04 | Ungutes Gefühl

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Jetzt, wo die Geschichte von Medina zuende erzählt ist, wird es Zeit für ein neues Boss-Abenteuer.
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Miras überstürzter Abschied ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Was war nur los mit ihr? Schon in der Nacht, in der ich sie nach Hause begleitet hatte, war sie so traurig und in sich gekehrt gewesen. Mich ließ ihr Verhalten nicht los. Ich kannte sie eigentlich überhaupt nicht, und trotzdem musste ich unbedingt wissen, was Mira gerade durchmachte. Immerhin hatte ich ihr meine Mobb Deep CD geliehen!

Ich versuchte, nicht an Mira zu denken, als ich mich Sonntagnacht aus dem Bett quälte. Heute war erst mal eine nette Kaffeefahrt nach Tschechien angesagt. Einkaufen für mein Business. Doch die Fahrt mit dem Reisebus dauerte mehrere Stunden, also fuhren wir schon im Morgengrauen los und würden gegen Mittag den Asienmarkt in Cheb erreichen.

Ich zog mir eine dunkelblaue Jeans und einen schwarzen Pullover an, schnappte mir eine Jacke und machte mich auf den Weg zum Treffpunkt. Dort stieg ich zusammen mit unzählig vielen alten Menschen als so ziemlich einziger Typ meines Alters in den Reisebus und suchte mir einen Sitzplatz. Wahrscheinlich kam einfach keiner auf so geile Ideen wie ich, möglichst einfach möglichst viel Geld zu verdienen.

Ich machte das jetzt schon seit ein paar Monaten und die Sache lief wirklich richtig gut. Ich kaufte Klamotten und Schmuck auf Asiamärkten in Tschechien und verkaufte sie schließlich weiter. Angefangen hatte alles mit diesen billigen gefälschten Plastikanzügen, in denen auch DMX herumlief. Seit ich die Dinger hier vertickte, liefen all diese Möchtegern-Ami-Spastis der Region im Einheitslook rum, aber mir konnte das ja egal sein.

Außerdem vertickte ich seit geraumer Zeit auch hin und wieder Piece, Gras und Speed. Ich war vielleicht nicht der verfickte Pablo Escobar, aber mein Business lief.

Ich hatte meine Pläne bereits gemacht. In den kommenden Wochen würde ich in meine neue Wohnung ziehen und das Ganze professionell aufziehen. Ich sah das ganze Ding wie einen richtigen Job! Ich hatte mir die Gewinnspanne für meine Großeinkäufe bereits ausgerechnet. Wenn das wirklich alles so hinhaute, könnte ich davon erstmal gut leben und mir nebenbei ein besseres Equipment für meine Aufnahmen finanzieren. Also machte es mir auch nichts aus, als einziger Jugendlicher zwischen Rentnern und Hausfrauen zu sitzen, die ihren Kindern Gartenzwerge kaufen wollten.

In Cheb angekommen, bahnte ich mir zielstrebig meinen Weg zu einem bestimmten Stand. Der Typ kannte mich schon und setzte immer ein glückliches Lächeln auf, weil er wusste, dass er bei mir vermutlich achtzig Prozent seines Bestandes loswurde. Wie immer kaufte ich seinen Stand leer und verbrachte dann den restlichen Tag damit, die Ware der anderen Stände auszukundschaften. Ich musste es ja nicht bei den Plastikanzügen belassen und konnte zumindest darüber nachdenken, mein Business zu erweitern.

Kurz bevor wir am Nachmittag die Heimreise antraten, klingelte mein Handy. Ich sah die Nummer meiner Mutter auf dem Display. Normalerweise zögerte ich bei Anrufen im Ausland, weil ich zu geizig für die Roaming-Gebühren war, aber bei meiner Mutter machte ich immer eine Ausnahme.

„Ja...", begrüßte ich sie. „Felix, wo bist du?", fragte sie. „Unterwegs.", antwortete ich knapp. Natürlich versuchte ich mein kleines Geschäft vor meiner Mutter geheim zu halten. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte. „Ist alles in Ordnung?", fragte ich. Es war normalerweise meine erste Frage an meine Mutter - bei jedem ihrer Anrufe. „Ja.", sagte sie, „Mira war hier und hat dich gesucht."

Mira? Fuck! „Okay.", sagte ich. Ich wunderte mich darüber, dass Mira nach ihrem gestrigen spontanen Verschwinden ebenso spontan wieder bei mir auftauchte. „Es ging ihr glaube ich nicht so gut.", sagte meine Mutter, „Vielleicht meldest du dich mal bei ihr."

Diese Art Fürsorge für einen fremden Menschen kannte ich von meiner Mutter überhaupt nicht. Sie musste Mira wirklich mögen. „Ja, mache ich.", sagte ich, als mir einfiel, dass ich nicht mal ihre Handynummer hatte! Verdammte Scheiße!

My ryde or die chick || Kollegah FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt