32 | Wie früher

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Danke für eure Votes und Kommentare. Heute endlich das nächste Kapitel. Der Titel sagt eigentlich alles :) viel Spaß.
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Ich musste vollkommen bescheuert sein. Doch es war, als hatte ich die Fähigkeit klar zu denken verloren. Anders konnte ich mir diesen Vorschlag, den ich ihr jetzt unterbreitet hatte, nicht erklären.

„Was habt ihr denn vor?", fragte Alex skeptisch, als Mira und ich uns schließlich von der Gruppe lösten und in Richtung Strand liefen. „Felix zeigt mir seine Muschelsammlung.", antwortete Mira trocken und ich lachte. Ihr trockener Humor hatte sich nicht verändert und ich feierte ihn noch immer.

„Mira?" Carla sah uns irritiert an, doch Mira lächelte nur entschieden. „Alles okay, Carlita.", sagte sie dann, „Er bringt mich bis vor die Haustür. Das hat er schon immer gemacht." Ich ignorierte den kleinen Stich in meinem Herzen und lief mit Mira den kleinen Sandweg in Richtung Sandstrand. Wir konnten das Meer bereits rauschen hören.

„Ich glaube, Carla ging es eher darum, dass du sie mit Alex einfach so allein lässt.", stellte ich nüchtern fest. Mira schüttelte den Kopf. „Glaub mir, die kann sehr gut auf sich selbst aufpassen. Es ist viel passiert, seit sie das kleine zerbrechliche Mädchen war, das ich händchenhaltend nach Hause bringen musste. Außerdem ist Pia ja auch noch da. Den beiden macht so schnell kein Mann was vor." „Das stimmt allerdings.", sagte ich.

„Wie kommt es, dass du jetzt mit dieser Pia rumhängst?", fragte ich wirklich interessiert. Mira lächelte. „Früher war sie ziemlich ätzend, aber irgendwann waren wir mal zusammen auf einer Party und sind irgendwie ins Gespräch gekommen. Da haben wir dann gemerkt, dass wir uns eigentlich ziemlich ähnlich sind. Der Rest ist Geschichte. Sie ist eine wirklich gute Freundin geworden." Ich seufzte. „Was denkst du gerade?", fragte sie und sah in meine Augen, als wir den Strand erreichten.

„Dass es für mich total unwirklich ist, mit dir gerade hier am Strand im Mondschein spazieren zu gehen.", sagte ich ehrlich. Unter anderen Umständen hätte ich sogar ein kleines Bisschen Romantik empfunden. „Geht mir genauso.", sagte sie. „Erzähl...", forderte ich jetzt, „Was gibt es Neues?" Mira strich mit ihren Fingern durch ihre Haare. „Puh, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.", sagte sie und schien einen kurzen Augenblick nachzudenken.

„Nach dem Abi habe ich Sozialpädagogik studiert. Für mich war klar, dass ich diesen ganzen armen Kindern helfen will, für den sich alle einen Scheißdreck interessieren. Nach dem Studium habe ich in einem Mädchenwohnheim in Frankfurt gearbeitet, aber da war ich nicht so lange. Anschließend war ich in einem Heim für jugendliche Sexualstraftäter."

Ich starrte sie aus großen Augen an. „Das hast du durchgezogen? Respekt!" Ich meinte es ernst. Gerade bei ihrer Vergangenheit, in der sie selbst geschlagen und gequält worden war, musste es für sie eine riesengroße Überwindung gewesen sein, sich mit so extrem gewalttätigen Menschen auseinanderzusetzen.

„Nicht lang.", gestand sie, „Ich habe kurz darauf wieder aufgehört. Mir war das viel zu heikel, denn nachts sollte ich mit denen allein sein und dort auch als Aufsichtsperson übernachten. Das war mir aber viel zu gefährlich." „Auf jeden Fall!", platzte es aufrichtig erleichtert aus mir raus. Ich hoffte, dass sie die Sorge in meiner Stimme nicht gehört hatte.

„Vor ein paar Jahren bin ich dann nach Köln gegangen.", sagte Mira und ich horchte auf. Sie wohnte also gar nicht so weit weg von mir. „Dort habe ich eine Initiative gegründet, die sich mit den Problemen der sozial schwächeren Jugendlichen beschäftigt. Ich unterstütze sie mit verschiedenen Projekten im Bereich Theater, Tanz, Sport und Musik. Außerdem betreue ich Kids, die von zuhause ausgerissen sind oder dahin nicht zurückwollen und hole sie von der Straße. So ne Art Streetworker."

In diesem Moment gewann mein Stolz auf sie in mir die Überhand. Ich schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln. „Klingt ja richtig so, als lebst du dich da voll aus." Mira nickte. „Ja, total. Mir gibt das halt ein gutes Gefühl, auch, wenn ich damit niemals reich werde."

„Geld ist nicht wichtig.", stellte fest, „Es ist viel wichtiger, dass du frei in deinen Entscheidungen bist. Das ist eine Sache, die ich inzwischen begriffen habe. Außerdem passt das zu dir." Ich klang ja fast wie ein Philosoph. Mira lächelte. Sie fror noch immer, versuchte aber, mich das nicht merken zu lassen. Ich wusste es trotzdem.

Wir sagten einen kurzen Augenblick nichts und liefen schweigend nebeneinander her. Nur das Rauschen des Meeres war zu hören. Es erinnerte mich an die Zeit, in der ich Mira nah sein konnte, ohne mit ihr zu sprechen.

„Und was gibt's bei Dir so Neues?", fragte sie dann irgendwann trocken und wir lachten. „Nicht viel.", sagte ich leichthin. Sie blieb stehen, während ich zu ihr zurück schaute. Als sie sich nicht wieder in Bewegung setzte, blieb auch ich stehen.

„Weißt du eigentlich, wie stolz ich auf dich bin?" Sie sagte es mit fester Stimme und fixierte meinen Blick. Ich machte ein paar Schritte auf sie zu und musste unwillkürlich lächeln. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Immerhin hätte sie all das mit mir gemeinsam erleben können. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob sie mich trotzdem spätestens während meiner krassen Drogenzeit verlassen hätte. Sie war schon immer dagegen gewesen und zu meiner Glanzzeit in Düsseldorf hatte ich zeitweise wirklich krass exzessiv gelebt und war ständig voll drauf gewesen. Doch die Zeiten waren für immer vorbei. Ob sie auch so stolz auf mich wäre, wenn sie davon wüsste?

„Cool.", sagte ich also etwas ratlos. Mira schlug mir gegen meine Brust. Es war das erste Mal, dass wir uns nach all dieser Zeit berührten. „Du bist so ein Idiot manchmal!", entfuhr es ihr grinsend, „Wieso kannst du ein Kompliment nicht vernünftig wie jeder normale Mensch auch mit einem Danke annehmen?"

„Danke.", sagte ich also und versuchte ein Lächeln. Sie erwiderte es. Ihr Lächeln war noch immer wunderschön.

„Weißt du, Mira...", sagte ich traurig, „Ich hätte mir einfach gewünscht, dass du an meiner Seite gewesen wärst, als es so richtig losging." Mira senkte traurig ihren Blick. „Ich weiß.", sagte sie reumütig und sah mir dann fest in die Augen. „Heute weiß ich, dass es ein riesiger Fehler war und ich habe meine Entscheidung oft bereut. Ich war einfach jung und hatte Angst davor, diesen Schritt mit dir zu gehen. Es tut mir auch wirklich sehr leid, dass ich dir das angetan habe, nach allem, was du damals für mich gemacht hast."

Als sie sich nach all der Zeit so aufrichtig bei mir entschuldigte, kamen mit einem Schlag all meine alten Gefühle in mir hoch. Meine tiefe Enttäuschung, meine Wut, mein Unverständnis, aber auch meine tiefe Liebe und meine Zuneigung für sie. Ich hatte immer geglaubt, dass ich mit Mira abgeschlossen und diese Beziehung vergessen hatte. Aber jetzt war einfach so alles wieder da!

Ich sah noch immer in ihre Augen, während sie sich um Kopf und Kragen redete. „Es tut mir wirklich so unendlich leid! Ich habe dich immer dazu motiviert, um deinen Traum zu kämpfen und ich habe immer an dich geglaubt. Aber-"

Ich sehnte mich plötzlich so sehr nach ihr, dass ich sie einfach bestimmt an ihrer Taille zu mir heranzog und meine Lippen ohne nachzudenken auf ihre presste. Sie brannten sofort wie Feuer und eine unglaubliche Hitzewallung strömte durch meinen ganzen Körper bis in meine Fingerspitzen. In meinem Bauch kribbelte es angenehm wie bei unserem allerersten Kuss damals. Schließlich umfasste ich Miras Gesicht leidenschaftlich mit meinen Händen und küsste sie noch mal. Diesmal drückte ich mit meiner Zunge gegen ihre Lippen. Überrascht riss sie ihre Augen auf und taumelte irritiert nach hinten. Ich folgte ihr und zog sie an ihren Hüften wieder zu mir heran. Dann fixierte ich ihren Blick und küsste sie wieder. Ich konnte gar nicht beschreiben wie schön es war, ihre Lippen zu schmecken! Ich wusste überhaupt nicht, wie mir geschah, als mich diese längst vergessenen Gefühle völlig unvorbereitet überwältigten!

Noch etwas zögernd schlang Mira ihre Arme um meinen Hals, bevor schließlich ihr Widerstand brach, sie ihre Lippen leicht öffnete und meinen Kuss erwiderte. Unsere Zungen berührten sich leicht und Mira seufzte leise in unseren Kuss hinein. Sie küsste noch genau so wie damals. Es machte mich schwach, als sie meine Lippen mit ihren massierte und schließlich an meiner Unterlippe knabberte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals vor lauter Aufregung, meine Finger zitterten leicht und ich presste mich dicht an sie. Es war wunderschön, sie wieder bei mir zu spüren. Ihre Fingerspitzen strichen sanft durch meine Haare und ihre Fingernägel hinterließen dieses angenehme Kribbeln, das ich schon immer so sehr geliebt hatte. Das Meer rauschte leise vor sich hin, während mein Gehirn sich langsam abschaltete und ich einfach nur noch den Augenblick genoss; den Augenblick, in dem nichts auf dieser Welt mehr wichtig war. Nichts außer uns beiden.

My ryde or die chick || Kollegah FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt