77. Kapitel

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Mit stechenden Kopfschmerzen kam ich langsam zu mir und schaffte es erst, nach mehrmaligen tiefen Atemzügen, meine schweren Lider zu öffnen.

Es war zwar dunkel, aber noch hell genug um meine Umgebung zu erkennen. Die Steinmauern über mir sahen kalt und feucht aus, während ich an der Wand neben mir ein kleines Fenster mit Gitterstäben erkennen konnte. Ich spürte unter meinem Rücken die harte Liege, die wahrscheinlich für meine Rückenschmerzen verantwortlich war und nachdem ich mich mit tief eingezogener Luft erhob, sah ich die riesigen dicken Stäbe, die mich von einem dunklen Flur trennten.

"Das ist die Hölle", flüsterte ich leise vor mich hin und zuckte zusammen, als ich eine bekannte Stimme aus Richtung des Flures hörte.
"Chiara? Geht es dir gut?"

Ethan klang schrecklich, als hätte er tagelang nichts getrunken, so krächzte er. Ich drückte mich mit den Händen von der Liege hoch und stolperte herüber zu den Stäben, während ich mir unter quälenden Schmerzen den Kopf festhielt.

"Ethan", flüsterte ich und da sah ich ihn auch schon, in einer noch kleineren Zelle auf der anderen Seite des engen Flurs. Sein Gesicht war voller blauer Flecken, sein Hals zerbissen und ich riss unter Panik die Augen auf, aus denen sich die ersten Tränen den Weg nach draußen bahnten.

Ich erinnerte mich wieder an alles. An meine Flucht, den Kampf und auch daran, von etwas am Kopf getroffen worden zu sein. "Oh gott", hauchte ich und sah zitternd an mir herunter. Ein dreckiges viel zu großes, weißes Nachthemd bedeckte meinen Körper und ich wollte mir gar nicht vorstellen, was die Angreifer nackt mit mir angestellt hatten.

"Wo sind wir?", stotterte ich zitternd zu Ethan, doch er zeigte wieder mal kein Mitgefühl.
"Da wo deine Trotzige Art uns hingeführt hat."

Ich schaute ihm fassungslos entgegen, wie er sich von den Stäben entfernte und die Dunkelheit seiner Zelle verschwand.
Mit jedem wäre ich lieber hier eingeschlossen, okay, nicht mit jedem, aber fast.

Mein Blick fiel zurück auf die Liege und ich musste mich kurz beruhigen, um nicht am Rad zu drehen oder einen Nervenzusammenbruch zu erleiden. Ich wischte mir mit meinen dreckigen Händen die Tränen aus dem Gesicht, um wieder zur Liege zu laufen und auf ihr Platz zu nehmen.

Meine Gedanken schweiften zu Jayden, der mir so weit entfernt vorkam und der Streit, den wir hatten, kam mir plötzlich so winzig vor. Ich wusste endlich, was Ludwig meinte, dass es besser wäre ich würde eine Verbindung mit Jayden eingehen, denn ich spürte am eigenen Leib die Ausmaße davon, wenn ich es nicht tat.

Ein lautes Knallen und schwere Schritte rissen mich aus den Gedanken und bereiteten mir vor Angst und Aufregung Herzschmerzen, die mich innerlich aufschreien ließen.

"Eine normaler Rundgang und was finden wir? Die Luna und den Beta des Rudels."
Die Stimme des Mannes klang dunkel und rau und jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Ich schloss die Augen und zitterte am ganzen Körper. Hätten diese Leute nichts Schlimmes mit uns vorgehabt, würden wir sicher nicht in diesen Verließen sitzen wie erbärmliche Ratten.

"Du!", hörte ich ihn sagen und gleich darauf einen Schlüssel. "Du kommst mit!"
Ich öffnete die Augen und sah einen großen Mann, der meine Zelle öffnete und eine Kapuze bis tief ins Gesicht gezogen hatte.

Ehe ich irgendwie reagieren konnte, nahm ich das laute Knurren von Ethan wahr, der an seinen Stäben rüttelte.
"Wenn du sie anfasst, schlitz ich dir deine scheiß Kehle auf!", brüllte er den Mann an, der über seine Worte nur müde lächelte.

"Ohhh Ethan, du bist doch sonst nicht so ehrenhaft und setzt dich für Schwächere ein. Ein Egoist, der nichts kann , außer Rauchen und rumhuren."
Der Mann verließ meine Zelle und lief direkt  zu Ethan ans Gitter.

"Komm, trau dich und mach meine Zelle auf, dann zeig ich dir was ich noch so drauf habe!", knurrte Ethan und versuchte den Mann durch die Lücke zwischen den Stäben zu packen, doch dieser wich elegant aus und wandte sich einem anderen kleineren Mann zu, der fast noch zu jung aussah, um in solchen Verließen herumzulungern.
"Bring  sie hoch."

Der Kleine kam auf mich zu und zog mich grob am Arm mit sich raus aus  der Zelle. Ich war zu schwach, um mich wehren. Zu erschöpft,  um zu schreien.  Ich ließ es einfach zu und spürte nur das ängstliche pochen meines Herzens.
"Du dummes Stück Scheiße ! Wenn ich hier rauskomme, reiß ich dir den Arsch auf!"

Ich wurde den Flur entlang bis zu einer schmalen Treppe gezogen, an der ich immernoch Ethans wildes Gebrüll hören konnte, der wahrscheinlich schon an den Gitterstäben herumnagte, um dort auszubrechen. Der Kleine lief mir voran die Treppen hoch, während der Große hinter mir blieb.

Die Beiden Sprachen keinen Ton mit mir und erst, als ich an den Treppen oben angekommen war und eine Holztür hinaus trat, fühlte ich mich wieder in der Zivilisation.

Es glich dem Markplatz von meinem Zuhause. Überall rannten Kinder und lachten, während Erwachsene sich amüsiert unterhielten.

Ich drehte mich fragend zu dem Großen  um und erkannte die giftgrünen Augen, die ich vor meinem Zusammenbruch das Letzte mal gesehen hatte.
"Komm mit", befahl er mir und zog mich hinter sich her zu einem großen Haus, von dem er die Tür mit Schwung aufstieß und mich hinein schubste.

"Sag mal, geht's noch?", fauchte ich wütend, als ich fast von ihm gegen einen Tisch  geschleudert wurde, doch er packte mich unsanft am Kinn und drückte mich so stark gegen die weiße Wand, das ich meinte zu ersticken.
"Was ist dein Plan Luna?", sprach er ruhig und hörte dabei nicht auf, mir tief in die Augen zu schauen.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt