78 | Unangenehme Überraschung

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„Fahr links." Mira deutete auf eine kleine Seitenstraße und ich bog ab. Seit einer Viertelstunde fuhren wir bereits im Kreis, weil eine riesige Baustelle sämtliche Wege zu Alex blockierte. An seiner Stelle wäre ich ziemlich genervt. „Jetzt rechts.", sagte Mira und ich bog in die nächste schmale Seitenstraße ab. Sie saß über ihrem Iphone und navigierte uns zielsicher durch das Seitenstraßennetz. „Da vorne kommt ein Kreisverkehr. An dem musst du links raus.", sagte sie. „Alter, wie kann man hier freiwillig wohnen?!", fluchte ich. Mira schmunzelte. „Nicht jeder braucht so ein bosshaftes Anwesen wie du."

Ich warf ihr einen eindeutigen Seitenblick zu. „Heute Morgen klang das noch ganz anders.", erinnerte ich sie an ihre glücklichen Worte über meine Regenwalddusche. Sie grinste. Plötzlich veränderte sich ihr Blick. „Pass auf, Fahrradfahrer!", stieß sie aus. Ich konnte gerade noch rechtzeitig bremsen, als mir irgendein Spasti direkt vor mein Auto fuhr. „Bist du behindert oder so?!", schrie ich ihn durch die igeschlossenen Scheiben an. Mira schmunzelte. „Die nächste Rechts, dann sind wir da.", sagte sie. „Das nächste Mal kommen die beiden zu mir!", fluchte ich, „Auf die Scheiße hab ich keinen Bock!"

„Entspann dich doch mal.", sagte Mira sanft, „Wir verbringen jetzt einen coolen Abend mit unseren Freunden und vergessen einfach mal die ganzen letzten Wochen, die uns so sehr zugesetzt haben." Sie lächelte. Ich lächelte ebenfalls. Sie griff nach meiner Hand und drückte sie, während ich mich nach einem Parkplatz umschaute. Natürlich gab es hier keine Parklücken, die für meinen Wagen ansatzweise geeignet gewesen wären! Scheiß Wohngegend! Hier parkten die Leute ja wie verhurte Hausfrauen! „Da passt du rein.", sagte Mira und deutete auf eine große Lücke zwischen zwei Kleinwagen. „Danke.", sagte ich und stellte meinen Wagen am Straßenrand ab.

Als ich aus dem Auto stieg, war ich nicht weniger angespannt. Die letzten Wochen waren an mir und meinen Nerven einfach nicht spurlos vorübergegangen. Ich war ziemlich leicht reizbar. Jede noch so kleine Gelegenheit brachte mich auf die Palme. Mira griff nach meiner Hand und zog mich zu sich heran. Ich schaute in ihre Augen. „Was ist?", fragte ich und sie strich durch meine Haare. „Entspann dich.", sagte sie leise. Dann küsste sie mich, löste sich von mir und zog mich an ihrer Hand hinter sich her, bis wir ein großes Altbauhaus erreichten.

Ich drückte die Klingel herunter. „Ja?", drang Alex' Stimme durch die Sprechanlage. „Ich bin's.", sagte ich. „Wer ist ich?", fragte er. Ich verdrehte die Augen. Er konnte nichts für meine Laune, aber ich ertrug es heute nicht, dass er witzig sein wollte. Ohne, dass ich noch etwas sagte, ertönte schließlich der Summer. Alex erwartete uns am Treppenabsatz des zweiten Stocks, lässig in den Rahmen seiner Wohnungstür gelehnt. Wir begrüßten uns kurz, dann führte er uns in sein Wohnzimmer. Ich fand den Kontrast des dunklen Parkettbodens mit den hellen Möbeln noch immer ziemlich cool. Carla erwartete uns bereits auf der Couch und stand kurz auf, um uns zu begrüßen. Als Mira und Carla sich freudig um den Hals fielen und dabei seltsam aufgeregt quietschten, warfen Alex und ich uns einen eindeutigen Blick zu.

Um ehrlich zu sein, fand ich den gemeinsamen Abend mit Alex und Carla total cool. Ich hatte es nicht erwartet, aber es gelang mir wirklich, endlich einmal abzuschalten. Carla und Mira kochten uns etwas zu Essen und Alex und ich tauschten uns über die ganzen Neuigkeiten im Leben des jeweils anderen aus. Miras Stalker ließ ich dabei bewusst aus, weil ich ihr diese Entscheidung überlassen wollte.

„Ich finde es übrigens ziemlich cool, dass du so locker mit der ganzen Sache umgehst.", sagte er schließlich und nahm einen Schluck aus seinem Colaglas. Wir warteten darauf, dass Mira und Carla uns das Essen servierten wie zwei südländische Paschas. „Womit?", fragte ich verständnislos. „Na, du bist so entspannt.", sagte er, „Ich könnte das nicht." Woher wusste er denn jetzt doch schon von der Geschichte? Mira hatte es Carla doch noch gar nicht erzählt. Ob Pia Carla etwas erzählt hatte? Ich wusste es nicht.

„Wovon genau redest du?", fragte ich ihn also jetzt ziemlich direkt und sah neugierig in seine Augen. „Na, von dem Scheiß von RapGodz.net.", sagte Alex, „Es ist wichtig, dass du da nicht ausrastest." Ich seufzte. Die Scheiße rund um Miras Mutter hatte ich total verdrängt!

„Weißt du, ich habe erkannt, dass das alles nicht wichtig ist.", sagte ich entschieden, „Du weißt genau so wie ich, dass ihre Mutter das nur wegen der Kohle erzählt. Sie hat ziemlich viele Tatsachen verdreht. Geldgeile Bitch!" Alex musterte mich irritiert. „Ich rede von ihrem Vater..." Ich sah ihn aus großen Augen an. „Was ist mit ihrem Vater?", fragte ich nervös. Gerade, als er antworten wollte, trugen Mira und Carla das Essen herein. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er meinem fragenden Blick auswich und erleichtert darüber war, dass er unserer Unterhaltung jetzt aus dem Weg gehen konnte. Was war denn nur los mit dem? Und über welchen Artikel über Miras Vater hatte er gesprochen?

Während wir gemeinsam zu Abend aßen, ergab sich keine Gelegenheit mehr, Alex noch mal zu fragen. Natürlich hätte ich auch jederzeit mein Iphone rausholen und online nachschauen können, aber ich wollte den gemeinsamen Abend nicht mit irgendwelchen neuen schlechten Neuigkeiten torpedieren. Mira war total losgelöst und hatte offensichtlich die letzten Strapazen kurzzeitig verdrängt, also hatte ich entschieden, zumindest einen Abend die Ruhe zu genießen. Es war mir sogar gelungen, komplett abzuschalten.

Doch auf dem Rückweg nach Hause schlich sich die Frage in meinen Kopf zurück, wovon Alex gesprochen hatte. Ich drehte Mira meinen Kopf zu und musterte sie, als wir an der nächsten Ampel hielten.

„Was ist?", fragte sie und sah mich an. „Was ist mit deinem Vater?", fragte ich sie und schaute ihr geradewegs in die Augen. Mira seufzte. „Was soll sein?", fragte sie nervös. Ich legte irritiert den Kopf schief. Wieso wurde sie denn jetzt auch so komisch? Ich seufzte und versuchte, mich zusammenzureißen. „Alex sagte, ich soll locker bleiben wegen irgendeinem Scheiß aus dem Internet."

„Wieso hast du mir das nicht erzählt?!", fragte ich vorwurfsvoll, als ich Mira in den Hausflur folgte. Sie ließ mich stehen und lief in die Küche. „Hallo?", fragte ich wütend, als sie mich weiter ignorierte. Seit sie mir von dem neuen Artikel erzählt hatte, gab es für mich kein Halten mehr. Aber nicht wegen dem Artikel selbst, den ich nicht kannte. Viel mehr, weil sie ihn mir verschwiegen hatte!

Ich blieb im Türrahmen zur Küche stehen und durchbohrte Mira auffordernd mit meinem Blick. Schließlich seufzte sie und fuhr zu mir herum. „Weil wir gerade ganz andere Sorgen haben! Erst dein Unfall, jetzt dieser komische Typ! Scheiß auf irgendwelche Halbwahrheiten im Internet!", sagte sie dann. Ich verzog meinen Mundwinkel zu einem leichten Lächeln. Ich fand es schön, dass sie so dachte. Trotzdem wollte ich wissen, was hier abging!

„Okay.", sagte ich etwas ruhiger, als ich die Reue in ihren Augen sah, kurz bevor sie ihren Blick zu Boden senkte. „Aber was auch immer dein Vater jetzt erzählen musste – ich will es wissen!", sagte ich jetzt und machte ein paar Schritte auf sie zu. „Du sollst dich nicht unnötig über irgendwelche unwichtigen Sachen aufregen. Wir brauchen unsere Energie für die wirklich wichtigen Dinge.", sagte sie entschieden und schaute zu mir auf. „Was steht in dem Artikel, Mira?", fragte ich mit Nachdruck. „Er rechtfertigt sich nur zu der Falschaussage, dass er Alkoholiker ist.", sagte sie und drehte sich von mir weg. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Wieso lügst du mich an?!", entfuhr es mir fassungslos. „Mache ich nicht.", sagte Mira entschieden. Sie machte mich wahnsinnig!

Wütend zog ich mein Iphone aus der Tasche und wischte darauf herum. Ich schaffte es genau bis zur Webseite. Dann kam ich nicht weiter, weil Mira mir das Iphone aus den Fingern nahm und mich anchaute. „Lies das jetzt bitte nicht.", bat sie mich, doch ich schüttelte den Kopf. „Ich muss, Mira.", sagte ich ungeduldig, „Also lass es mich einfach lesen." Ich hielt ihr meine offene Hand hin und sah sie erwartungsvoll an. Sie biss sich auf die Unterlippe und gab mir zögerlich mein Iphone zurück. „Ich habe es dir gleich gesagt.", sagte sie jetzt, „Nur, dass du es weißt! Es ist Müll und du solltest es nicht lesen!" „Mir egal.", sagte ich trotzig und schaute vorwurfsvoll in ihre Augen. „Wie kannst du solche Sachen überhaupt vor mir geheim halten?!" Mira warf die Hände in die Luft. „Geheim?! Felix, die Scheiße ist so geheim wie dein richtiger Name! Sie steht online!"

Ist ja nicht so, als würde ich euch mal durchatmen lassen. Haha. Aber wieso solltet Ihr ruhe haben, wenn Toni das auch nicht gegönnt ist? Danke wie immer für die Kommentare und Votes :)

My ryde or die chick || Kollegah FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt