch nahm, um mir anschließend lange und intensiv in die Augen zu schauen. Mir wurde so heiß in diesem Moment, das ich dachte, ich würde in Flammen stehen. Es war, als würde die Zeit stehen bleiben. Ein Gefühl, dass ich noch nie empfunden hatte. Klar hatte ich bei Ludwig ähnliche Gefühle, aber das hier, war etwas völlig anderes.

Es gab nichts Schöneres. Nichts, was ich lieber angeschaut hätte und bevor ich mich komplett verlieren würde, wandt ich meinen Blick ab und trank hastig einen Schluck des kühlen Whiskys, um mein rasendes Herz zu beruhigen.

"Gut, ich bin dabei. Quäl mich, Chiara. Ich halte das aus. Wie du weißt,  hab ich eine kleine Schwester, die selbst gerne schnulzige Filme schaut."
Er zwinkerte mir überlegen zu und lehnte sich mit dem Glas in der Hand nach hinten, um darauf zu warten, das ich eine Kassette einlegen  würde.

Draußen wurde es bereits dunkel und ich stand auf, um mir zu überlegen, welchen Film ich jetzt einlegen sollte. Während ich die Kasetten durchging, spürte ich seinen Blick auf meinen Rücken, der mich nervös herumzappeln ließ, bis ich plötzlich seine Hand auf meiner Schulter wahrnahm. Eine Berührung, die mich einerseits erschocken zusammenzucken ließ, doch auch Gänsehaut auf meinen Armen entstehen ließ.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt