46. Kapitel

11.1K 488 59
                                    

Es war die reinste Folter. Ich musste ihm die ganze Zeit aufmerksam folgen, immer schön Lächeln und vielen Leuten die Hand schütteln, als wäre es mir eine Ehre sie kennenzulernen, obwohl sie mich überhaupt nicht interessierten. Ich machte bei diesem Schauspiel nur mit, in der Hoffnung, er würde mich danach einfach in Ruhe mein Leben lesen lassen, aber war es das wirklich wert?

"Wo ist Lou?", flüsterte ich leise zu Jayden, als wir etwas neues zum Trinken holten und endlich kurz alleine waren.
"In meiner Hütte", gab er mir leise zurück und reichte mir lächelnd ein Glas, als wäre es das Normalste der Welt seine Schwester einzusperren. Ich erwiderte ihm nichts darauf, obwohl es mich rasend machte, denn es hätte sowieso keinen Sinn gehabt. Auf mich hörte er nicht und hier einen Streit anzufangen, würde nur in einer Katastrophe enden.

Ich nahm mir vor, noch einige Minuten zu bleiben und dann abzuhauen zu Lou.
"Das ist sie also", begrüßte ein älterer Mann mit Hut Jayden und reichte mir freundlich die Hand, als er neugierig auf uns zukam.
"Ich hoffe er geht gut mit ihnen um", meinte er grinsend, als er meine Hand schüttelte.
"Sie machen sich ja keine Vorstellungen", gab ich ihm lachend zurück, woraufhin er mein Lachen erwiderte und Jayden stolz seinen Arm um mich legte. Es kam mir falsch vor, ihn so gut dastehen zu lassen, also leerte ich das Glas Sekt, stellte es hinter mir auf den Tisch und schaute den Mann erneut an.

"Nur die Alkoholsucht und die vielen Prostituierten, dass bringt uns immer wieder an unsere Grenzen", erklärte ich ihm so laut, dass auch andere mich hörten und winkte dann belustigt Jayden zu, der aussah, als würde er gleich umkippen, so leichenblass wurde er.

Ich drehte mich um und lief zur Tür, um diese scheiß Feier zu verlassen und an den Rauchern  vorbei und angekommen am Waldrand, wunderte es mich nicht, dass Jayden mich wütend festhielt.
"Was sollte das? Ich dachte wir hätten eine Abmachung?", fragte er mich und schaute dabei drohend auf mich herab, doch ich entriss ihm meinen Arm und stampfte wütend weiter.

"Chiara!", hörte ich ihn noch rufen, doch er kam mir nicht weiter hinterher. Dieser Idiot verstand anscheinend gar nichts. Nicht nur, das er zuließ, dass sein Beta seine Schwester beleidgte, als wäre sie eine kleine Hure, mich nutzte er für seine Zwecke und dafür, war er nichtmal an diesem Abend nett zu mir, im Gegenteil, er ignorierte mich und gab mir Befehle, als sei  ich ein Soldat an vorderster Front.

Beim Laufen durch die Dunkelheit wurde ich immer wütender, umso mehr ich über alles nachdachte und ich musste mich zusammenreißen, meinen Zorn nicht in den Wald hinein zu schreien.

Erst als ich die Hütte sah, beruhigte ich mich und lief auf sie zu, um an der Tür zu klopfen. Lou machte mir auf und sah aus, als hätte sie stundenlang geweint, was sie wohl auch getan hatte. Das Kleid lag hinter ihr auf der Couch und sie hatte Schlafsachen an, die ihr viel zu groß waren.

Sie schluchzte sofort wieder los und ich nahm sie tröstend in die Arme, während ich mir die Tränen zurückhalten musste. Sie tat mir so leid, denn im Gegensatz zu mir, litt sie schon viel zu lange unter dem Rudel und seinem Anführer.

Erst als wir uns lösten fiel mir auf, dass ich meine Jacke vergessen hatte, doch vor lauter Emotionen bemerkte ich die Kälte erst in diesem Moment, als ich immer mehr zur Ruhe kam und alles hinter mir ließ.

Sie lief schweigend voraus und kuschelte sich unter eine Decke auf die Couch, während ich die Tür schloss und mich dann neben ihr nieder ließ.
"Wie war es noch?", sprach sie leise zu mir und wischte sich die Tränen dabei aus dem Gesicht.
"Du hast wirklich nichts verpasst."

Sie lächelte mir halbherzig zu und wandt ihren Blick wieder ins Leere. Ich ließ mich nach hinten in die Couch fallen und atmete tief durch, um mich zu entspannen, doch wie sollte ich entspannen? Ich war in seiner Hütte, in der sein Geruch lag und stellte mir angewidert vor, dass er hier auf der Couch sicher schon mit vielen geschlafen hatte. Mein Herz stolperte bei diesem Gedanken und ich stand erschrocken über meine Eifersucht auf, während Lou mich fragend ansah.

"Wir gehen!", wies ich sie an und half ihr an der Hand hoch, um anschließend mit ihr dieses Loch zu verlassen und zur Straße zurück zu laufen. Vor dem Wialtrama sahen einige Raucher zu uns herüber, doch ich beachtete diese gar nicht und nahm Lou an der Hand, um mit ihr die Straße  zu mir entlang zu laufen, doch Chace kam plötzlich auf uns zu und sah wirklich besorgt aus.

"Soll ich euch nach Hause bringen?", fragte er und schaute dabei nur Lou an, die seinem Blick aber auswich und in die Dunkelheit des Waldes starrte.
"Brauchst du dafür keine Erlaubnis?", gab ich ihm provokant zurück, woraufhin er mir beschämt entgegen blickte.

Es tat mir sofort leid, ihn so dastehen zu lassen und er war ja auch der Einzige, der noch einigermaßen normal war.
"Entschuldige. Ich meinte das nicht so und ja, es wäre nett wenn du uns fahren könntest, denn langsam wird mir wirklich kalt."

Er nickte mir zu und zog dabei seine Jacke aus, um sie mir umzulegen.
"Ich hole schnell mein Auto."
Ich stellte mich mit Lou an den Straßenrand und wartete auf Chace, der zum Glück auch schnell angefahren kam.

Kaum saßen wir im Auto, fing er ein Gespräch mit uns an, das sich natürlich wieder nur um Jayden drehte.
"Chiara, eigentlich hättest du dich nach seinem Biss verwandeln müssen, aber das hast du nicht.  Ist dir klar was das bedeutet?"

Ich schaute vom Beifahrersitz aus rüber zu Chace und runzelte verwirrt meine Stirn.
"Was meinst du damit?", fragte ich und sah dann flüchtig nach hinten zu Lou, die auch nur irritiert mit den Schultern zuckte.
"Es ist so..."

_
988

The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt