38. Kapitel

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Ich stand mit ihr in einem kleinen, dunklen Flur und folgte  ihr bis nach ganz hinten durch einen Türbogen. Es war die Küche und die sah wirklich sehr altmodisch aus. Das Holz  hatte seine besten Zeiten hinter sich und die Eckbank am Tisch, rundete dieses Bild noch ab.

"Wir gehen gleich los, okay?", fragte Lou eine ältere Dame mit braunen, langen Locken, die gerade am Kochen zu sein schien.
"Schatz, es gibt eine Planänderung."
Die Frau hob ihren Kopf und sah mich strahlend an.
"Oh, du musst Chiara sein."

Sie kam mit ihrer grün-weiß karierten Schürze aufgeregt auf mich zu und nahm mich fest in  die Arme. Ich fühlte mich zwar ein wenig überrumpelt, aber ich ließ mich auf die Umarmung ein, die mir sofort ein angenehmes Gefühl gab.
"Was ist denn die Änderung?"

Lou schaute sie stirnrunzeld an, woraufhin die Frau sich von mir löste und ein wenig zerknirscht wirkte.
"Jayden wollte-"
"Ist das dein Ernst Mama?", fauchte Lou und stampfte anschließend wütend  aus dem Zimmer.

Ich blieb verwirrt stehen und bemerkte, wie die Frau mich neugierig musterte.
"Ich bin übrigens Nicole", zwinkerte sie mir zu und lief dann eilig wieder zu ihrem dampfenden Topf.
"Setz dich ruhig. Sie beruhigt sich gleich wieder, keine Sorge."

Ich nahm lächelnd an dem Esstisch Platz und fühlte mich irgendwie unwohl, obwohl sie recht nett zu sein schien.
"Weißt du. Jayden wollte die Kühe selbst raus führen und das passt meiner Kleinen nicht. Die Beiden haben sich sowieso nie wirklich verstanden. Erst recht nicht seit-"

Sie unterbrach sich selbst und atmete tief durch, während ich sie interessiert anstarrte. Ich dachte eigentlich, sie würde ihren Satz  zu Ende bringen, doch  stattdessen kam Lou wieder ins Zimmer und gab mir ein Handzeichen, ihr zu folgen. Ich verabschiedete mich von Nicole und lief der Braunhaarigen hinterher.

Draußen an der frischen Luft liefen wir vom Hof runter und machten uns wieder auf den Weg in die Stadt.
"Weißt du was mich wirklich nervt?! Das dieser Idiot sich  nur einmal die Woche zuhause blicken lässt und es dabei sogar noch schafft, einem die Pläne zu durchkreuzen."
Sie trat sauer gegen einige kleine Steine, die auf dem Weg lagen, was mich nur erahnen ließ, wie sauer sie wirklich war.

"Ist er schon immer so gewesen?", fragte ich sie vorsichtig und sie schaute mich plötzlich lächelnd an.
"Nein, im Gegenteil.  Früher war er so hilfsbereit und lustig. Jetzt lacht  er kaum noch. Es geht immer nur um das Rudel und seine Jünger. Das nervt einfach."

Ihr Lächeln verschwand und ich musste mir einen Moment lang einen hilfsbereiten, lustigen Jayden vorstellen.  Er war alles andere als das und es war kaum zu glauben,  dass er mal so gewesen sein soll.
"Naja, egal. Dann gehen wir halt leckere Waffeln essen. Soll er ruhig im Matsch rum laufen", kicherte sie dann wieder und hakte sich erfreut bei mir ein. Sie war wirklich eine launische Persönlichkeit, aber das fand ich sogar ziemlich gut an ihr.

Ich genoss die Ruhe beim Laufen und beobachtete die Menschen um uns herum. Bei jedem musste ich mich fragen, ob er wohl zum Rudel gehörte oder nicht, bis mir wieder die Feier einfiel.
"Weißt du was das für eine Feier ist?", fragte ich sie und sie grinste mich nur dämlich an.
"Ja, die Rudel feiern ihre unermessliche Stärke und ihre unbegrenzte Dummheit", lachte  sie und brachte mich damit auch zum Lachen.

"Nein, aber im Ernst. Da geht es darum zu zeigen, wer der coolste ist, wer der stärkste ist und um vielleicht einen Partner in anderen Rudeln zu finden. Außerdem wird viel getrunken und getanzt."
Mein Magen überschlug sich kurz, beim Gedanken daran, wie viel ich schon getrunken hatte seit ich hier war. So viel Alkohol hatte ich in all den Jahren davor nichtmal getrunken.

Gedankenverloren bekam ich überhaupt nicht mit, dass wir schon am Markplatz angekommen waren und schon suchten  wir uns außen am Waffelhaus einen Platz. Es war zum Glück nicht viel los und wir wurden auch schnell bedient.

Zwei warme Kakaos und zwei Waffeln mit Puderzucker.

Es roch einfach himmlisch. Ich blendete alles um mich herum aus und konzentrierte mich nur noch auf das Essen und auf die hübsche Braunhaarige, die mir gegenüber saß.
"Er hat mir auch Chace weggenommen", sprach diese plötzlich leise als ich den ersten Biss der warmen, weichen Waffel nahm. Ich schaute sie irritiert an und schluckte das Stück herunter.

"Wie meinst du das?", fragte ich dann und schaute dabei zu, wie sie mit der Gabel anfing in ihrer Waffel rumzustechen und dabei tief durchzuatmen.
"Früher waren wir beste Freunde, aber als er sich einige Male verwandelt hatte und damit zum Rudel gehörte, hat er sich verändert."

Ihre Tonlage war von Schmerz erfüllt. Es hörte sich  fast so an, als würde sie gerne weinen wollen, doch das hatte sie sicher schon zu oft getan. Ich bekam ein richtig schlechtes Gefühl und selbst ich, die bei Süßem immer verfressen war, fing an, in der Waffel betrübt herumzustechen.

Es sah sicher wahnsinnig deprimierend aus für Außenstehende. Zwei hübsche Mädchen beim Einbruch der Dunkelheit saßen an einem Tisch und schauten traurig den leckeren Waffeln entgegen. Ich hatte das Gefühl, diese unangenehme Stille durchbrechen zu müssen.

"Dann rede doch einfach mit ihm. Chace kam mir immer sehr höflich und mitfühlend vor", schlug ich ihr vor, doch  sie lächelte  mir nur schief entgegen.
"Nein, hab ich schon versucht. Außerdem würde Jayden das gar nicht erlauben. Frauen für eine Nacht sind beim Rudel willkommen, oder Frauen die man heiratet, aber ansonsten keine weibliche Ablenkung."

Ich stach bei ihren Worten so fest mit der Gabel in die Waffel, dass ich kurz dachte, ich hätte den Teller zerteilt, doch zum Glück war noch alles heile. Die Wut über Jayden und seine Art zu leben, zerriss mich innerlich. Doch es war nicht die Zeit durchzudrehen oder über ihn nachzudenken.  Ich wollte viel lieber der Kleinen einen schönen Abend bereiten und verbannte dann Jayden und alles, was mit ihm zu tun hatte, aus meinen Gedanken.
"Komm doch heute Nacht mit zu mir. Wir können einen Filmabend machen."

Sie nickte bei meinem Vorschlag und legte das Geld zum bezahlen auf den Tisch, um sich mit mir auf den Weg zu mir nach Hause zu machen.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt