68. Kapitel

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Der Tag zog an mir vorbei, während Sehnsucht und Zweifel sich in meinen Gedanken abwechselten und der Regen so laut herabprasselte, als würde er heute auch nicht mehr damit aufhören.

Nichts hatte ich getan, obwohl ich so vieles vorhatte. Gerade so stopfte ich mir zwei Toasts rein und schaffte es noch zu duschen, ehe ich stundenlang nur mit einem Handtuch bedeckt auf meinem Teppich lag und die weiße Decke über mir  anstarrte.

Ich fühlte mich so stark, als könnte ich Bäume ausreissen und gleichzeitig so schwach, dass ich es nichtmal schaffte, mich anzuziehen. Eine Last, die meine Schultern runterzog, während mein glückliches Herz mich zum schweben brachte. Es war ein seltsames Gefühl, so hin und hergerissen zu werden, doch ich spürte plötzlich etwas in mir, das ich unbedingt freilassen wollte. Meine Lust mich zu verwandeln.

Mir war der Regen egal und auch, dass ich mich ein klein wenig erschöpft fühlte.  Als Wölfin würde die Last der Zweifel sicher verschwinden, die mich sonst wahrscheinlich noch Tage auf dem Teppich festgehalten hätte.

Ich erhob mich und zog mir Klamotten über, bei denen es mir egal war, ob sie danach zerissen wären und eilte dann nach unten, um nachdenklich an der Tür inne zu halten. Wo sollte ich meinen Hausschlüssel verstecken? Ich überlegte kurz und entschied mich dann, ihn in einen kleinen Blumentopf meiner Oma zu stopfen und zog dann langsam die Haustür zu, um durch den Garten zum Waldrand zu laufen.

Dort angekommen, war ich schon pitschnass und ich fühlte mich nicht nur durchnässt, sondern auch hilflos. Wie stellte man es an? Sollte ich mich selbst solange provozieren, bis es aus Wut passieren würde? Das war kaum möglich. Am liebsten wäre ich zu Ludwig. Nach unserem letzten Treffen hätte er es sicher geschafft, mich zur Weisglut zu treiben.

Grübelnd lief ich um die Bäume herum und hörte dem Regen zu, während der Himmel immer dunkler zu werden schien. Nach mehreren Minuten, die mir vorkamen wie Stunden, entschied ich mich, mich einfach selbst zu zwingen.

Ich stellte mich so in den Wald, dass von den Häusern hinter mir mich hoffentlich keiner mehr sehen konnte und fing dann verzweifelt klingende Selbstgespräche an.

"Verwandel mich!", fordere ich mich selbst auf und streckte die Arme weit nach oben, woraufhin ich kurz die Luft anhielt, um anschließend laut anzufangen über mich selbst zu lachen. Wenn mich jemand sehen könnte, dachte ich und schüttelte belustigt den Kopf. 

"So wird das aber nichts", hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Es war seine und sofort überkam mich ein freudiges Lächeln, das sich, als ich mich umdrehte, in Luft auflöste.
"Hey ihr", murmelte ich und schenkte Ethan nur einen flüchtigen Blick, um dann in die strahlenden Augen zu schauen, die mir einfach nur warm entgegen starrten.

"Brauchst du Hilfe?", fragte er mich und kam so nah an mich heran, dass mir die Knie weich wurden,  doch ich ließ mir nichts anmerken.
"Nein, ich hatte nur etwas Rascheln gehört und wollte nachsehen."
Er ließ meinen Blick nicht los und nahm mich an der Taille, um mich an ihn heran zu ziehen.

Sein Duft zauberte mir ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht, während seine Umarmung sich so wohlig und schön anfühlte, als wäre für kurze Zeit kein Platz mehr für Zweifel. Ich schloss meine Augen und öffnete sie erst wieder, als Ethan neben mir anfing zu lachen. Verwirrt schaute ich zu ihm, wie er dastand, mit seinem grauen Tshirt und der hellen Jogginghose, die vom Regen schon ziemlich schmutzig aussah.

"Wenn du ein Rascheln hörst, wieso rufst du dann verwandel mich und streckst deine Arme in die Höhe?", grinste er und verschränkte seine Arme vor der Brust.
Ich sah kurz zu Jayden, der seine Hände immernoch an meiner Taille hatte und auch er hatte ein Grinsen auf den Lippen.

Sofort wich alle Farbe aus meinem Gesicht und ich riss peinlich berührt die Augen auf. Schnell machte ich einen Schritt rückwärts und stand sprachlos da. Wie sehr hoffte ich in diesem Moment, das ein großes Loch unter mir auftauchen würde und mich dieser Situation entreißen würde.

"Aller Anfang ist schwer." Jayden kam mit diesen Worten auf mich zu und legte mir beruhigend seinen Arm um die Schulter, um mit mir gemeinsam zu Ethan zu schauen.
"Der Angeber dachte, es würde nur nackt funktionieren und lief eine Weile so durch die Wälder", lachte er und auch ich musste schmunzeln. Nur Ethan verging sein Lächeln, während er die Augen verdrehte und näher zu uns heran kam.

"Weißt du noch, wie ich dir das zurückverwandeln erklärt hatte?", fragte er und ich nickte ihm schüchtern zu. Eigentlich war ich ihm gegenüber immer selbstbewusst, doch die Tatsache, das sie mich in so einem peinlichen Moment beobachtet hatten, nagte an meinem Selbstbewusstein.

"Stell es dir andersherum vor. Deine Pfoten auf dem Waldboden, wie sie sich bei jedem Schritt reindrücken. Die lauten Geräusche um dich herum, die man als Mensch kaum wahrnehmen konnte. Dein Fell, auf dem die Regentropfen sich teilen würden."
Er sah mich auffordernd an, als wollte er, dass ich es gleich hier probieren sollte, doch mir war die Lust vergangen.

"Ein anderes Mal", lächelte ich ihn entschuldigend an, woraufhin er nur dämlich grinste.
"Dann hast du aber vielleicht keinen Profi an deiner Seite", zwinkerte er und kramte in seiner Hosentasche nach seinen Zigaretten.
"Hab ich doch jetzt auch nicht, oder?", gab ich ihm so ernst und verwundert zurück, das die Brust des Alphas neben mir anfing zu beben vor Lachen und auch  ich musste belustigt kichern.

"Jaja, lacht ihr nur", murmelte  er und versuchte sich eine Zigarette anzuzünden, doch bei dem Regen fiel es ihm sichtlich schwer.
"Soll ich dir helfen?", fragte ich ihn lächelnd,  doch er drehte sich um und schaffte es dann doch noch alleine.

"Kommst du mit zu mir? Wir wollten ein wenig abhängen und vielleicht den ein oder anderen Film schauen", fragte mich Jayden, der dabei seinen Arm von meiner Schulter nahm, um vorsichtig nach meiner Hand zu greifen.
"Ich kann dir einen tollen Stummfilm empfehlen", witzelte ich und sah ihm dabei zufrieden in die Augen.
"Ohja, ich kenne auch einen", lächelte er und als ich dann meinen Blick zu Ethan wandt, sah der uns nur an, als hätten wir den Verstand verloren.

"Ja, ich komm gerne mit", bejahte ich dann seine Frage und lief mit im Hand in Hand Ethan hinterher, der immer wieder neugierig zu uns nach hinten sah.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt