39. Kapitel

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Kaum standen wir in meiner Küche, rissen wir beide ungläubig die Augen auf.
"Was ist denn hier passiert?", fragte Lou und schaute mich dabei verwirrt an.

Ich konnte  ihr nicht antworten und starrte auf die Theken, die allesamt voller Essensreste und dreckigem Geschirr waren. Es sah aus, als wäre eine ganze Waschbärenfamilie eingebrochen und hätte hier ihr Unwesen getrieben.

"Ich bin hier drüben!", rief meine Oma aus dem Wohnzimmer und riss mich damit aus der Starre. Wir liefen zusammen rüber und sofort musste ich amüsiert grinsen. Lisbeth saß mit einem Glas Whisky auf der Couch und sah wirklich fix und fertig aus. Die Haare voller Mehl, die Schürze um ihre Hüfte bestand nur noch aus Dreck und die Augenringe ließen nur erahnen, wie viel sie für diese Feier geschuftet hatte.

"Ich hab mir ein bisschen zu viel vorgenommen", scherzte sie und lächelte Lou dabei freundlich an.
"Hallo, Lou. Wie geht's dir? Wie geht's deinen Eltern?"

"Danke, allen geht es gut", antwortete Lou und setzte sich zu ihr, während ich in die Küche zurück lief, um zwei Gläser und eine Flasche Wasser  zu holen.
"Ich räume das morgen früh auf", teilte ich meiner Oma mit, während ich zurück ins Wohnzimmer kam, mich auch hinsetzte und ihr Nicken freundlich erwiderte.
"Das wars auch für mich. Ich werde duschen und schlafen gehen. Wir sehen uns morgen Mittag."

Sie trank ihr Glas in einem Zug aus und stand dann auf, um das Wohnzimmer zu verlassen.
"Willst du?", fragte ich Lou und hob ihr die Flasche Wasser entgegen, doch sie schüttelte verneinend den Kopf und griff nach der Whiskyflasche, um ihr Glas bis zum Rand damit zu füllen.

Als sie mich danach süß angrinste und mir gerade auch etwas eingießen wollte, hielt ich meine Hand schützend über mein Glas.
"Nein, für mich nicht. Ich sollte ein wenig kürzer treten."
"Dann bleibt mehr für mich", lachte sie und machte es sich mit ihrem Glas auf der Couch gemütlich.

Ich schaltete den alten Fernseher an und stand auf, um zum Videorekorder zu laufen. Ich drückte die Power Taste und öffnete eine der Schubladen der Wohnwand.
"Also, wir haben hier von Romantik bis Horror anscheinend alles."
Ich schaute ihr lächelnd entgegen und sie zog amüsiert die Augenbrauen hoch.

"Ich will eine richtige Schnulze! Einen von den Filmen, bei denen man am Ende vor Glück weinen muss."
Ich sah sie kurz an um zu erkennen, ob sie das ernst meinte, doch wandt mich dann wieder zu den Filmen und entdeckte
》Dirty Dancing《.

Diesen schnulzigen Film mochte ich eigentlich nicht, doch Lou kannte ihn nicht und vielleicht gefiel er ihr ja. Ich legte die Kassette in den Rekorder, lief kurz nach oben, um uns Kissen und Decken zu holen und machte es mir dann neben ihr gemütlich.

Während des Films redeten wir kaum. Ich dachte mal wieder über Ludwig und Jayden nach, während sie sich ein Glas nach dem anderen rein kippte. Ich machte mir nichts daraus, wahrscheinlich tranken hier alle zu jeder Zeit und waren es gewohnt.

Zum Ende des Films nahm ihr ein paar einzelne Tränen in ihrem Gesicht wahr und sie erschreckte mich zu Tode, als sie plötzlich aufsprang und mich am Arm riss.
"Wir lassen und nichts mehr von diesen Idioten gefallen. Ich will auch endlich mal einen Freund und das werde ich meinem Bruder jetzt mitteilen!"

Ich stand genau vor ihr und sah, wie der Alkohol wirkte. Man konnte es ihr ansehen und es auch aus ihrer Stimme heraus hören, dass es wohl ein oder zwei Gläser zu viel waren.
"Bist du verrückt? Was denkst du was passiert, wenn wir mitten in der Nacht bei denen auftauchen, wenn wir sie überhaupt finden?!", versuchte ich sie abzuhalten, doch sie schaute mir nur enttäuscht entgegen und drehte mir den Rücken zu.

"Dann gehe ich eben alleine!"
Sie schwankte los und mir blieb nichts anderes übrig, als ihr nach draußen  zu folgen. Erst als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, bemerkte ich, dass ich meinen Schlüssel vergessen hatte. Augenverdrehend blieb ich kurz stehen und überlegte, nochmal kurz zu Klingeln, aber Lou lief stur weiter und ich eilte ihr dann nach, aus Angst, sie würde umkippen oder ähnliches.

"Wir sollten wirklich zurück", sprach ich ihr bemutternd zu, doch sie winkte nur ab und hielt sich dann an einer Laterne fest.
"Nein, Chiara. Wir sind jung und sollten mit unserer Liebe tanzen."

Ich schaute ihr dabei zu, wie sie um die Laterene tänzelte und dabei laut lachte. Was hatte ich nur getan. Jayden würde mir den Kopf abreißen, dachte ich und eilte zu ihr, um sie bei mir einzuhaken.
"Okay, wir gehen zu ihnen. Aber du hörst auf, an Laternen zu tanzen und bleibst bei mir eingehakt."

"Okay Luna!", kicherte sie. Ich wusste zwar nicht, was sie damit meinte, hatte aber zu dem Zeitpunkt genug andere Dinge im Kopf, anstatt mir darüber den Kopf zu zerbrechen.

Schweigend liefen wir zum Wialtrama, wo Eddie uns abschätzig musterte.
"Ohhhhh Eddie du Wuschelchen! Ist mein Bruder da?", fragte Lou ihn und tippte ihm mit einem Finger provozierend auf die Nase. Ich hielt den Atem an und sprach schon meine letzten Gebete, doch er lachte plötzlich auf und kniff der Braunhaarigen in die Backe.
"Der ist mit den anderen zu sich. Du solltest aber lieber nach Hause", antwortete er lächelnd und sah dann rüber zu mir, woraufhin ich die Augen aufriss, aus Angst, er würde mir die Schuld geben.

"Nach Hause, haha", lachte Lou und drehte sich bei mir eingehakt Richtung Wald.
"Los geht's!", rief sie laut und ich kam mir vor, als wäre ich mitten in einer Demonstration für Frauenrechte, so wie sie stampfte und ihren Arm in die Luft streckte. Es hätten nur noch Plakate gefehlt.

Ich half ihr über die Straße und passte im stockfinsteren Wald darauf auf, dass sie nirgends hängenblieb oder stolperte und regte mich innerlich darüber auf, dass er nicht einfach ein Haus an irgendeiner Straße besitzen konnte, doch ehe ich ihn in meinem Kopf weiter verfluchen konnte, standen wir schon auf dem kleinen Platz vor seiner Hütte, aus der laute Musik dröhnte.

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The human Mate - Seelen der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt