65. Kapitel

11K 503 58
                                    

Wie benebelt schaute ich ihm in die Augen, während er neben mich trat und seine Hand von meiner Schulter nahm. Er lächelte flüchtig  und wandt seinen Blick dann zu dem Kassetten, doch ich starrte ihn immernoch an und auch die Wärme, seiner Hand, konnte ich noch ganz genau auf meiner Schulter spüren.

"Hey", schnipste er vor mir in die Luft und befreite mich damit aus der Starre.
"Geht es dir gut?"
"Ja", hauchte ich wie ich Halbschlaf, doch dann riss ich mich zusammen und widmete meine Aufmerksamkeit den Kassetten.

"Wie wäre es mit dem?", hielt er mir eine Kassette vor Augen, auf der ein weißer Streifen mit einem Herz aufgeklebt war.
"Wird wohl eine Schnulze sein, also ja", grinste ich und während er sich wieder zur Couch begab, legte ich den Film ein und atmete dabei mehrmals beruhigend durch. Er machte mich mit seiner Anwesenheit so nervös,  dass ich eigentlich nur noch ein Stottern herausbringen sollte. Doch wieso auf einmal? Vorher war es doch auch nicht so, doch wahrscheinlich war mir zum ersten Mal seine Meinung über mich wichtig.

Zögerlich drehte ich mich um, schnappte mir die Fernbedienung und ließ mich auf meine Seite der Couch fallen, sodass sicher noch zwei Personen zwischen uns gepasst  hätten. Zu gerne hätte ich diesen Anstand verringert, alleine aus Neugier über seine Wirkung auf mich, aber ich tat es einfach nicht und blieb sitzen.

Während ich die richtigen Tasten versuchte zu drücken, machte er es sich anscheinend noch gemütlicher, denn von sitzen war bei ihm keine Rede mehr. Er streckte seine Beine aus und legte seinen Kopf auf ein Kissen, das nur wenige Zentimeter von meinem Oberschenkel entfernt lag. Der Duft seiner Haare, aus dem man den Regen riechen konnte, schoss mir sofort in die Nase und mit ihm beruhigte ich mich ein klein wenig mehr. Als wäre sein Duft eine dieser Kerzen, die im ganzen Raum für Entspannung sorgen sollten, nur roch er besser, als es eine Kerze je könnte.

"Brauchst du Hilfe?", fragte er und lehnte sich dabei auf seinen Arm, damit er mich anschauen konnte.
"Nein, ich hab's gleich", murmelte ich und zack, fingen die ersten Bilder an zu flimmern. Ich lehnte mich zurück und auch er legte sich wieder auf die Seite, um gespannt dem Film zu folgen, der nicht nur in schwarz-weiß ablief, sondern auch noch ein Stummfilm zu sein schien.

"Du willst mich wirklich quälen, oder?", lachte er herzhaft auf und erhob sich wieder, um sein Glas in einem Zug auszutrinken. Ich beobachtete ihn dabei und musste über die Tatsache schmunzeln, dass er das wirklich durchziehen würde und das nur für mich.

Als er sich kurz zu mir drehte, wich ich seinem Blick aus und schaute schnell wieder in den Fernseher, doch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
"Darf ich dich etwas fragen?", kam es dann von ihm, woraufhin ich ihm interessiert zunickte.
"Wie war dein Leben, bevor du hergekommen bist?"

Ich überlegte kurz uns trank einen Schluck.
"Auf jeden Fall einfacher", lächelte ich und auch er lächelte zuckersüß, während er mich weiterhin neugierig anschaute.
"Und deine Mutter? Wie ist sie so?"
"Sie ist eine der stärksten Frauen, die ich kenne, aber auch sehr eingenommen von sich selbst", erklärte ich ihm und mir entging dabei nicht, das er ein Stück näher zu mir rutschte.

"Darf ich jetzt was fragen?" Ich schaute ihn Ernst an und er nickte, nachdem er einen Schluck getrunken hatte.
"Hattest du schonmal... eine ernste Beziehung?"
Er wich meinem Blick aus und lehnte sich nach hinten, um tief ein- und auszuatmen.
"Nein, hatte ich nicht. Die meisten hier kennen sich ihr ganzes Leben und ich war nicht gerade beliebt."

Ich bemerkte die Traurigkeit in seiner Stimme, doch konnte irgendwie nicht glauben, was ich da gerade hörte. Immerhin sah ich selbst schon mehrere Frauen, die an ihm hingen wie Kaugummi.
"Du und unbeliebt? Du besitzt mehr Bhs als ich", grinste ich, um die Stimmung zu lockern, auch wenn ich mich innerlich bei diesem Gedanken ärgerte.

"Die wollen nicht wirklich mich. Bevor ich ein Alpha wurde, war ich ein ganz normaler Bauernjunge, der nichts weiter besaß, als seine kleine Hütte im Wald. Keine einzige Frau hatte je Interesse an mir gezeigt, bis ich Alpha wurde und sie mir auf einmal zu Füßen lagen."
Seine Worte klangen bitter und ich erkannte, dass wir mehr gemeinsam hatten, als ich je gedacht hätte. Ich hatte ihn schon so oft verurteilt und das, ohne ihn und seine Vergangenheit zu kennen.

"Du bist mehr, als nur ein Alpha", versuchte ich ihn aufzumuntern und ließ meine Hand auf seiner nieder, woraufhin er mich ansah und mir seine Hand entzog. Ich dachte ich hätte etwas Falsches gesagt, doch er legte sie mir vorsichtig die Wange, was mir ein unglaubliches Gefühl der Wärme  und Geborgenheit gab. Ich lehnte meine Wange an seine Hand und legte meine darauf, während er noch ein Stück näher kam.

Diesen Moment würde ich niemals vergessen, so unscheinbar und trotzdem glühte mein ganzer Körper vor Aufregung. Es lag eine Spannung zwischen uns, die es mir schwer machte, überhaupt noch zu atmen. Durch die Stille um uns, hörte ich meinen schnell schlagenden Herzschlag, während ich ihn ansah und das Flimmern des Fernsehers den sonst so finsteren Raum immer wieder leicht erhellte.

So nah waren seine Lippen den meinen, das meine Wölfin vor Sehnsucht nach mehr  Berührung laut aufjaulte, während seine Hand meine Wange streichelte, wodurch das angenehme Kribbeln in meinem Magen nur noch verstärkt wurde.

Es würde passieren, ich wusste es und mit meinem tanzenden Herzen schloss ich die Augen und wartete auf den Kuss meines Seelenverwandten.

_
917

Habt ihr schonmal Stummfilme geschaut? ^^

The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt