63. Kapitel

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Es dauerte nicht lange, da hörte ich, wie sich die Tür der Hütte öffnete. Ich schaute immer noch an den Baum gelehnt in die Richtung des Geräusches,  aus der mich die bekannten eisblauen Augen ansahen.

Er sagte kein Wort und kam auch nicht näher, als wäre ich ein scheues Reh und er wollte vermeiden, dass ich mich vor Schreck zurückziehen würde. Schweigend standen wir uns gegenüber und er kam mir so nah vor, obwohl so viele Meter zwischen uns lagen.

Als er dann ohne ein Wort zu sagen, seinen Kopf zur Seite nickte, um mir stumm mitzuteilen, das ich ihn nach drinnen begleiten sollte, löste ich mich zögerlich von dem Baum und lief langsam auf die Tür zu, um dann hinter ihm in die Hütte einzutreten.

Während er die Tür hinter mir schloss, traute ich meinen Sinnen nicht mehr. Nichts war mehr von dem kalten Rauchgeruch übrig, der sonst immer so bedrückend in der Luft lag. Es roch angenehm, nach Parfüm und Blumen, was mich kurz die Augen schließen ließ, um tief durchzuatmen.

Als ich meine Augen wieder öffnete, fiel mir auch die Ordnung auf, denn statt leeren Flaschen auf dem Tisch, waren dort kleine Schüsseln mit Süßigkeiten  und Kerzen platziert. Wahrscheinlich erwartete er heute Abend noch eine Frau und wollte sie beeindrucken. War mir aber auch egal, zumindest redete ich mir das ein, doch mein Magen überschlug sich bei dieser Vorstellung.

Mit der sich anstauenden Wut im Bauch drehte ich mich zu ihm und musterte ihn, wie er lässig an der Wand lehnte mit seinem schwarzen Shirt und dunklen Jeans  und unterbrach dann die lähmende Stille zwischen uns.

"Da du anscheinend noch Besuch erwartest, fasse ich mich kurz", sagte ich bestimmend und ließ mich vorsichtig auf der Couch nieder, während er mich fragend anstarrte.
"Wie kommst du darauf, dass ich noch Besuch erwarte?"
Er setzte sich ohne den Blick von mir zu nehmen mir quer gegenüber auf die Kante der Couch und runzelte dabei die Stirn.

"Ja weil ...  Ach keine Ahnung, ist mir auch egal!", zischte ich plötzlich und erschrak selbst über meinen Zorn, den ich bei dem Gedanken daran, eine andere würde kommen, empfand. Ich schluckte die Wut herunter und sammelte mich kurz, bevor ich weiter sprach.
"Ich wollte eigentlich nur was fragen", erklärte ich ihm dann und er nickte mir stumm zu.

"Meine Wölfin, also wenn man das so nennt, sie heult und ich kann dadurch nicht  mehr klar denken. Wie  kriege ich das weg?"
Ich schaute ihn hilfesuchend an und hatte das Gefühl, mich in seinen Augen zu verlieren, bis er sich räusperte und aufstand.
"Möchtest  du Tee oder Kaffee?", fragte er mich dann plötzlich und nachdem, was er sonst  so trank, starrte ich ihm nur verwirrt entgegen.
"Tee? Willst mich auf den Arm nehmen? Weißt du was, vergiss es!"

Ich stand auf und war so sauer, das er mir nichtmal eine simple Frage beantworten konnte und wollte zur Tür, bis er plötzlich vor mir auftauchte und nervös mit seinen Händen herum spielte.
"Entschuldige. Bitte geh nicht", sagte er in so einem gequälten Tonfall, dass mir ein Schauer über den Rücken lief.

Irgendwas  war anders an ihm. Sollte er mich nicht eigentlich in so einer Situation grob am Arm packen? Oder mich provozieren? Oder mich beleidigen? Das alles wäre mir lieber gewesen als diese Mitleidstour die er abzog. Ich hasste es, mich schlecht zu fühlen gegenüber Menschen, die mir weh getan hatten.

"Zu deiner Frage", riss er mich aus meinen Gedanken und forderte meine volle Aufmerksamkeit. "Du musst lernen, sie zu kontrollieren und ihr zu zeigen, das du das Sagen hast."
"Was meinst du damit? Sie redet doch gar nicht. Sie heult nur", gab ich ihm neugierig zurück. Ich wollte wirklich alles darüber wissen und blendete einfach aus, wer da gerade vor mir stand.

"Setz dich", nahm er meine Hand, was mir kurz einen Schock versetzte, der durch meinen ganzen Körper fuhr und führte mich zur Couch, auf der ich mich erneut niederließ, während er stehen blieb.
"In aller erster Linie, bist du immernoch du, aber es ist, als hättest du jemanden, der mir dir Körper und Gedanken teilt. Du musst ihr klar machen, das ihr nur zusammen funktionieren könnt, sonst wird es dich zereissen."

Er sprach ruhig und schaute dabei die ganze Zeit tief in meine Augen. Er wollte anscheinend zum ersten Mal wirklich eine Hilfe sein.
"Weißt du denn, warum sie so traurig ist?", fragte er mich dann und ich fing sofort nervös an, auf meiner Lippe zu kauen. Ich wusste, das sie ihn wollte, das sie seine Nähe, seine Lippen und alles an ihm begehrte. Das spürte ich tief in mir, seit ich die Hütte  betreten hatte, doch das würde ich ihm niemals sagen.

"Ach, vielleicht hat sie Hunger", kicherte ich unbeholfen und wich mit großen Augen seinem Blick aus.
"Willst du was essen gehen?", fragte er mich dann und ich schüttelte sofort verneinend den Kopf.
"Ich hab grade gegessen", stammelte ich und stand auf, um trotzdem noch einen Kopf kleiner zu sein als er.
"Aber du hast doch grade gesagt-"
"Ich muss noch Glühbirnen kaufen", unterbrach  ich ihn und stolperte zur Haustür, während er mir verwirrt hinterher schaute. Wie viel peinlicher konnte es eigentlich noch werden?

Ich riss die Tür auf und konnte gar nicht schnell genug das Weite suchen. Er dürfte niemals erfahren, was tief in mir brodelte. Sie Sehnsucht nach ihm, überkam mich so heftig, dass ich mich mit der Schulter an einen Baum lehnen musste, weil ich dachte, ich müsste mich übergeben.

Wie sollte man gegen sowas ankämpfen? Gegen eine vorbestimmte Verbindung? Gegen das Schicksal, dass einem auferlegt wurde?
Ich würde es herausfinden, denn ich sehnte mich zwar nach ihm, doch das war nicht ich, sondern nur ein Teil von mir.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt